Zerrbilder geraderücken

In den Diskussionen um die Energiewende und die Energieeffizienz in Privathaushalten fallen immer wieder Zerrbilder auf. Minol hat sie anhand von Zahlen, Fakten und Studien überprüft.

Ob EEG-Umlage, Netzausbau, Marktanreizprogramm oder Versorgungssicherheit: Energie ist ein Dauerthema in Politik und Medien. Die Diskussion bewegt sich zwischen zwei Polen. Auf der einen Seite stehen ehrgeizige energiepolitische Ziele. Bis zum Jahr 2050 will Deutschland seine Treibhausgas-Emissionen um 80 bis 95 % gegenüber dem Basisjahr 1990 verringern. Durch die Energiewende, die auf zwei Säulen beruht – mehr Energieeffizienz und dem Ausbau erneuerbarer Energien – will das Land schon 2022 das letzte Kernkraftwerk vom Netz nehmen und unabhängig von Öl- und Gasimporten werden.

Auf der anderen Seite sollen diese Ziele mit möglichst geringen Kosten, Unannehmlichkeiten und Risiken erreicht werden. „Die Energiewende ist wichtig, aber sie muss bezahlbar bleiben“ ist politischer Konsens. Bei all den Diskussionen ist erstaunlich, wie wenig Verbraucher über den konkreten Wert von Energie wissen. Nur wenige können einschätzen, wie viele Kilowattstunden Strom, Erdgas oder Heizöl sie jährlich verbrauchen. Die Ausgaben für Heizung und Warmwasser gehen oft in den gesamten Betriebskosten unter und sind vielen Hausbewohnern nicht bekannt.

So entstehen Zerrbilder. Zum Beispiel fällt auf, dass die Energiewende in der öffentlichen Diskussion fast immer mit Strom gleichgesetzt wird, obwohl Strom nur ein Fünftel des gesamten Energieverbrauchs in Privathaushalten ausmacht. Minol hat einige dieser Zerrbilder unter die Lupe genommen und rückt sie anhand von Zahlen und Fakten zurecht.

Zerrbild 1: „Die Energiewende betrifft nur die Stromversorgung“

Richtig ist: Der Wärmesektor ist für das Gelingen der Energiewende mindestens genauso wichtig wie der Stromsektor. Private Haushalte benötigten laut Umweltbundesamt 84 % der Energie für Wärme und Warmwasser und nur 16 % für Strom. Im Wärmesektor steckt noch viel ungenutztes Potenzial zur Senkung der Treibhausgase. Um es auszuschöpfen, sind drei Faktoren entscheidend: die „Wärmewende“ im Heizungskeller (Heizungsmodernisierung), die energetische Sanierung von Altbauten und ein bewusstes Verbrauchsverhalten der Bewohner.

Auf jedem dieser Gebiete gibt es noch viel zu tun. Definiert man Gas- und Ölbrennwerttechnik, Wärmepumpen und effiziente Biomassekessel als derzeitigen Stand der Technik, so können nur 22 Prozent der in deutschen Heizungskellern installierten Anlagen als effizient eingestuft werden (Quelle: BDH-Schätzungen, Erhebung des Schornsteinfegerhandwerks). Auch wird derzeit jährlich nur 1 % der bestehenden Gebäude energetisch saniert. 65 % der Fassaden und 30 % der Dächer sind nach Angaben der Deutschen Energie-Agentur komplett ungedämmt. Energiepolitisches Ziel ist die Verdopplung der Sanierungsrate auf 2 %. Und schließlich kann ein sparsamerer Umgang mit Heizenergie den Energieverbrauch zusätzlich um bis zu 25 % senken.

Zerrbild 2: „In Neubauten wird keine Heizenergie verschwendet“

Richtig ist: Gut gedämmte Neubauten verleiten die Bewohner dazu, mit Wärme verschwenderisch umzugehen. Je besser der energetische Zustand der Gebäudehülle ist, desto kleiner ist zwar der absolute Verbrauch an Heizenergie. Aber der Einfluss der Nutzer und ihre Neigung zum verschwenderischen Umgang mit Wärme nehmen deutlich zu. Zu diesem Ergebnis kommt die bundesweit größte Studie zur Energieeffizienz in Gebäuden, die 2013 von Prof. Dr. Clemens Felsmann vom Institut für Energietechnik der Technischen Universität Dresden veröffentlicht wurde.

Die Studie weist nach, dass Durchschnittsraumtemperaturen mit der energetischen Gebäudequalität steigen. Wohnungen, die zwischen 1958 und 1967 erstellt wurden, sind durchschnittlich 18,1 °C warm, solche aus den Jahren 1978 bis 1995 nur unwesentlich wärmer. Doch bereits die Baujahre ab 1996 sind mit 19,4 °C deutlich höher temperiert. Wohnungen nach dem EnEV-2002-Standard legen weiter zu auf rund 20 °C.

In Gebäuden nach aktueller EnEV sind die Raumtemperaturen im Mittel sogar noch höher. Interessant ist auch, dass der gemessene Energieverbrauch von Altbauten im Durchschnitt deutlich niedriger ausfällt als der berechnete Bedarf nach EnEV. Fazit: Einsparpotenziale von energetischen Maßnahmen an Gebäudehülle und Anlagentechnik werden häufig überschätzt, der Einfluss der Nutzer wird dagegen unterschätzt.

Zerrbild 3: „Die Warmwasserkosten machen nur einen Bruchteil der gesamten Heizkosten aus“

Richtig ist: Je weniger Energie ein Gebäude aufgrund baulicher Verbesserungen benötigt, desto größer ist der prozentuale Anteil der Wassererwärmung. Das ist ein weiteres Ergebnis der zuvor zitierten Felsmann-Studie. In einem Altbau, der vor 1977 erstellt wurde, entfallen durchschnittlich 17 % des Heizwärmeverbrauchs auf die Warmwasserbereitung. Bei Neubauten nach 2000 und modernisierten Bestandsgebäuden sind es mehr als 30 % und bei noch neueren Gebäuden fast die Hälfte. Auch deshalb muss seit Anfang 2014 bei Zentralheizungen der Wärmeverbrauch für Warmwasser mit einem Wärmezähler genau gemessen werden.

Zerrbild 4: „Energiekennwerte machen die „zweite Miete“ transparent“

Richtig ist: Verkäufer und Vermieter sind verpflichtet, in Immobilienanzeigen unter anderem den Energiekennwert des Gebäudes in kWh pro m² und Jahr zu nennen und bei der Wohnungsbesichtigung den Energieausweis vorzulegen. Der Energiekennwert hilft zwar, die Energieeffizienz des Gebäudes einzuschätzen. Doch für die meisten potenziellen Käufer und Mieter ist der Wert zu abstrakt. Sie wollen wissen, welche Heizkosten auf sie zukommen. Diese Lücke lässt sich mit Hilfe eines kostenlosen Online-Tools von Minol schließen (www.kennwertrechner.de).

Dort können Nutzer die Werte und Informationen eintragen, die in jeder Immobilienanzeige genannt werden müssen. Der Rechner kalkuliert daraus die zu erwartenden monatlichen und jährlichen Heizkosten. Der Kennwertrechner beruht auf der statistischen Auswertung der 1,5 Mio. von Minol jährlich erstellten Heizkostenabrechnungen. Er unterstützt nicht nur Kauf-  und Mietinteressenten, sondern ist auch hilfreich für Vermieter und Verkäufer, die ein „sparsames“ Gebäude vermarkten möchten: Sie können auf einer neutralen Grundlage die Heizkosten ausrechnen und in der Anzeige benennen, um den geringen Energieverbrauch deutlich zu machen.

Zerrbild 5: „Sinn und Zweck der Verbrauchsabrechnung ist die gerechte Verteilung der Heizkosten“

Aus Sicht der Hausbewohner ist dieses Argument sehr wichtig. Jeder Haushalt will die Kosten zahlen, die er selbst verursacht hat. Gesamtwirtschaftlich betrachtet, spielt jedoch ein weiteres Argument eine wichtige Rolle: Die Verbrauchsabrechnung ist eine der wirksamsten und kostengünstigsten Maßnahmen, um den Energieverbrauch und die Emission von Treibhausgasen zu senken.

Bei einer pauschalen Abrechnung zum Beispiel nach Quadratmetern würden Anreiz und Motivation zum Energiesparen fehlen. Verschwendung wäre vermutlich die Regel. Das war auch der Hauptgrund für die Einführung der Heizkostenverordnung im Jahr 1981, die seither für Mehrfamilienhäuser eine verbrauchsabhängige Abrechnung der Heizungs- und Warmwasserkosten vorschreibt. Schon seit Jahrzehnten übersteigt der Nutzen der Heizkostenabrechnung deren Kosten um ein Vielfaches.

Es ist erstaunlich, wie wenig Verbraucher über den konkreten Wert
von Energie wissen. Nur wenige können einschätzen, wie viele Kilowattstunden Strom, Erdgas oder Heizöl sie jährlich verbrauchen.

Gut gedämmte Neubauten verleiten die Bewohner dazu, mit Wärme verschwenderisch umzugehen.

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