Wertewandel
Nachhaltigkeit wird vom Trend zur Grundvoraussetzung. Dies gilt nicht nur für Architektur, Haustechnik und Baustoffe. Ressourcenschonung beinhaltet auch Design und Funktionalität.
Ohne Nachhaltigkeits-Label geht es heute nicht mehr – bieten sie doch auch für Nicht-Experten eine Einschätzungsmöglichkeit für die Nachhaltigkeit eines Gebäudes. Aber wie definiert sich diese? Wie ist ein Bürogebäude zu bewerten, das zwar völlig energieautark, jedoch so ungünstig zu erreichen ist, dass die Mitarbeiter auf Autos angewiesen sind? Ist in die Nachhaltigkeitsbilanz nicht auch einzurechnen, wie CO2-und energieintensiv Bearbeitung und Transport der Bauelemente waren? Wie ist ein energieeffizientes Gebäude zu bewerten, dass 20 Arbeitsplätze beherbergt, im Vergleich zu einem mit 100 Arbeitsplätzen, das bei gleicher Größe mehr Energie benötigt?
Die wichtigsten
Bewertungssysteme im Vergleich
Die Aspekte sind vielfältig. Ihnen gerecht zu werden und gleichzeitig Orientierungshilfe zu leisten ist Ziel der verschiedenen Nachhaltigkeits-Labels. Weltweit gibt es sehr unterschiedliche: Im Anglo-Amerikanischen Raum LEED und BREEAM – BRE’s Environmental Assessment Method, in Neuseeland und Australien gibt Green Star den Ton an. Im Asiatischen Raum wurden ebenfalls mehrere eigene Zertifizierungssysteme entwickelt. Die wichtigste Rolle auf dem Deutschen Markt spielt neben LEED das Deutsche Gütesiegel für nachhaltiges Bauen DGNB.
Das US-System LEED weist weltweit die größte Verbreitung auf. Es unterscheidet zunächst in Neubau, Bestand, Sanierung etc. und legt danach die zu bewertenden Aspekte als Checkliste fest. Die daraus resultierenden Einzelkriterien werden in fünf Kategorien aufgeteilt und im 1-Punkte-System bewertet: Standort und Außenraum, Wasserbedarf, Energiebedarf, Baumaterialien, Gesundheit und Behaglichkeit der Innenräume. Hinzu kommen noch Innovation und Design. Es gibt sieben Mindestkriterien, die als Voraussetzung zum Zertifizierungsprozess einzuhalten sind. Bewertet wird nach den Edelmetallen Silber, Gold und Platin. Für Gold sind 55 % der Punkte erforderlich, für Platin 73 %. Daraus folgt jedoch auch, dass nicht unbedingt alle Kategorien abgedeckt sein müssen, um beispielsweise Gold zu erreichen und es sich sichtbar ans Gebäude zu heften.
Das noch recht junge DGNB System schreibt sich ans Revers, mit Ökologie, Ökonomie und Sozialem alle Felder der Nachhaltigkeit abzudecken. Dazu umfasst der Zertifizierungsprozess fünf Themenfelder: Ökologische Qualität, ökonomische Qualität, soziokulturelle und funktionale Qualität, technische Qualität und die Prozessqualität hinsichtlich Planung, Bau und Betrieb. Die Standortqualität wird gesondert bewertet. Entsprechend der Nutzung des Gebäudes werden die speziellen Kriterien der Themenfelder ausgestaltet und gewichtet und über den Lebenszyklus des Gebäudes betrachtet. Die Zertifizierung erfolgt in Bronze, Silber, Gold und bezieht nicht nur den Gesamterfüllungsgrad, sondern auch den Mindesterfüllungsgrad in den einzelnen Themenfeldern ein. Das heißt: Wer Gold erringen will, muss nicht nur 80 % der Kriterien im Gesamten erfüllen, sondern auch in jedem Themenfeld mindestens 65 % Erfüllungsgrad nachweisen. Im Vergleich ist das DGNB Verfahren sicherlich komplexer als LEED, das einfacher durchzuführen ist, aber auch erprobter. Auf der anderen Seite lässt es zur Erreichung der einzelnen Zielvorgaben mehr Spielraum und ist so innovativen Denkansätzen gegenüber offener. Insbesondere auf dem deutschen Markt aber auch in Osteuropa wächst deshalb sein Marktanteil.
Was kommt nach Platin? KSP Jürgen Engel Architekten planten die neue Zentrale der Deutschen Börse in Eschborn deutlich besser als LEED-Platin fordert. Sie erzielten damit 58 statt der 52 Punkte, die das US-Zertifizierungssystem „LEED –Leadership in Environmental & Energy Design“ für nachhaltiges Bauen zur Erreichung von Platin festlegt. Wäre da nicht schon ein neues Edelmetall nötig?
Zudem ist das Bauwerk Deutschlands erstes Hochhaus mit LEED-Zertifizierung. Die Bereiche effizienter Umgang mit Energie, integrale Planung und Raumqualitäten stachen besonders in der Bewertung hervor. Modernste Techniken wie zwei hausinterne Biogas-Blockheizkraftwerke und ein Wasserschichten-Wärmespeicher, hocheffiziente Wärmerückgewinnung sowie eine intelligente Gebäudeautomation minimieren den Energieverbrauch. Die Mitarbeiter genießen ein helles, behagliches Arbeitsumfeld mit klaren Linien. In den Sanitärbereichen der Deutschen Börse sorgt das zeitlose Design der Serien Starck 3, Vero und D-Code in Verbindung mit ihrer hohen Qualität für einen langen Lebenszyklus dieser Räume. Der Hersteller Duravit achtet bereits seit den 1980er-Jahren nicht nur bei der Herstellung, sondern auch bei der Konzeption seiner Produkte auf Ressourcenschonung und Wasserersparnis.
Nachhaltigkeit als neuer Faktor
in der Immobilienbewertung
Die neue Deutsche Börse ist beispielhaft für einen Wertewandel, der sich in der Immobilienwirtschaft vollzieht. Nachhaltigkeitskriterien gewinnen für Investoren immer stärker an Bedeutung. Schlagworte wie CO2-Ausstoß, steigende Energiepreise und Wasserverknappung sind hierfür verantwortlich. Zum Einen aus finanziellen Gründen, zum Anderen wegen der gesellschaftlichen Akzeptanz.
Für führende Unternehmen wie Thyssen Krupp ist die neue Zentrale Q1, die das DGNB Zertifikat in Gold schmückt, nicht nur eine Frage der Unterhaltskosten sondern auch des Images – ein Statement für umweltschonende Firmenpolitik. Auch für Mieter gewinnen Gebäude durch diese Labels zusätzliche Attraktivität – so die Medienbrücke in München. In beiden Fällen setzten die Architekturbüros auf technisch ausgereifte Lösungen zur Energieersparnis im Betrieb, aber auch auf eine lange Lebensdauer der Gestaltung durch eine wertige Innenausstattung und auf Vero und Starck 3 von Duravit.
Fazit
Für Architekten sind diese Zertifizierungen eine Chance – eine Chance für integrales Planen und Bauen. Nur wenn frühzeitig, also bereits in der Entwurfsphase, alle Planer an einem Tisch sitzen, entstehen Gebäude, die beides verbinden: Nachhaltigkeit sowie räumliche und optische Qualität. Auch die Kriterien bei der Auswahl der Materialien und Techniken werden anspruchsvoller: Neben Design und Funktionalität zählt nun auch Ressourcenschonung in Produktion und Konzeption.
Das US-System LEED
weist weltweit die größte
Verbreitung auf
In Deutschland dominiert neben LEED das Deutsche Gütesiegel für nachhaltiges Bauen DGNB.