Von Nice-to-have zum Must-have
Im Vergleich mit vielen anderen Branchen steht die Digitalisierung der Wohnungswirtschaft noch ganz am Anfang. Welche Technologien versprechen der Branche Mehrwerte, welcher Hype wird zeitnah vorbei sein? Im Interview teilt Peter Schindlmeier, Gründer und Geschäftsführer des PropTech-Unternehmens casavi, seine Einschätzungen.
Sie haben casavi vor fünf Jahren gegründet und damit die Digitalisierung der Wohnungswirtschaft schon früh begleitet. Was hat sich in diesem Bereich in den letzten Jahren getan?
Schindlmeier: Das Problembewusstsein in der Wohnungswirtschaft ist heute deutlich ausgeprägter als noch vor fünf Jahren. Die Digitalisierung wurde von Nice-to-have zum Must-have. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen verdichten sich die digitalen Abläufe in unserem Alltag, was auch Erwartungen an die Branche mit sich bringt, zum anderen sind PropTech-Unternehmen mittlerweile deutlich präsenter. In Verbänden, auf Veranstaltungen und auch in den Medien finden sie immer größere Beachtung.
Lange tat sich die Wohnungswirtschaft schwer, die entscheidenden Schritte hin zur digitalen Transformation zu gehen – dann kam die Corona-Krise. Was hat sich hierdurch geändert?
Schindlmeier: Die Krise und die damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen haben die Bedeutung der eigenen Wohnung nochmals verdeutlicht. Auswirkungen auf das Kerngeschäft der Wohnungswirtschaft werden daher weitestgehend vermieden. Anders verhält es sich bei internen Abläufen, die sich teilweise über viele Jahre etabliert haben und nun nicht mehr möglich sind. Das betrifft unter anderem die Möglichkeiten des ortsunabhängigen Arbeitens. Home-Office war bei vielen Unternehmen unmöglich und könnte in Zukunft Einzug in den Arbeitsalltag erhalten.
Auch die Mieterkommunikation verändert sich durch die Pandemie. Derzeit steht sie besonders im Mittelpunkt und analoge Kommunikationsmittel kommen schnell an ihre Grenzen. Hier helfen schnelle und effektive digitale Kommunikationsmöglichkeiten.
Wie hat casavi darauf reagiert? Welche Schritte haben Sie unternommen, um durch die Krise zu kommen?
Schindlmeier: Wir selbst haben Mitte März entschieden, dass unser komplettes Team ins Home-Office wechselt. Erst seit Juni sind die ersten Mitarbeiter wieder im Büro. Da wir vollständig cloud-basiert arbeiten, wurden Komplikationen vermieden. Zeitgleich haben wir schnell analysiert, welche Auswirkungen die Pandemie auf unsere Kunden hat und festgestellt, dass sie besonders organisatorische Bereiche treffen.
Um die Vorteile der digitalen Immobilienverwaltung jedem Verwalter zu ermöglichen, wurde daher ein „Soforthilfe-Angebot“ für Neukunden ins Leben gerufen, mit dem sie schnell und unkompliziert agieren und casavi mit minimalem Einrichtungsaufwand kostenfrei einsetzen können. Für Bestandskunden hingegen wurde die Möglichkeit geschaffen, ihre Mitarbeiterlizenzen kostenlos aufzustocken, um jedem Mitarbeiter die Arbeit im Home-Office zu erleichtern. Darüber hinaus haben wir ein Kundenforum eingerichtet, in dem sich Kunden zur optimalen Handhabung der Krise in ihren Unternehmen austauschen und allgemeine Erfahrungswerte und Praxistipps teilen können.
Wie hat sich die konkrete Nutzung der casavi-Plattform durch die Krise verändert? Können Sie uns ein paar konkrete Zahlen nennen?
Schindlmeier: Aufgrund der Corona-Krise ist das Interesse an digitalen Lösungen, die auch von Zuhause aus einen unterbrechungsfreien Betriebsablauf ermöglichen, merkbar gestiegen. Auch bei unseren mehr als 500 Kunden konnten wir eine deutliche Zunahme der Nutzerzahlen feststellen. Allein im März und April haben sich knapp 40.000 neue Eigentümer und Mieter auf casavi registriert, um mit ihrer Immobilienverwaltung digital im Austausch zu bleiben. Das entspricht einer Steigerung von mehr als 60 Prozent gegenüber den durchschnittlichen Anmeldungen der Vormonate.
Dabei ist festzustellen, dass Verwalter casavi noch konsequenter im Alltag verwenden und vermehrt flächendeckend im gesamten Verwaltungsbestand zum Einsatz bringen. Das umfasst vor allem den Versand von Mitteilungen: Im Vergleich zum Vormonat wurde im März ein Anstieg um mehr als 74 Prozent zumeist liegenschaftsübergreifender Mitteilungen verzeichnet. Besonders häufig wurde die Mitteilungsfunktion genutzt, um Mieter und Eigentümer über die Erreichbarkeit während des Lockdowns zu informieren, Empfehlungen für die Vermeidung von Corona-Infektionen im Gebäude auszusprechen und Verschiebungen von Arbeiten oder Versammlungen mitzuteilen.
Auch unser ePost Modul, das den kompletten Briefversand bequem aus dem Home-Office ermöglicht, wurde deutlich häufiger eingesetzt. Durchschnittlich 25.000 Briefe wurden in den Monaten März und April darüber versendet – im Februar waren es noch etwa 10.000.
Wie nachhaltig schätzen Sie die Veränderungen ein? Wie geht es weiter?
Schindlmeier: Corona wird uns noch einige Zeit lang begleiten. Daher ist davon auszugehen, dass der Rückfall in alte Gewohnheiten vorerst ausbleibt und sich neue Entwicklungen etablieren können. Wünschenswert wäre, dass einige Unternehmen das Momentum nutzen, um sich nachhaltig digitaler aufzustellen.
So haben beispielsweise Videokonferenzen und Co. gezeigt, dass auch die Arbeit im Home-Office gut funktionieren kann. Hierzu benötigt es allerdings Softwarelösungen, die ortsunabhängig einsetzbar ist. casavi bietet hier eine passende Lösung, die mittlerweile in 45.000 Gebäuden mit mehr als einer Millionen Wohneinheiten Anwendung findet.
Welche Trends und Potenziale sehen Sie in den kommenden Jahren?
Schindlmeier: In Zukunft wird die digitale Kommunikation weiter an Stellenwert gewinnen. Wie bei Banken bereits heute üblich, könnte sie analoge Kommunikationsmittel als erste Option ablösen. Die digitale Zusammenarbeit rund um die Immobilie wird sich zunehmend auch auf Dienstleisterbeziehungen erweitern. Hierfür haben wir im letzten Jahr unser Angebot um die Dienstleisterplattform Relay erweitert. Die offene Cloud-Lösung vernetzt Immobilienverwaltungen und Wohnungsunternehmen mit ihren Dienstleistungspartnern und fördert damit die Effizienz und Transparenz immobilienwirtschaftlicher Arbeitsabläufe mit Beteiligung von Energieversorgern, Messdienstleistern, Gebäudeversicherungen, Facility Managern und Handwerkern auf einer gemeinsamen Plattform.
Welchen Einfluss hat das auf die Arbeit von Verwaltern und weiteren Dienstleistungen im Immobilienumfeld?
Schindlmeier: Es wird in Zukunft nicht mehr nur darum gehen, den Wert einer Immobilie zu bewahren und die Mieter bei gängigen Anliegen zu betreuen, sondern auch das Ökosystem rund um die Immobilie stärker zu integrieren. Die digitale Vernetzung ermöglicht hier neue Services rund um die Themen Wohnen und Gebäude. Als Vermieter beziehungsweise Verwalter ist man in der einzigartigen Lage, dieses Ökosystem zu steuern – mit der passenden Software, von überall auf der Welt.