Tag und Nacht frische Luft

Kontrollierte Wohnungslüftung hat weniger mit Kontrolle als vielmehr mit Komfort zu tun. Diese Meinung vertreten Hausverwaltung, Fachplaner und Bewohner eines im Jahr 2006 fertiggestellten Wohnbauobjektes, wo ein Komfortlüftungssystem mit Wärmerückgewinnung für stets frische, hygienische und vorgewärmte Luft sorgt.

Der Kösel-Wohnpark in der Allgäustadt Kempten gliedert sich mit seinen 44 Wohneinheiten und zwei Arztpraxen auf vier Etagen unmittelbar an den Altstadtkern an. Das im Jahr 2006 fertiggestellte Wohnbauprojekt ist von teilweise historischen Bauten, aber auch von verkehrsreichen Durchgangsstraßen umgeben. Das in der Planungsphase nach der dafür geltenden Norm DIN 1946 Teil 6 erstellte Lüftungskonzept ergab, dass für die Wohnungen eine lüftungstechnische Maßnahme notwendig war, um den geforderten Luftwechsel auch bei geschlossenen Fenstern sicherzustellen.

Gleichzeitig begann bei Bauherr und Fachplaner der Gedanke zu reifen, die planerischen Aufgabenstellungen Lüftung und Schallschutz mit einer gemeinsamen Lösung zu bewerkstelligen. Dabei wurde allerdings auch schnell eine schallschutztechnische Schnittstelle deutlich: „Um die Anforderungen an den Schutz vor Schallemissionen von außen erfüllen zu können, kam für die Frischluftzuführungen eine Durchdringung der Außenwände nicht in Betracht“, berichtet Fachplaner Dipl.-Ing. (FH) Kurt Güttinger, Inhaber des TGA-Planungsbüros Güttinger Ingenieure in Kempten.

Mit Richard Weidinger, früherer Geschäftsführer des Bauunternehmens und Bauherrn Josef Hebel GmbH & Co. KG, stand dem Fachplaner allerdings ein überzeugter Befürworter von Wohnungs-Lüftungssystemen mit Wärmerückgewinnung zur Seite. So entwickelten Bauherr und Fachplaner gemeinsam ein Konzept, wie die Anforderungen an eine komfortable Wohnungslüftung und den Schallschutz in Einklang gebracht werden konnten. „Die Lösung war eine zentrale Ansaugung der Außenluft, die außerdem architektonisch ansprechend im Innenhof der Wohnanlage integriert ist“, sagt Richard Weidinger, der zwischenzeitlich im Ruhestand die Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsbeirates für die Wohnanlage Köselpark innehat.

Aufklärungsbedarf bei Bewohnern

„Die Bewohner empfinden es als komfortabel, dass sie keine Gerüche über die Fenster hinauslüften müssen und dass es nicht zieht“, berichtet Richard Weidinger über die von den Eigentümern geschilderten Erfahrungen. Die Zuluft ist durch die Wärmerückgewinnung vorgewärmt, so dass die einströmende Luft nicht als Zugerscheinung empfunden wird. Die thermische Behaglichkeit hatte das verantwortliche Ingenieurbüro Güttinger in der Planung berücksichtigt, indem für die Einströmung der Zuluft regulierbare Luftauslässe in Form von Kugelschienen vorgesehen wurden. Die Luftauslässe sind jeweils über den Türen von Wohn- und Schlafräumen in die Wand integriert.

„Die Wohnungslüftung ist besonders für Allergiker von Vorteil und es ist vor allem im Winter angenehm, wenn zum Lüften kein Fenster geöffnet werden muss“, ergänzt Weidinger, der anstelle des Begriffs „Kontrollierte Wohnungslüftung“ die Bezeichung „Komfortlüftung“ angebracht findet. Allgemein seien die Vorteile eines Lüftungssystems in Wohnungen den Nutzern aber weitgehend unbekannt gewesen. Gegenüber den Bewohnern habe es daher großen Aufklärungs- und Informationsbedarf gegeben.

An Vorbehalten von potenziellen Wohnungskäufern gegenüber Lüftungssystemen für Wohnungen mangelte es indessen nicht: „Die vorherrschenden Meinungen reichen vom vermeintlich hohen Stromverbrauch der Lüftungsgeräte über den Begriff der Zwangsbelüftung bis hin zur Krankenhausatmosphäre mit bakterienbelasteter Luft. Die Akzeptanz hängt auch mit davon ab, wie der Eigentümer oder Nutzer allgemein zur Technik im Haus steht“, schildert Kurt Güttinger. Was den Vorteil der Wärmerückgewinnung betrifft, würde dagegen den meisten auf Anhieb einleuchten: Rund 80 % der Heizenergie, die ansonsten durch Fensterlüftung verloren geht, wird in das Lüftungssystem zurückgeführt und zur Vorwärmung der Zuluft genutzt.

Richard Weidinger hat als Vorsitzender des Verwaltungsbeirates dazu den Strombedarf für den Betrieb der Lüftungsgeräte ermittelt: Ausgehend von einem Dauerbetrieb auf Stufe 3 (Luftleistung 95 m³/h) ergibt sich ein Stromverbrauch von 333 kWh/a, bei Stufe 4 (115 m³/h) werden 447 kWh/a benötigt. Im Durchschnitt schlagen die Stromkosten je Wohnung mit ca. 110 Euro pro Jahr zu Buche. „Bei den Stromkosten muss jedoch berücksichtigt werden, dass durch die Wärmerückgewinnung Heizkosten eingespart werden. Die Heizkostenersparnis gleicht die Stromkosten mindestens aus“, fügt Kurt Güttinger hinzu.

Lärm bleibt draußen

„Zum Lüften muss ich keine Fenster öffnen – aber ich kann sie öffnen, um das schöne Wetter zu genießen“, sagt Hausbewohnerin Frau Greier, die seit sechs Jahren dort wohnt und den Komfort nicht mehr missen möchte. An dem Lüftungssystem schätzt sie vor allem, dass auch nach einer Zeit der Abwesenheit die Wohnung stets gut durchlüftet ist. Bei geschlossenen Fenstern bleibt der Lärm draußen – und bei Stille in der Wohnung ist nur das Ticken der Wanduhr zu hören. Luftgeräusche sind in der Einstellung für die Nennlüftung (entsprechend des Auslegungs-Luftvolumenstroms, siehe Info-Kasten „Lüftungsstufen nach DIN 1946 Teil 6) nur mit sehr empfindlichem Gehör wahrnehmbar.

Dass im Kösel-Wohnpark Kempten inzwischen das Lüftungssystem nicht nur akzeptiert wird, sondern auf diesen Komfort auch niemand mehr verzichten möchte, ist vor allem dem Engagement von Richard Weidinger zu verdanken. Eine für die Eigentümer verständliche und kurz zusammengefasste Anleitung vermittelt den Nutzern die Funktion des Komfortlüftungssystems mit WRG und beschreibt auch, welche Handgriffe für den Filterwechsel nötig sind. Informationen gibt die Anleitung auch über die Einstellung der acht verschiedenen Geräte-Betriebsstufen.

Außenluftansaugung ziert Außenbereich

„Mit der zentralen Außenluftansaugung konnten die durch den Bauherrn gestellten Anforderungen in Bezug auf den Schallschutz erfüllt werden. Noch gewichtiger sind aber die Vorteile für die Nutzer durch Raumlufthygiene, staubfreie Luft und auch die Erhaltung der Luftqualität während Abwesenheit“, betont Fachplaner Kurt Güttinger. Die zentrale Frischluftansaugung mit integriertem Vorfilter ziert als elegante Edelstahlsäule den Innenhof, umgeben von Granitstelen, die von Heckenrosen umrangt werden.

Unterhalb dieses Blickfangs ist in einem Nebenraum der Tiefgarage der Außenluftventilator angeordnet, der als Unterstützungsventilator dient. Von dort werden über ein Luftkanalnetz die einzelnen Lüftungsgeräte in den Wohnungen versorgt. Eine Besonderheit ist hierbei, dass die Luftkanäle zwischen der zentralen Ansaugung und den vertikalen Installationsschächten unterhalb der Tiefgarage verlaufen. Auf diese Weise wirken die Verbindungskanäle, die aus glattwandigem PE-Rohr bestehen, als Erdreich-Wärmetauscher: „Durch die weitgehend konstante Temperatur im Erdreich wird die Außenluft im Sommer gekühlt und im Winter vorgewärmt“, erläutert Kurt Güttinger diesen zusätzlichen Effekt.

Die Verlegung unterhalb der Tiefgarage belegt auch, dass das Lüftungssystem in eine sehr frühe Phase der Bauplanung eingeflossen ist. In den Installationsschächten für die Versorgungsleitungen werden die Außenluft- und Fortluftleitungen als Steigleitungen einschließlich der erforderlichen Brandabschottungen geführt. Die Fortluft wird über Dach abgeleitet. Damit konnte die Außenfassade komplett von Wanddurchdringungen freigehalten werden.

Bewohner bewerten Lüftungssystem als komfortabel

Innerhalb der 44 Wohnungen sind die verwendeten Vallox-Komfortlüftungsgeräte vom Typ KWL 090 SE platzsparend in den Abstellräumen integriert. Die Luftverteilungen zu den Luftauslässen und Abluftansaugungen verlaufen platzsparend in Deckenabhängungen in den Fluren, wo bei 2,63 m Raumhöhe noch eine lichte Deckenhöhe von 2,45 m verbleibt. Die Durchführung der nötigen Wartungsarbeiten für Lüftungsgeräte in Wohnungen beschränkt sich auf den Wechsel der Zuluft- und Abluftfilter. Für die Wartungsarbeiten, die mit einfachen Handgriffen zu erledigen sind, nimmt die Hausverwaltung jedoch nicht die Leistungen externer Dienstleister in Anspruch. Richard Weidinger setzt hierbei mitunter auch auf persönlichen Einsatz und pflegt neben den Lüftungsgeräten so auch den Kontakt mit den Bewohnern und Wohnungseigentümern. „Durch das eigene Engagement der Eigentümer und Nutzer können die Wartungskosten minimal gehalten werden“, betont der ehemalige Geschäftsführer des Bauunternehmens, das diese Wohnanlage erstellt hat. Der Außenluft-Vorfilter im Ansaugturm wird im Abstand von sechs Monaten gewechselt, die Filter in den Lüftungsgeräten werden in den Intervallen nach Empfehlung des Herstellers Heinemann gereinigt und bei Bedarf gewechselt. „Insgesamt wird das Lüftungssystem von den Eigentümern und Nutzern durchweg positiv aufgenommen und als komfortabel bewertet“, resümiert Richard Weidinger.

Fazit:

Für das im Jahr 2006 fertiggestellte Wohnbauobjekt Kösel-Wohnpark in Kempten/Allgäu konnte durch die Kombination von Komfortlüftungsgeräten mit zentraler Außenluftansaugung ein Lüftungssystem umgesetzt werden, das in den 44 Wohnungen ebenso wie in den zwei Arztpraxen stets ein gutes Raumklima bei hygienischer Luftversorgung gewährleistet. Das durchdachte Anlagenkonzept bietet bei niedrigen Betriebskosten und einfacher Wartung für die Nutzer einen zusätzlichen Komfort bei gleichzeitiger Einsparung von Heizkosten durch die im Komfortlüftungssystem integrierte Wärmerückgewinnung.

Die Wohnungslüftung ist besonders für ­Allergiker von Vorteil und es ist vor allem im Winter angenehm, wenn zum Lüften kein Fenster geöffnet werden muss.

Bei geschlossenen Fenstern bleibt der Lärm draußen – und bei Stille in der Wohnung ist nur das Ticken der Wanduhr zu hören.

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