Starkregenvorsorge im Bundesbau

Objektschutz und bauliche Vorsorge in zivilen Liegenschaften des Bundes

Im Rahmen der Baufachlichen Richtlinien Abwasser hat der Bund Empfehlungen zur Überflutungsvorsorge aufgrund von Starkregen erarbeitet. Ziel ist es, das Gefährdungspotenzial durch Starkregen und damit einhergehenden Überflutungen im Sinne einer qualitativen Erstbewertung bundeseinheitlich einzuschätzen. Die Empfehlungen gelten für bauliche Anlagen auf zivil genutzten Liegenschaften der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA).

Starkregenvorsorge – aktueller denn je

Die neuen Hilfestellungen sind hochgradig relevant vor dem Hintergrund der Starkregenereignissen in den letzten Jahren in Deutschland und auch für die Zukunft, wie der aktuelle 6. Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC darlegt. Demzufolge werden wir künftig häufiger mit Wetterextremen konfrontiert. Die Zunahme der Niederschlagsintensitäten derartiger Wetterereignisse ist laut IPCC eine Folge des Klimawandels. Dies wurde auf Bundesebene im Rahmen der aktuellen Klimawirkungs- und Vulnerabilitätsanalyse des Bundes 2021 bestätigt.

Der 2. Fortschrittsbericht der Deutschen Anpassungsstrategie unterstreicht die Vorbildrolle des Bundes bei der Umsetzung von allgemeinen Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel. Das könne zum Beispiel dadurch gelingen, bundeseigene Gebäude, Liegenschaften und Infrastrukturen klimaresilienter zu gestalten. Mit den neuen Empfehlungen nimmt der Bund somit diese Vorbildrolle in Bezug auf die Starkregenvorsorge wahr.

Empfehlungen zur einheitlichen Einschätzung des Gefährdungspotenzials

In Deutschland verursachen Starkregen und damit einhergehende Sturzfluten immer wieder Überschwemmungen. Innerhalb kürzester Zeit fallen große Mengen an Regenwasser. Gepaart mit einer ungünstigen Geografie und hohen Versiegelungsgraden der Oberfläche kann das abfließende Regenwasser Häuser oder ganze Siedlungsgebiete überfluten. Die Konsequenzen sind Sach- und leider oft auch Personenschäden. Die Vorhersage derartiger Ereignisse bleibt eine schwierige Aufgabe, da diese zumeist räumlich stark begrenzt sind und nur eine geringe Vorlaufzeit haben. Das Wissen um die Verletzbarkeit der baulichen Infrastruktur ist für effektive Vorsorge- und Schutzmaßnahmen elementar. Der erste Schritt zur Bauvorsorge ist, die Gefährdung von Gebäuden und Liegenschaften zu ermitteln, um Elementarschäden durch Maßnahmen zu minimieren. Vor diesem Hintergrund hat der Bund Empfehlungen erarbeitet, um das Gefährdungspotenzial durch Starkregen auf Bundesliegenschaften im Sinne einer qualitativen Erstbewertung einschätzen zu können. Die Starkregenvorsorge ist dabei nur ein Baustein einer gesamtheitlichen Anpassungsstrategie.

Die BImA als Eigentümerin ziviler Bundesliegenschaften hat sich verpflichtet, auf allen ihren Liegenschaften diese Bewertung durchzuführen. Die Anwendung der Prüfliste, mit der das Gefährdungspotenzial ermittelt und Maßnahmenvorschläge erarbeitet werden, liefert der BImA einen Grundbaustein auf dem Weg zu einer effektiven Überflutungsvorsorge. Es gilt, nicht nur die Liegenschaften und Gebäude, sondern auch die Nutzerinnen und Nutzer, vor den Auswirkungen solcher Wetterlagen so gut wie möglich zu schützen. Die Bewertung des Gefährdungspotentials ermöglicht es, potenziell verwundbare Stellen der Liegenschaft zu identifizieren und hilft bei der Erarbeitung von entsprechenden vorsorglichen Maßnahmenvorschlägen. Je nach Ergebnis der Bewertung können verschiedene Schritte in die Wege geleitet werden, beispielsweise die Erstellung eines Überflutungsnachweises nach DIN EN 1986-100, die Aktualisierung des Liegenschaftsbezogenen Abwasserentsorgungskonzeptes (LAK) nach den Baufachlichen Richtlinien Abwasser (BFR Abwasser) oder einzelne Baumaßnahmen. Oft können auch Nutzungsanpassungen und Informationen für die Nutzerinnen und Nutzer sowie die Betreiberinnen und Betreiber erforderlich sein.

All diese Arbeitsschritte erfordern eine enge Zusammenarbeit von Bauverwaltung, BImA, den Nutzenden der Liegenschaften sowie ggfs. den zuständigen Stellen der Kommunen. Dabei wird angestrebt, alle Möglichkeiten des Schutzes durch konstruktive Elemente, wie etwa die Schaffung von Flächen zur Regenwasserrückhaltung, den Rückbau von Ölheizungen oder den Einbau von Rückstauverschlüssen zu nutzen. Die sachgerechte Wartung dieser Anlagen ist wiederum entscheidend für eine problemlose Funktionalität im Ernstfall. Über den konstruktiven Schutz hinaus müssen Nutzerinnen und Nutzer gut informiert sein und ggfs. Prozessabläufe im Arbeitsalltag optimiert werden. Das gewährleistest, dass alle Personen wissen, wie sie sich in solch einem Fall verhalten sollen. Allen Beteiligten muss dabei bewusst sein, dass man den Folgen derartiger Wettereignisse nur bis zu einem gewissen Grad baulich oder konstruktiv vorbeugen kann. Es muss klar kommuniziert werden, dass ab einer gewissen Intensität des Starkregens Sachschäden hingenommen werden müssen und dann der Schutz von Personen im Mittelpunkt steht.

Systematik der objektscharfen Einschätzung des Gefährdungspotenzials

Die Analyse des Gefährdungspotenzials wird mit Hilfe einer Prüfliste für die Ortsbegehung unterstützt. Sie dient dazu, umweltbezogene Einflussgrößen (z.B. Tal- oder Senkenlage der Liegenschaft bzw. Gebäude, Versiegelung im Nahbereich) und mögliche Eintrittspfade in die Gebäude (z.B. fehlende Rückstausicherungen, Kellerfenster) zu identifizieren. Somit wird neben der Gefährdung auch die objektspezifische Verletzbarkeit betrachtet. Die Gefährdung beschreibt also, welchen Naturgefahren das Gebäude ausgesetzt sein könnte, während die Verletzbarkeit beschreibt, wie gut oder schlecht es gegenüber diesen Gefahren geschützt ist. Auf Grundlage dieser Ergebnisse können Hinweise und Empfehlungen für den ganzheitlichen Objektschutz ermittelt und umgesetzt werden. Die Prüfliste basiert u.a. auf der BBSR-Publikation „Leitfaden Starkregen – Objektschutz und bauliche Vorsorge“.

Die Ursache und das Ausmaß von Schäden durch Starkregen und Überflutung an baulichen Anlagen hängen von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören umweltbezogene Faktoren (Exposition), gebäudebezogene Faktoren und nutzungsbedingte Faktoren. Für die Einschätzung des Gefährdungspotenzials baulicher Anlagen ist eine detaillierte und objektscharfe Grundlagenermittlung erforderlich. 

Die Prüfliste ist in vier Bereiche untergliedert:

– Gefährdung durch Einflussfaktoren von außerhalb der Liegenschaft

– Gefährdung durch Einflussfaktoren innerhalb der Liegenschaft

– Gefährdung am und im Gebäude und

– Gefährdung durch Kanalrückstau

Anhand dieser Bereiche wird das Gefährdungspotenzial in der Liegenschaft abgefragt und bewertet. Abschließend werden Maßnahmen für den Schutz und die Vorsorge gegenüber Starkregen empfohlen. Wenngleich sich diese auf den Bundesbau beziehen, sind sie frei zugänglich und verwendbar für alle Bauende, Planende und Interessierte.

Hintergrund: Baufachliche Richtlinien Abwasser als zentrales Regelwerk des Bundes

Die Hinweise zur Starkregenvorsorge sind Bestandteil der Baufachlichen Richtlinien Abwasser (Stand 12/19). Als zentrales Regelwerk enthalten die BFR Abwasser Vorgaben für die Zusammenarbeit mit den Bundesministerien, der BImA, der Bundeswehr und den Bauverwaltungen. Zusätzlich treffen die BFR Abwasser fachliche Ergänzungen zu technischen Regelwerken u.a. zu den DIN-Normen und den Arbeitsblättern der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA), um den spezifischen Anforderungen des Bundes Rechnung zu tragen. Die naturnahe Niederschlagswasserbewirtschaftung ist bereits ein zentraler Planungsgrundsatz der BFR Abwasser bei der Sanierung bestehender Entwässerungssysteme aber auch im Rahmen von Neubaumaßnahmen.
Die Empfehlungen zur Ersteinschätzung des Gefährdungspotenzials durch Starkregen sind im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI), in Abstimmung mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) sowie in Zusammenarbeit mit der Leitstelle des Bundes für Abwassertechnik im Niedersächsischen Landesamt für Bau und Liegenschaften (NLBL) entstanden.
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