Verjüngungskur für den Birkenhof
Er war in die Jahre gekommen und stand trotzdem ehrwürdig und stolz da – der Birkenhof in Augsburg. Ende der 1920-er Jahre als Hilfswohnanlage gebaut, erstrahlt der unter Denkmalschutz stehende Komplex nach umfangreicher Sanierung in neuem Glanz.
Zur Geschichte: Geplant und fertiggestellt wurde der Birkenhof zusammen mit dem baugleichen Eschenhof im Jahre 1928 vom damaligen städtischen Oberbaudirektor Otto Holzer. In dieser Zeit verursachte massives Bevölkerungswachstum eine Wohnungsnot und bezahlbare, flexibel gestaltbare Räume waren dringend nötig. Mit 272 Einzelräumen, die sich zu 113 Wohnungen kombinieren oder auch als einzelne Zimmer nutzen ließen, gilt der Birkenhof als Vorbild für den sozialen Wohnungsbau. Heute steht das Einzeldenkmal für modernes, retro-urbanes Wohnen.
Wie es so weit kam, erzählen die beiden Hauptverantwortlichen der Plusbau, Markus Sauerwein, Technischer Leiter, und Oberbauleiter Walter Angerer. Das mittelständische Augsburger Unternehmen übernahm die Sanierung des denkmalgeschützten Objektes. „2011 hatte sich Plusbau entschieden: Wir nehmen diese Herausforderung an!“, erinnert sich Sauerwein. Ab dann galt es, in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz eine energetische Ertüchtigung zu realisieren, möglichst viel Substanz zu erhalten und die Förderrichtlinien der KfW zu erfüllen. Nach umfangreichen Bestandsuntersuchungen begann Mitte 2012 die „Kur“ mit dem Rückbau schadhafter Teilbereiche. Bei der Vergabe der Leistungen hielt sich Plusbau an das bewährte Prinzip, möglichst lokale Handwerker zu beauftragen.
Umfangreiche Bestandsaufnahme
Spannend, so Sauerwein und Angerer, sei es allemal gewesen. Interessant vor allem die Bausubstanz: In Teilbereichen verwendete man seinerzeit verschiedene Materialien zur Wandbildung, in einem Viertel des quadratischen Vierseithofes kamen mehrere Dachkonstruktionen zum Vorschein. Im Außenbereich kamen zum größten Teil Ziegel zum Einsatz. Ausfachungen mit unterschiedlichen Leichtbaumaterialien wurden mit Unterstützung des TÜV Süd und den zuständigen Umweltbehörden unter die Lupe genommen, kritische Substanzen erkannt und ausgetauscht. Allein hier lässt sich das hohe Verantwortungsbewusstsein eines nachhaltig agierenden Bauherrn gut erkennen. Ähnlich sensibel ging man mit dem Außenputz um. Zusammen mit den Denkmalbehörden und dem Baustoffhersteller Baumit wurde der Bestand untersucht, analysiert und bauzeitenrelevant rezeptiert. Doppelfenster, wie sie zur Erbauerzeit üblich waren, wurden – soweit möglich – ertüchtigt und aus Denkmalschutzgründen weiter verwendet. Eine Einblasdämmung aus Zellulosefasern sorgt nun für eine effiziente Dachisolierung. Die Haustechnik wurde vollständig erneuert, so versorgt heute z.B. Fernwärme den Birkenhof.
„Kondensatausfall an kälteren Bauteilen ist hier nicht gänzlich zu vermeiden“, berichtet Angerer und beschreibt fast gleichzeitig die Lösung: Eine kontinuierliche Sockelleistenheizung mit einer Vorlauftemperatur von ca. 30 °C. Zwei Ergänzungsbauten im Innenhofbereich führte man mit hochdämmenden Ziegeln aus, die in Teilbereichen neu erstellten Dachgeschosswohnungen in Holzständerbauweise mit Holzweichfaserdämmung. Unter dem vollständig neu gestalteten Innenhof befindet sich jetzt eine Tiefgarage, die im Bereich der neuen Anbauten unterseitig mit Mineralwolle-Kellerdeckendämmplatten versehen wurde. Die Wohnungszuschnitte passten die Planer modernen Gegebenheiten an. An den beiden westlichen Außenecken haben sie Platz für zwei Geschäfte des täglichen Bedarfs geschaffen.
Den historischen Körnungen so nah wie möglich
Auch das äußere Bild des Birkenhofes kann sich sehenlassen. „Hell und weit erscheint der Innenhof, anregend die Farben…“, so schrieb die Augsburger Stadtzeitung im Juli 2014. Bis es soweit kam, war viel Arbeit gemacht worden. Der Altputz sollte tunlichst erhalten, die Strukturen desselben mit den Denkmalschützern abgestimmt werden. Da die früheren Körnungen nicht mehr identisch erhältlich waren, musste man so nah wie möglich an das Original herankommen. Kalk als Bindemittel – darüber gab es keine Unklarheiten. Plusbau griff hier auf das Know-how von Baumit zurück. Hunderte von historischen Putzrezepturen haben sich im Laufe der Jahrzehnte zu einer gut gehüteten Bibliothek entwickelt, auf die heute auch Planer zurückgreifen, die im Neubau moderne Architektur mit alten Putzen kombinieren. Nach mehreren Bemusterungen und Strukturvarianten kristallisierte sich ein Modell heraus: ein kalkgebundener Oberputz, kurz quergezogen, mit einem Maximalkorn von etwa 2 mm, aufgetragen in einer Schichtstärke von etwa 8 mm.
Der Baugrund, seinerzeit nicht optimal, hielt eine weitere Hürde bereit: Er war Ursache von zahlreichen, im Laufe der Zeit aufgetretenen Rissen. Doch auch hier wurde eine gute Lösung gefunden: Die Überbrückung mittels eines „Gleitlagers“ (siehe Prinzipskizze Rissentkopplung) ermöglicht eine gewisse Beweglichkeit, die eine erneute Rissbildung im aktuellen Putzbild minimiert. Gewebelage oder nicht – diese Frage wurde intensiv besprochen. Nachdem es sich um insgesamt etwa 1000 m „Rissstrecke“ handelte, wie ein aufwändiges, manuelles Aufmaßverfahren ergab, befürchtete man eine optische Zerklüftung der Fassade, sollten die Risse „nur“ überputzt werden. Letztlich kam vor dem Oberputz vollflächig ein mineralischer Renovierputz mit Gewebelage zum Einsatz. Darauf wurde der beschriebene Oberputz aufgetragen, der abschließend einen zweifachen, silikatischen Anstrich erhielt.
Die Gesamtheit der Maßnahmen und der historische Charakter der Fassade hat letztlich auch das Landesamt für Denkmalpflege überzeugt. Ein entsprechender Zwischenbescheid ist bereits bei Plusbau eingegangen. Die von Markus Sauerwein und Walter Angerer beschriebene Spannung allerdings bleibt noch erhalten. Denn erst wenn alle Maßnahmen abgeschlossen und für gut geheißen sind, werden die beantragten Fördermittel freigegeben.