15. Mitteldeutscher Immobilienkongress

Wohnungspolitik wird „postfaktisch“  und verliert den Realitätsbezug

Die Lage an Mitteldeutschlands Wohnungsmärkten verschärft sich. Die Politik verschlechtert fast täglich Rahmenbedingungen für eine sinnvolle Wohnraumversorgung in Mitteldeutschland. Zum 15. Mitteldeutschen Immobilienkongress (MIK) veröffentlichten deshalb fünf Immobilienverbände einen Aufruf an die Politik.

„Regulierungswut und die Konzentration der Politik auf eine fragwürdige soziale Wohnraumförderung nehmen faktisch breiten Bevölkerungsgruppen die Chance auf bezahlbaren Wohnraum. Die Menschen werden das auf Dauer nicht verstehen und mit Politikverdruss reagieren – eine Gefahr für die Demokratie“, warnen die Verbände.

Ein Hauptkritikpunkt stellt für sie die zunehmende und kostentreibende Regulierung – von Brandschutzthemen bis zu energetischen Maßnahmen – dar. Hinzu kommt die völlige Überforderung der Verwaltungen in den Wachstumsstädten. Im Ergebnis steigen die Kosten des Wohnens und damit die Mieten. Gleichzeitig werden Lippenbekenntnisse für preiswertes Wohnen abgegeben und die Immobilienbranche der Preistreiberei beschuldigt. Nur: am Ende fehlt Wohnraum, um Nachfrage zu befriedigen.

Symbolpolitik wird ebenso mit der Förderung des sozialen Wohnungsneubaus betrieben. Was gut klingt, stellt sich bei genauem Hinsehen als nicht bedarfsgerecht heraus. Die tatsächliche Notwendigkeit kann nicht stichhaltig unterlegt werden. Förderkonditionen – hauptsächlich mangelnde Wirtschaftlichkeit nach Auslauf der Belegungsbindung, bürokratischer Aufwand und die Bedingungen für die Förderung – schrecken selbst die wenigen Interessenten ab. Die Bevorzugung der Städte ließe das Land weiter ausbluten.

Statt normalen, kostengünstigen Neubau mit allen Mitteln zu unterstützen, werden unwirksame Programme und leere Versprechen an die Wähler in die Welt gesetzt. Die Normalverdiener sind die Verlierer dieser Entwicklung. Sie werden Rechenschaft von der Politik fordern.

Politik der Vorwende-Zeit

„Die Endstation politischen Wirkens ist immer die Wohnung. Dieser Zusammenhang scheint der Politik abhandengekommen. Es wird mehr und preiswerter Wohnraum gefordert. Aber ob Wärmedämmung, Brandschutzauflagen oder Baugenehmigungen – Wohnen wird verteuert, Neubau verzögert oder Investieren unrentabel gemacht. Es entsteht der Eindruck, dass Politik Wege einschlägt, die sie vor der Wende schon einmal ging – nicht bewusst, sondern weil den politisch Verantwortlichen die entsprechenden Erfahrungen fehlen. Davor warnen wir: ´Ruinen schaffen ohne Waffen‘ auch in Bezug auf die neue Wohnungsgemeinnützigkeit  –  das gab es bereits einmal“, resümiert Dr. Axel Viehweger, Vorstand des VSWG Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften.

Zu lange Mietpreisbindung

Rainer Seifert, Direktor des vdw Sachsen Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft  präzisiert: „Viele unserer Mitglieder können soziale Wohnungsbauförderung nicht nutzen, da sie mit einer zu langen Mietpreisbindung verbunden ist und sich ausschließlich auf den Neubau beschränkt.. Selbst nach Ablauf von zehn bis 15 Jahren brauchen unsere Unternehmen nach geltendem Mietrecht noch einmal so lange, bis sie mit ihren Wohnungen auf das regionale Durchschnittsmietniveau kommen können. Dieses Risiko kann kein langfristig agierendes Unternehmen eingehen.“

Fördermittelanträge an der falschen Stelle

Selbst wenn Unternehmen sich für die Zuschüsse entscheiden, stehen sie vor dem Problem, dass Förderanträge nicht oder zu spät bewilligt werden. Frank Müller, Vorstandsvorsitzender des BFW Mitteldeutschland, fragt dazu: „Warum werden Fördermittelanträge in Leipzig und Dresden über die Kommunen und nicht direkt über die Sächsische Aufbaubank vergeben? Besteht da nicht ein viel zu hohes Risiko, dass die Kommunen ihre eigenen Unternehmen begünstigen?“

Gefährlicher Sog in die Großstädte

Ein weiterer Kritikpunkt gilt der Tatsache, dass soziale Wohnraumförderung den Sog in die Städte befördert. Gerade für Thüringen mit seinen zahlreichen kleineren und mittleren Kommunen wird es perspektivisch problematisch werden, wenn der Zustrom nach Erfurt und Jena durch Förderung noch weiter forciert wird. Gebraucht wird eine Förderung der ländlichen Regionen, der Klein- und Mittelstädte flankiert von einer gut funktionierenden Infrastruktur.

Aber auch in sächsischen Kommunen zeigt sich Ähnliches: „In Dresden bauen wir Mietwohnungen mit Fördermitteln, im Umland reißen wir sie ab – meist ebenfalls mit Fördermitteln“, bemängelt Rainer Seifert, Direktor des vdw Sachsen Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. „Notwendig ist daher ein paralleles Förderprogramm für die Sanierung von Bestandsbauten in Regionen außerhalb der Metropolen.“

Dem Verband geht es hier vor allem um sächsische Kommunen wie Zittau oder Regionen wie das Plauener Umland, deren Einwohnerzahlen in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen sind und die an Anziehungskraft verlieren. In diesen Städten müssen ebenfalls attraktive Wohnbedingungen unterstützt und ausgebaut werden. Hier leben tausende Menschen, die nicht alle in die Großstadt ziehen können. Warum kommt beispielsweise der Breitbandausbau als entscheidender Punkt für den Verbleib in der Heimat hier nicht voran?

Axel Viehweger vom VSWG ergänzt dazu: „In Sachsen liegen beispielsweise 20 Mio. € für den Breitbandausbau in ländlichen Regionen bereit und werden nicht abgerufen. Wir haben angeboten, dass wir Kommunen bei der Antragstellung helfen. Dies wurde abgelehnt. Allmählich glauben wir, dass die Ausdünnung des ländlichen Raumes gewollt ist.“

Breite Schichten werden ausgeschlossen

Die Folge dieses politischen Handelns zeigt sich schon jetzt: Es fehlen zunehmend Angebote für die Mittelschicht. Gefördert wird verstärkt Wohnungsbau für Menschen mit Berechtigungsschein oder Hartz-IV-Bezug. „Für mich ist sozial, wenn Politik und Gesellschaft breite Schichten plus Arbeitslose im Fokus haben. Wenn die breite Masse weiterhin von der Wohnungspolitik ausgeschlossen wird, führt das zu Politik- und damit Demokratieverdrossenheit – eine gefährliche Mischung“, bemängelt Karl-Heinz Weiss, Regionalvorsitzender IVD Mitte-Ost.

15 % Mehrkosten durch zweiten Rettungsweg

Frank Müller, Vorstandsvorsitzender des BFW Mitteldeutschland, betont: „Wir müssen zwingend die Regulierungswut in Deutschland stoppen. Je mehr wir regulieren, umso mehr werden die Menschen entmündigt. Eigeninitiative wird zunehmend unattraktiv. Das wirkt sich negativ auf den Wohnungsbau aus“. Als jüngstes Beispiel nennt er die Einführung des zweiten Rettungsweges in Neubauten. Aktuell wird der Rettungsweg über den öffentlichen Raum nicht mehr genehmigt. Verlangt wird ein 2. Rettungsweg auf dem Grundstück des Investors. Er sorgt für 15 % Mehrkosten – bei zweifelhaftem Mehrnutzen.

Behindert fühlen sich die Unternehmen ebenfalls bei dem zunehmenden Trend der Kommunen, B-Pläne so zu gestalten, dass sie bereits nach wenigen Jahren überlebt sind, weil sich die Bedarfslage verändert hat. Zudem neigen Kommunen dazu, B-Pläne zu errichten, statt nach Paragraph 34 Baurecht zu erteilen. Dabei bleiben Markterfordernisse oft nicht berücksichtigt.

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