Wärmedämmung in der Kritik – Was tun?
Nach einer Phase uneingeschränkter Euphorie steht die Wärmedämmung von Gebäuden nun zunehmend in der Kritik. Ganz unberechtigt ist sie nicht. Das geben mittlerweile auch Verfechter der Wärmedämmung zu. Was auf beiden Seiten fehlt, ist Sachlichkeit und Augenmaß. Mit dem entsprechenden Grundwissen sind Immobilienbesitzer in der Lage, die verschiedenen Dämmsysteme zu vergleichen und die optimale Lösung für ihr Bauvorhaben zu finden.
Niemand kann ernsthaft infrage stellen, dass Gebäude wärmegedämmt werden müssen, denn niemand möchte unnötig Heizkosten produzieren und CO2-Abgase erzeugen: nicht die Politik, nicht die Immobilienbesitzer und Mieter und erst recht nicht die Bauherren, die sich für einen Neubau entscheiden, in dem sie einige Jahrzehnte wohnen wollen.
Trotzdem reißt die öffentliche Kritik an der Wärmedämmung nicht ab. „Dämmwahn“, „Die Burka für‘s Haus“, „Deutschland packt sich ein“, „Gift aus der Hauswand“ – mit diesen und ähnlichen Schlagzeilen geht es der Wärmedämmung an den Kragen. Mittlerweile räumen aber auch Verfechter der Wärmedämmung ein: Ganz unberechtigt ist die anhaltende Kritik nicht.
Gebäude müssen wärmegedämmt werden – aber bitte mit Augenmaß!
Was ist passiert? Gesellschaftlich und politisch ist die Energiewende gewünscht, gleichzeitig sind die öffentlichen Kassen leer. Was liegt näher, als nach Maßnahmen zu suchen, die den Staat nichts kosten und trotzdem effektiv sind? Zahlreiche Institutionen haben doch bereits vorgerechnet, dass sich jede energetische Maßnahme in kürzester Zeit von ganz allein amortisiert, sprich: dass sie im Grunde nichts kostet. Gleichzeitig werden die Klimaschutzziele erreicht. Eine klassische Win-win-Situation. In der Folge hat sich eine Spirale von immer mehr gesetzlichen Vorgaben zur Energieeinsparung, immer strengeren Dämmwerten und damit immer realitätsferneren Dämmstoffdicken in Gang gesetzt. Erwartungen wurden geweckt, die sich am Ende nicht erfüllen lassen und die die Kritik zusätzlich befeuern.
Was fehlt, ist Augenmaß! Dafür setzen sich der Industrieverband WerkMörtel (IWM) und seine Mitglieder mit ihrer Initiative „Wärmedämmung mit Augenmaß“ ein. Zurück in die Wirklichkeit, sachlich informieren, ohne zu übertreiben, die Forderung nach einem angemessenen gesetzlichen Rahmen ohne Zwang, aber mit steuerlichen Anreizen – das sind die Eckpunkte der Initiative.
Sachlich informieren
Ganz besonders in den Fokus der Kritik sind die Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) geraten. Dabei stellen sie nur eine Möglichkeit der Wärmedämmung dar, besonders wenn es um Neubauten geht. Anders sieht es bei der energetischen Sanierung von Bestandsbauten aus: Hier stellen WDVS in den meisten Fällen die wirtschaftlichste und sinnvollste Art der energetischen Sanierung von Fassaden dar. Die Alternative hieße vielfach Abriss und Ersatzneubau. Ob die Kritik an WDVS berechtigt ist, muss der Immobilienbesitzer oder Bauherr letztendlich selbst entscheiden. Doch dazu fehlte es in der Vergangenheit häufig an objektiver Information. Zu schnell wurde von dem WDVS gesprochen, anstatt die Systeme genauer zu betrachten.
Wie alle Baustoffe haben auch WDVS ihre Stärken und Schwächen. Es gibt viele verschiedene Systeme mit unterschiedlichen Dämmstoffen und Materialien. Jedes hat andere Eigenschaften und Stärken. Die Wahl des richtigen WDVS sollten Immobilienbesitzer nicht dem Zufall überlassen, sondern gemeinsam mit einem fachkundigen Architekten, Stuckateur- oder Malermeister verschiedene Möglichkeiten vergleichen und sich nicht von vornherein auf eine einzige Variante festlegen lassen. Dabei geht es keineswegs um akribisch ausgearbeitete, wissenschaftliche oder bauordnungsrechtliche Betrachtungen, sondern um einfache Antworten auf einfache Fragen. Mit diesem „Grundwissen“ sollte es für Bauherren möglich sein, bereits eine Vorauswahl zu treffen.
Wie steht es mit dem Brandschutz?
Bei vielen marktüblichen WDVS entspricht die Brandschutzklasse des Gesamtsystems der des Dämmstoffes. Ein WDVS mit einem nichtbrennbaren Dämmstoff wie Mineralwolle wird also auch als Gesamtsystem die Einstufung „nicht brennbar“ (A1 oder A2) erhalten. Ebenso bleibt ein WDVS mit einem brennbaren Dämmstoff in der Regel in der Kategorie „brennbar“ (B1 oder B2), auch wenn es mit einem nicht brennbaren Putz beschichtet wird. Mit Ausnahme von Sonderbauten wie Hochhäusern spricht nichts gegen den Einsatz brennbarer Baustoffe. Holz, eines der am weitesten verbreiteten Materialien, ist brennbar. Auch Wärmedämm-Verbundsysteme auf der Basis von Polystyrol, die heute einen Großteil des Marktes ausmachen, gehören zur Gruppe der brennbaren Baustoffe. Innerhalb der brennbaren Baustoffe wird noch einmal abgestuft. Während Holz und Dämmstoffe aus Holz in der Regel als „normal entflammbar“ (B2) eingestuft sind, gilt Polystyrol als „schwer entflammbar“ (B1). Die Tabelle (siehe unten) gibt eine Übersicht.
Zur Gewährleistung des Brandschutzes sind bei WDVS mit einem brennbaren Dämmstoff einige Punkte zu beachten: So ist in der kurzen Phase, in der die Dämmplatten während des Bauzustandes noch unverputzt sind, besondere Sorgfalt geboten. Erst nach der Fertigstellung ist der volle Brandschutz gewährleistet. Hinweise gibt der „Leitfaden Sicherer Umgang mit Wärmedämm-Verbundsystemen im Bauzustand“, der beim IWM erhältlich ist.
Ab einer Dämmstoffdicke von mehr als 100 mm sind in einer mit Polystyrol gedämmten Fassade zusätzliche Brandschutzmaßnahmen erforderlich, z.B. Einbau eines nicht brennbaren Sturzschutzes oder eines umlaufenden Brandriegels. Einen umfassenden Überblick gibt die Systeminfo Nr. 6 des Fachverbandes Wärmedämm-Verbundsysteme e.V.
Wie dick muss der Dämmstoff sein?
Die Wärmeleitfähigkeit (l-Wert; gesprochen: „Lambda-Wert“) eines Dämmstoffes ist ein Kennwert für seine Dämmwirkung. Je kleiner die Wärmeleitfähigkeit eines Dämmstoffes, desto besser seine Dämmwirkung.
Für die Wandkonstruktion ist jedoch nicht nur die geringe Wärmeleitfähigkeit des Dämmstoffes wichtig, sondern auch die Schichtdicke. Je dicker die Dämmschicht, desto größer die Dämmwirkung. Es ist aber keineswegs so, dass sich mit einer Verdoppelung der Dämmschichtdicke auch die Dämmwirkung verdoppelt (siehe Grafik).
Die ersten Zentimeter einer Wärmedämmung sind stets die effizientesten. Im Bereich der energetischen Sanierung werden mit steigender Dicke des Dämmstoffs in der Regel weitere bauliche Veränderungen notwendig (Anpassung Dachüberstand, Fensterbänke, Versetzen der Fenster usw.). Das verteuert die geplanten Maßnahmen.
Wie steht es mit der Dauerhaftigkeit?
Wärmedämm-Verbundsysteme gibt es seit mehr als 50 Jahren. Probleme mit der Dauerhaftigkeit sind bei fachgerecht ausgeführten Systemen nicht zu erwarten. Trotzdem muss natürlich darauf hingewiesen werden, dass es Lösungen gibt, bei denen die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund steht und Lösungen, bei denen eine hohe Dauerhaftigkeit das Maß aller Dinge ist. Übertragen auf die gedämmte Fassade heißt das: An die Standardvariante mit einem einfachen, nur wenige Millimeter dicken Reibeputz als Schlussbeschichtung können nicht die gleichen Ansprüche gestellt werden wie an ein WDVS, das mit einem 10 mm dicken durchgefärbten Edelkratzputz versehen ist.
Algen- und Pilzbefall?
Dass wärmegedämmte Flächen von Algen und Pilzen befallen werden können, liegt bauphysikalisch auf der Hand, denn die Hauptaufgabe von Wärmedämm-Verbundsystemen liegt darin, die Wärme im Gebäude zu halten. Dadurch gelangt kaum noch Wärme nach draußen und die Außenseite der Wände bleibt kalt.
Manchmal sogar so kalt, dass sich darauf Tauwasser bildet – ähnlich wie nach einer kalten Nacht auf dem Blech einer Autokarosserie. Unter Umständen kann diese zusätzliche Feuchte schon ausreichen, um auf der Fassade Algen und Pilze entstehen zu lassen – vor allem, wenn weitere ungünstige Faktoren hinzukommen (Bewuchs bis dicht an das Gebäude; Verschattung, herablaufendes Regenwasser usw.).
Das beste Mittel gegen Algen und Pilze an Fassaden ist immer noch, die Fassaden durch konstruktive Maßnahmen vor einem übermäßigen Feuchteangebot zu schützen. Dazu gehören zum Beispiel Dachüberstände und fachgerecht ausgeführte Fensterbänke. Auch die regelmäßige Inspektion der Fassade durch einen Fachbetrieb sollte eine Selbstverständlichkeit sein – so wie dies ja auch bei Heizungsanlagen oder einem Kfz der Fall ist.
Die Hersteller von WDVS haben verschiedene Strategien gegen den Befall mit Algen und Pilzen, z.B.:
– Biozidhaltige Putze: Bei organisch gebundenen Putzen wird diesen meistens ein dafür zugelassenes Biozid zugefügt, durch welches der Bewuchs mit Algen und Pilzen wirkungsvoll vermindert wird. Neue Forschung hat zur Entwicklung verkapselter Biozide geführt, die kontrolliert und sehr fein dosiert in äußerst geringen Mengen freigesetzt werden. Dadurch verlängert sich der Wirkungszeitraum und die Umweltbelastung verringert sich.
– Hydrophile Putze: Mineralische Putze enthalten grundsätzlich keine Biozide. Hier beruht der Widerstand einerseits auf der Alkalität der Bindemittel (Kalk und Zement) und andererseits darauf, dass diese Putze das Wasser von der Oberfläche „wegsaugen“ und es durch Verdunstung schnell wieder abgeben. Auf den Oberflächen steht deshalb kein flüssiges Wasser zur Verfügung. Algen und Pilzen wird dadurch der lebenswichtige Nährboden entzogen. Bedingt wird dies durch die hydrophilen (auch „hydroaktiven“) Eigenschaften der Putzsysteme. Dieses Wirkprinzip wurde mittlerweile auch für organisch gebundene Putze adaptiert, die dann ebenfalls keine Biozide enthalten.
– Dickschichtige Putze: Je dicker eine Putzschicht ist, desto höher ist ihr Flächengewicht und damit die Speichermasse. Auf diese Weise gelingt es, die Wärme des Tages länger zu speichern, was dazu führt, dass dickschichtige (schwere) Systeme nicht so schnell unter die kritische Temperatur abkühlen (Taupunkt). In der Folge kann sich auch nicht so häufig Tauwasser bilden. Als klassischer dickschichtiger Putz gilt der mineralische Edelkratzputz.
Immobilienbesitzer und Bauherren können mit diesem Wissen selber abwägen, welches System ihnen am ehesten zusagt. Das setzt voraus, dass ihnen die Hersteller die o.a. Informationen zugänglich machen.
Fazit
Die Kritik an der Wärmedämmung und speziell an WDVS hat auf Schwachpunkte hingewiesen. Die Wärmedämmung als solche wird dabei allerdings nicht infrage gestellt. Die Kritik bezieht sich in ihrem Kern auf Auswüchse der Wärmedämmung, der Gesetzgebung und damit einhergehender überzogener Versprechungen.
Aus dieser Kritik sollten Hersteller, Gesetzgeber, Planer und Architekten die richtigen Schlüsse ziehen. Wärmedämmung als staatlich verordnete Zwangsmaßnahme führt am Ende in die Sackgasse. Statt mit Zwang sollten Bauherren und Immobilienbesitzer mit sachlicher Aufklärung dazu veranlasst werden, sich gründlich zu informieren, um danach eine wohlüberlegte Entscheidung für eine maßgeschneiderte Wärmedämmung zu treffen. Der Artikel zeigt anhand einiger Beispiele, wie auch mit kritischen Themen offen umgegangen werden kann.