Mit Kälte heizen

Eisspeicher: Unterschiedliche Wärmequellen optimal nutzen

195,7 kWh/m² a betrug der Jahresheizwärmebedarf eines 1970 errichteten Wohnhauses in Pforzheim. Jetzt liegt er bei 12 kWh/m² a und wird durch ein ausgefeiltes Heizungskonzept mit innovativer Technik gedeckt.

Gemeinsam mit dem Bund Deutscher Architekten (BDA) hat der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) in Berlin den Europäischen Architekturpreis „Energie + Architektur“ verliehen. Der zum 4. Mal vergebene Preis ging an das Architekturbüro Freivogel Mayer aus Ludwigsburg. Mit der Aufstockung eines Wohnhochhauses in Pforzheim hat das Team die Jury überzeugt. „Das Projekt zeigt in eindrucksvoller Weise, wie die Überformung vorhandener Wohngebäude zu verbesserter Wohnqualität führt; vor allem aber ist eine beispielgebende energetische Aufwertung gelungen“, heißt es in der Begründung der Jury.

Sanierung zum Nullenergiehaus

Nördlich der Innenstadt und nur durch die Güterstraße von den Gleisen des Hauptbahnhofs getrennt, errichtete 1970 die damals staatliche Deutsche Bundesbahn ein neunstöckiges Hochhaus mit einer Gewerbeeinheit im Erdgeschoss und 16 Mietwohnungen für DB-Angestellte. Über die Jahre fanden keine Renovierungen statt. Mit der Pforzheimer Bau & Grund GmbH erwarb schließlich die größte Wohnungsbaugesellschaft der Stadt das Objekt von der Bahn. Zwar war die Bausubstanz solide, doch wiesen Fassade und Fenster Mängel auf. Die Grundrisse der Mietwohnungen waren durchaus zeitgemäß, aber die Bäder sanierungsbedürftig. Mit der Generalsanierung sollte neben einer Verbesserung der Energiebilanz zusätzliche Wohnfläche durch eine Aufstockung entstehen. Ein überhöhtes Penthouse-Geschoss mit zwei Wohnungen bildet nun den oberen Abschluss, so dass das Hochhaus als neue Landmarke weithin sichtbar ist. Zentraler Baustein der Arbeiten ist die neue hochwärmegedämmte hinterlüftete Gebäudehülle.

Energiekonzept

Die Architekten arbeiteten intensiv mit den Planern der Transsolar Energietechnik GmbH sowie der IGP Ingenieurgesellschaft für Technische Ausrüstung mbH zusammen. Vor der Generalsanierung lag der Jahresheizwärmebedarf bei 195,7 kWh/m²a, die CO2-Emissionen betrugen 65,9 kg/m²a. Durch die neue Fassade gelang es, den Jahresheizwärmebedarf auf 12 kWh/m²a und den CO2-Ausstoß auf 6 kg/m²a zu reduzieren. Der interdisziplinäre Entwurf setzte sich im zweistufigen Wettbewerbsverfahren der Deutschen Energie-Agentur (dena) für das Modellvorhaben „zukunft haus“: „Auf dem Weg zum EffizienzhausPlus – klimaneutrales Bauen und Sanieren“ als eines von 20 vorbildlichen Sanierungsprojekten durch. Auf lokaler Ebene wurde das Projekt im Rahmen des Modellvorhabens „Pforzheim, sonnenklar“ durch die Klimaschutz- und Energieagentur (KEA) Baden-Württemberg begleitet.

Heizung und Warmwasser

Die elektrischen Nachtspeicherheizungen sowie die dezentralen Warmwasserboiler wurden aus den Wohnungen entfernt. Die Wärmeverteilung erfolgt in den Bestandswohnungen über 4 cm starke, unter der Decke installierte Heiz- und Kühl-Deckenelemente, im Penthouse wurde eine Fußbodenheizung verlegt. Die Heizwärme- und Warmwasserversorgung übernimmt ein Eisspeicher-System von Viessmann, das gleich mehrere regenerative Energiequellen nutzt: Sonne, Luft und Erdwärme. Im geschlossenen Teil der Südfassade befinden sich in den Fertigelementen auf 92 m² integrierte Wärmeabsorber. Sie nehmen die Wärme aus Sonneneinstrahlung und Umgebungsluft auf und geben sie – je nach Anforderung – entweder direkt an zwei Sole/Wasser-Wärmepumpen oder an den unter dem Parkplatz befindlichen Eisspeicher ab (Bild 2).

Der Eisspeicher misst 6,5 m im Durchmesser und 3 m in der Höhe, das Fassungsvermögen liegt bei 81.000 l. Die zwei in Kaskade geschalteten Wärmepumpen mit jeweils 12,6 kW Leistung entziehen dem Eisspeicher im Winter die Wärme und führen diese den vier, jeweils 1000 l fassenden Heizwasser-Pufferspeichern und somit dem Heizsystem zu. Sinkt dabei die Temperatur innerhalb des Speichers auf den Gefrierpunkt, so wird die frei werdende Kristallisationsenergie ebenfalls genutzt. Pro Kilogramm Wasser sind das über 90 Wh. 10 m³ liefern so in etwa die gleiche Energiemenge, wie in 100 l Heizöl enthalten ist. Während jedoch Heizöl für die Wärmeerzeugung vollständig verbraucht würde, steht der Inhalt des Eisspeichers durch Regeneration mit Energie aus Luft, Sonne und Erdreich nahezu unbegrenzt als Wärmequelle zur Verfügung (Bild 3).

Hocheffiziente Wärmepumpen

Die beiden Sole/Wasser-Wärmepumpen vom Typ Vitocal 300-G sind hocheffizient (Bild 4). Eine innovative Kältekreisüberwachung (Refrigerant Cycle Diagnostic, RCD-System) sorgt zusammen mit dem elektronischen Expansionsventil für einen COP von 5,0 (bei B0 / W35 °C nach EN 14511). Die Energieeffizienzklasse nach EU-Verordnung Nr. 811/2013 ist A++. Ein komplett schallgedämmtes Gehäuse und eine dreidimensionale Schwingungsentkopplung des Verdichters ermöglichen zudem den besonders geräuscharmen Betrieb (Schallleistungspegel unter 42 dB(A)). Die Geräte sind deshalb auch besonders gut für die Aufstellung in der Nähe von Wohnräumen geeignet. Durch das modular aufgebaute Programm können diese Wärmepumpen zudem problemlos mit weiteren Wärmepumpen-Modulen kombiniert werden. So ist eine exakte Anpassung der Leistung an den Bedarf des jeweiligen Gebäudes möglich. Für die Fernüberwachung und -bedienung sowie für die Einbindung in übergeordnete Gebäudeleitsysteme ist entsprechendes Zubehör verfügbar.

Lüftung und Stromversorgung

Die Ab- und Zuluft der dezentralen Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung erfolgt nach dem Überströmprinzip. Das heißt, die frische Zuluft strömt von den Zuluftbereichen – beispielsweise im Wohnzimmer – durch die Wohnung in Richtung der Abluftbereiche in Bad und Toilette. Der aus der Abluft gewonnene Wärmerückgewinnungsgrad liegt bei 90 %. Die Wärme wird dem Eisspeicher zur Regeneration zugeführt. Der für den Betrieb der haustechnischen Komponenten wie der Wärmepumpen notwendige Strom wird von einer Photovoltaikanlage und einer Windkraftanlage selbst erzeugt. Auf dem Dach des Wohnhochhauses erzeugt die Vertikal-Klein-Windkraft-Anlage rund 5 kW. Daneben wurde eine Photovoltaikanlage mit 40 polykristallinen Modulen installiert, die eine Gesamtleistung von 13,5 kWp erreichen.

Fazit

Eisspeicher haben sich als Wärmequellen für Wärmepumpen etabliert. Bis heute wurden deutschlandweit über 1000 Anlagen in Ein- und Zweifamilienhäusern und rund 120 Großanlagen ähnlich der des Pforzheimer Wohnhochhauses in Betrieb genommen. Sie benötigen im Gegensatz zu Erdwärmesonden- und Brunnenbohrungen keine behördliche Genehmigung. Ihr Inhalt – unbehandeltes Leitungswasser – ist für das Grundwasser absolut unschädlich. Vor allem aber führt die Nutzung von drei Wärmequellen zu hoher Effizienz –sofern alle Komponenten aufeinander abgestimmt sind. Darüber hinaus, das zeigt die Praxis immer wieder, ist diese innovative Technologie nicht nur klima- und ressourcenschonend, sie rechnet sich auch für den Betreiber.

Die Wärmeverteilung erfolgt in den Bestandswohnungen über 4 cm starke, unter der Decke
installierte Heiz- und
Kühl-Deckenelemente.

Der Eisspeicher misst 6,5 m im Durchmesser und 3 m in der Höhe, das Fassungsvermögen liegt bei 81.000 l.

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