ATEX-Informationsschrift

Ventilatoren explosionsgeschützt und sicher 

Gunther Müller ist geschäftsführender Gesellschafter der Firma Helios Ventilatoren und Mitglied des Arbeitskreises Industrieventilatoren im VDMA. Im Interview mit der VDMA-Referentin Astrid Thieme-Medinger beantwortet der Diplom-Ingenieur Fragen zum „ATEX-Leitfaden Ventilatoren – Erforderliche Schritte zum betriebssicheren Ventilator“, die der Fachverband Allgemeine Lufttechnik jetzt veröffentlicht hat. 

Herr Müller, der Arbeitskreis Industrieventilatoren im VDMA ist Herausgeber des neuen ATEX-Leitfadens „Erforderliche Schritte zum betriebssicheren Ventilator“. Was hat den Expertenkreis zur Erstellung dieser Informationsschrift veranlasst?

Müller: Der Explosionsschutz ist ein komplexes und sicherheitsrelevantes Thema. Ist eine Anlage nicht richtig konzipiert, besteht im schlimmsten Fall Gefahr für Leib und Leben. In der Praxis besteht oft Unwissen oder Unsicherheit bei der Konzeption. Wir haben den Informationsbedarf aller Beteiligten erkannt und uns im VDMA-Arbeitskreis Gedanken gemacht, wie dieses Thema transparenter und in der Realisierung sicherer gestaltet werden kann. Das Gremium hatte sich dezidiert mit dem Thema auseinandergesetzt und die Entwicklung eines ATEX-Leifadens beschlossen.

Der ATEX-Leitfaden Ventilatoren gibt eine Orientierung und Hilfestellung für die Anwendung und die praktische Umsetzung der Rechtsvorschriften. Er erleichtert zudem den Dialog zwischen Herstellern und Kunden und verdeutlicht, dass Aufgaben sowohl beim Auftraggeber als auch bei Auftragnehmer liegen.

Das Informationsblatt sensibilisiert. Es bietet eine Anleitung, welche Schritte und Überlegungen bei der Konzeption einer Anlage von den jeweiligen Beteiligten zu erbringen sind.

Der vorbeugende und anlagenbezogene Explosionsschutz ist in Europa durch Rechtsvorschriften geregelt. Um welche Richtlinien handelt es sich?

Müller: Die EU-Gesetzgebung mag auf den ersten Blick etwas verwirrend wirken. Es gibt gleich zwei Richtlinien für den Explosionsschutz.

Relevant für die Hersteller von Ventilatoren ist die ATEX-Richtlinie 2014/34/EU, welche in Deutschland in der 11. ProdSV - Explosionsschutzprodukteverordnung umgesetzt ist. Das Ziel der Produktrichtlinie ist der Schutz von Personen, die in explosionsgefährdenden Bereichen arbeiten, also dem Betriebspersonal. Wichtiger Teil eines präventiven Explosionsschutzes ist die Vermeidung von Unfällen durch Erkennung von Gefahrenquellen. Dies gilt insbesondere für Zündgefahren, die von Produkten ausgehen können und die Identifizierung von Schutzmaßnahmen. Es geht also um die sogenannten Beschaffenheitsanforderungen.

Für den Nutzer, also Betreiber, ist die ATEX-Richtlinie 1999/92/EG relevant, die durch die Betriebssicherheitsverordnung und die Gefahrstoffverordnung umgesetzt ist.

Vorrangiges Ziel der Betriebsrichtlinie ist die Definition von Mindestvorschriften zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit der Arbeitnehmer, die durch explosionsfähige Atmosphären gefährdet werden könnten. Die Betriebsrichtlinie verlangt eine Risikoanalyse der spezifischen, betrieblichen Bedingungen. Ferner regelt sie das Verhalten der Arbeitnehmer und den Umgang mit Produkten.

Gut ist, dass die von den Herstellern einzuhaltenden Beschaffenheitsanforderungen EU-weit sowie in den EFTA-Staaten identisch sind. Somit ermöglichen sie einen ungehinderten Warenverkehr innerhalb der EU.

Betriebsanforderungen wiederum können nationale Unterschiede aufweisen und sind deshalb länderspezifisch zu prüfen.

Bei der Einhaltung sämtlicher Rechtsgrundlagen gibt es also sowohl Betreiber- als auch Herstellerpflichten. Welche Pflichten sind das für den Einzelnen?

Müller: Die wichtigste Betreiberpflicht, die aus der ATEX-Betriebsrichtlinie erwächst, ist die Gefährdungsbeurteilung der Anlage. Neben der Erstellung eines Explosionsschutzdokumentes und der Ausweisung der Bereiche mit gefährlicher, explosionsfähiger Atmosphäre - der sogenannten Zonenfestlegung - gilt es, die Temperaturklassen zu bestimmen und zu benennen.

Ventilatoren dürfen nur dann in den explosionsgefährdenden Umgebungen gemäß ATEX verwendet werden oder explosionsfähige Atmosphären fördern, wenn sie für die entsprechende Gerätekategorie konstruiert sind. Diese wiederum ist die wichtigste Herstellerpflicht: Die Sicherstellung der Einhaltung der ausgewiesenen und erforderlichen Gerätekategorie, passend zur Zonenfestlegung des Betreibers.

Sind die jeweiligen Verantwortlichkeiten hierbei unmissverständlich geregelt?

Müller: Ja, diese sind klar geregelt und den einzelnen Beteiligten zugeordnet. Der ATEX-Leitfaden Ventilatoren benennt hierzu sehr detailliert die jeweiligen Verantwortlichen und die zu treffenden Festlegungen. Somit unterstützt er Hersteller, Fachplaner und auch Betreiber optimal. Zudem sensibilisiert der Leitfaden die Beteiligten hinsichtlich ihrer Aufgaben und Verpflichtungen gegenüber den jeweils anderen und unterstützt damit die gemeinsame Abstimmung.

Warum ist es im Planungs- und Realisierungsprozess so wichtig, dass sowohl Bauherren und Planer als auch Lieferanten von explosionsgeschützten Komponenten ihre spezifischen Informationsbeiträge leisten?

Müller: Nur eine richtig konzipierte und ausgeführte Anlage minimiert später potentielle Risiken beim Betrieb. Ohne die vom Betreiber durchgeführten Bewertungen seiner Betriebsverhältnisse und den daraus resultierenden Festlegungen ist es dem Ventilatorhersteller nicht möglich, das passende ATEX-Gerät zu liefern.

Und werden die Beteiligten Ihren Aufgaben und Pflichten dabei immer gerecht? Sprich - werden alle Angaben gemacht, die erforderlich sind, damit final sichere Anlagen realisiert werden können?

Müller: Aus der Praxis berichtet, können wir das in der Regel bejahen. Es kommt aber auch vor, dass sich sowohl Betreiber als auch Fachplaner schwertun. Die Ursachen und Motivationen hierfür lassen sich nur erahnen. Im Allgemeinen dürfte die Komplexität der Thematik und Wissensdefizite ursächlich sein. Daher ist der neue ATEX-Leitfaden auch so bedeutsam. 

Wie sieht ein optimales und rechtssicheres sowie normkonformes Konzept für betriebssichere Anlagen aus?

Müller: Jeder Beteiligte muss sich die projektspezifischen Gefährdungssituationen und deren Folgen bei Anlagenversagen bewusst machen. Verantwortung wahrnehmen und rechtssicher damit umgehen - zum Wohle aller - lautet die Devise. Augen zu und durch hilft hier nicht, dafür sind die Risikopotentiale bei explosionsgefährdeten Medien zu groß. Die Vorschriftenlage zu ATEX ist strukturiert und insofern sind Aufgaben und Verantwortungen klar geregelt. Wenn jeder Beteiligte seinen Beitrag leistet und seine fachlichen Stärken einbringt und umsetzt, gelingen auch herausfordernde Projekte, wie es ATEX-Projekte nun mal sind. Der ATEX-Leitfaden des Arbeitskreises Industrieventilatoren fokussiert und erläutert kurz und knapp die Punkte, die Betreiber, Fachplaner und Hersteller von ATEX-Ventilatoren wissen und berücksichtigen müssen.

Die VDMA Ventilatorinformation (2020-06) „ATEX-Leitfaden Ventilatoren - Erforderliche Schritte zum betriebssicheren Ventilator“ kann unter www.klt.vdma.org heruntergeladen werden.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 05/2012 Lüftungssysteme

Barrierefreier Betrieb

Aufgrund intelligenter Funktionen zur barrierefreien Nutzung sind der Kleinraumventilator MiniVent® M1 und das Einrohrlüftungssystem ultraSilence® ELS speziell auch für Altenheime, Wohnstifte,...

mehr