Zukunftsorientierte Abfallsammlung in Wohnanlagen
Je nach Ausgestaltung der neu einzuführenden Wertstofftonne bzw. Ausweitung des gesamten Sammelsystems steht die Wohnungswirtschaft vor neuen Herausforderungen: Anhand eines Beispiels aus der Praxis wird das neue Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht vorgestellt.
Ob Einfamilienhaus im Grünen oder Großwohnanlage in einer deutschen Metropole – um den Müllplatz kommt der Mensch nicht herum. Der Gesetzgeber übersetzt das in etwa so: Jedes Grundstück ist der öffentlichen Entsorgung anschlusspflichtig. Insofern sind 81,8 Mio. Deutsche von der Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz betroffen, wie es der Bundesrat am 10. Februar 2012 verabschiedet hat. Ein neues Kapitel der Abfallwirtschaft soll damit aufgeschlagen und ein großer Schritt in Richtung echter Kreislaufwirtschaft gegangen werden.
Forderungen des Gesetzgebers
Mit der Pflicht zur getrennten Sammlung von Bioabfällen sowie von Papier- und Kunststoffabfällen ab dem Jahr 2015 schafft das neue Gesetz die maßgeblichen Voraussetzungen für weiter steigende Recyclingquoten. 65 % aller Siedlungsabfälle sollen bis 2020 einer Verwertung zugeführt werden, momentan sind es lediglich 61%. Laut Statistischem Bundesamt lag das Pro-Kopf-Aufkommen an Haushaltsabfällen im Jahr 2010 bei 450 kg.
Davon entfallen ca. 163 kg auf Restmüll, 34 kg auf Sperrmüll, 143 kg auf Wertstoffe (davon 72 kg Papier, 30 kg gemischte Verpackungen und 23 kg Glas) sowie 107 kg auf Bioabfälle. Untersuchungen zum Hausmüllaufkommen haben jedoch gezeigt, dass der tatsächliche Gewichtsanteil des Restmülls in den Restmülltonnen in Deutschland bei kaum mehr als einem Viertel liegt.
Das kürzlich beschlossene Gesetz ermöglicht es, in einem noch folgenden Schritt die rechtlichen Regelungen für die Einführung einer Wertstofftonne zu treffen. Bereits seit zwei Jahren ist sie in den Medien präsent und wird mit ihrer geforderten Einführung 2015 die gelbe Tonne ersetzen. Laut Expertenschätzungen sollen zusätzliche 7 kg Wertstoffe pro Einwohner und Jahr über die gemeinsame Sammlung von Verpackungsmaterialien und stoffgleichen Nichtverpackungen erfasst werden.
Rolle der öffentlich-rechtlichen Entsorger
Geeignete Systeme, um die geforderten gesetzlichen Vorgaben bürgernah und möglichst kostenneutral umzusetzen, obliegen auch nach der Novellierung des KrW-und AbfG den Kommunen bzw. den öffentlich-rechtlichen Entsorgern. In einigen Kommunen wie Hamburg, Berlin, Dortmund wird dieses Modell bereits von den Entsorgern praktiziert, weitere Städte haben Testgebiete mit Sammelgefäßen ausgestattet. Die Details der Ausgestaltung, vor allem aber der Zeitpunkt der Einführung in allen bundesdeutschen Gebietskörperschaften kann und wird stark variieren. Das kann für die Wohnungswirtschaft unter Umständen zu sehr kurzen Handlungsspielräumen für notwendige Neu- und Umplanungen der Müllplätze führen.
Umsetzung der neuen Anforderungen in der Wohnungswirtschaft
Rechtlich gesehen ist die Wohnungswirtschaft Eigentümer der in ihren Objekten bis zur Übergabe an den Entsorger anfallenden Abfälle und somit für die ordnungsgemäße und satzungskonforme Entsorgung verantwortlich. Je nach Ausgestaltung der neu einzuführenden Wertstofftonne bzw. Ausweitung des gesamten Sammelsystems, steht auch sie vor neuen Herausforderungen. Welche Möglichkeiten bestehen bei Bestandsobjekten, die aus Platzmangel eine Aufstockung der Tonnenanzahl nicht zulassen? Immerhin gibt es auch heute noch Gebietskörperschaften, die keine Gelben Tonnen sondern nur Gelbe Säcke anbieten. Hier hat der Mieter bis zur Abholung für die Zwischenlagerung zu sorgen. Für die mit Gestellung der neuen Wertstofftonne erforderlichen Erweiterungen der Müllplätze ist die Wohnungswirtschaft in der Pflicht. Das erfordert in vielen Fällen ein gehöriges Maß an Planung und Investition. Noch scheint der 1. Januar 2015 in weiter Ferne. Je nach Objektgröße und Anzahl der anzupassenden Müllplätze muss die Planung so früh als möglich beginnen. Jede Neu- oder Überplanung von Außenanlagen und Müllplätzen sollte den tatsächlich zu erwartenden Bedarf der Behältervolumina berücksichtigen. Die Aufstellung von sogenannten Alibitonnen wird dabei nicht den gewünschten Erfolg haben. Zu knapp bemessene Behälter im Wertstoff- oder Biobereich führen zu einer hohen Frustration bei Mietern, die in ihrem Selbstverständnis viele Mühen in die Getrennthaltung investieren und am Platz dann keine Gelegenheit finden, diese Abfälle entsprechend richtig zu entsorgen. Neben den immer noch bestehenden, allerdings unberechtigten Zweifeln an der Sinnhaftigkeit der Abfalltrennung, wird dies unweigerlich Beistellungen und Fehlbefüllungen zur Folge haben und damit zu Beeinträchtigungen der Wohnumfeldqualität führen.
Mieter – großes Rädchen in der Zukunftsvision Abfalltrennung
In einem rohstoffarmen Land wie Deutschland wird die getrennte Erfassung zusätzlicher Mengen Wertstoffe langfristig erheblich zur Ressourcenschonung und damit zur ökologischen und ökonomischen Entlastung zukünftiger Generationen beitragen. Wie groß die Ausschöpfung des vorhandenen Potenzials und damit die Entlastung letztlich sein werden, hängt von der Akzeptanz des Nutzers ab. Die Schwergängigkeit einer disziplinierten Abfalltrennung in Wohnanlagen ist bekannt, und alle Beteiligten setzen sich seit Jahren für eine Verbesserung der Situation ein. Der ursprünglichen Intention, die Entsorgungskosten in Wohnanlagen drastisch zu senken, folgt der ökologische Anspruch, die CO2-Emmissionen zu senken. Beispielsweise verhindert jedes getrennt erfasste kg Verpackungsmüll den Ausstoß von 1 kg CO2, bei Papier sind es sogar 1,7 kg. Die gesetzlich verankerte Ausweitung der Sammelsysteme setzt dabei einen weiteren Höhepunkt. Eine beträchtliche Anzahl Wohnungsunternehmen überträgt diese Aufgaben bereits seit Jahren privaten Abfallmanagementunternehmen. Rund 1,7 Mio. Haushalte werden in Sachen Abfallvermeidung und -trennung professionell betreut. Zu den Kernkompetenzen dieser Unternehmen gehört neben der Mieterberatung und Nachsortierung von Wertstoffgefäßen die bedarfsorientierte Anpassung von Müllplätzen und Abfallgefäßen.
Gerüstet für 2015:
Das Projekt 37 der Südheide eG in Celle
Im Vergleich zu Bestandsobjekten mit begrenzten oder nicht vorhandenen Ausweitungsmöglichkeiten der Müllplätze bieten Neubauobjekte deutlich mehr Chancen, eine zukunftsorientierte Abfallentsorgung zu planen. Immer vorausgesetzt, das Thema Müll ist bereits in der Anfangsphase Bestandteil der Gesamtplanung. Gemäß ihrem Leitsatz „Gut Wohnen – Besser Leben“ hat die Celler Wohnungsbaugenossenschaft Südheide eG im letzten Jahr mit dem Projekt 37 ein ehrgeiziges Wohn- und Gewerbeobjekt in bester Innenstadtlage fertig gestellt. Sachlich-moderne, dennoch organische Architektur und eine funktional sowie atmosphärisch attraktive Umgebung zeichnen das KfW-Effizienzhaus 55 aus. Neben der Sicherung des barrierefreien und hochwertigen Wohnens mit modernster Energietechnik, hat die Südheide eG schon in der Planung auf ein zukunftssicheres Entsorgungskonzept abgezielt. Sinnbildlich hierfür steht der bedarfsgerecht dimensionierte und vor allem erweiterbare Behälterstandplatz. Zudem hat man sich mit der Installation einer Müllschleuse für die verbrauchsabhängige Erfassung und Abrechnung von Restmüll entschieden. Mit den Transponderchips zur Öffnung der Müllschleuse bedienen die Mieter zusätzlich die Schließanlage von Tiefgarage, Haus- und Wohnungstür. Die Bewohner der meist Ein- bis Zweipersonenhaushalte schöpfen das bereitgestellte Behältervolumen mit wöchentlich 27,5 Litern pro Haushalt für die Entsorgung von Papier/Pappe und 55 Litern für Verpackungsabfälle voll aus. Der kostenpflichtige Restmüll hingegen liegt mit ca. 13 Litern pro Wohnung und Woche weit unter den sonst üblichen Werten in vergleichbaren Wohnanlagen. Der Erfolg von Projekt 37 kann sich sehen lassen. Laut Abfallbilanz des Landes Niedersachsen aus dem Jahr 2010 kommt im gesamten Zweckverband Celle jeder Einwohner jährlich durchschnittlich auf 77 kg getrennt gesammelte Papierabfälle und 38 kg Leichtverpackungen. Die Mieter der Wehlstraße 37 liegen in der Getrennterfassung von Papier bei ca. 89 kg und von Leichtverpackungen bei ca. 56 kg. Damit sammeln sie in der Summe rund 26 Gewichtsprozent Wertstoffe als der Landkreis-Durchschnitt. Im Vergleich zum Geschosswohnungsbau ist die Differenz noch deutlich höher.
Alle Mieter haben das Gesamtkonzept positiv aufgenommen und wünschten sich die Erweiterung des Behälterangebotes um Biotonnen. Die Aufstellung erfolgte im März 2012 und wird das Restmüllvolumen zukünftig noch weiter senken. Hartmut Kynast, Vorstand der Südheide eG Wohnungsbaugenossenschaft, sieht optimistisch in die abfallwirtschaftliche Zukunft seiner Mitglieder: „Die ausschließlich positiven Rückmeldungen der Bewohner und die niedrigen Entsorgungskosten bestärken uns in der Wahl der Entscheidung für eine Müllschleuse und ein umfangreiches Angebot an Sammelmöglichkeiten. Gegenwärtig prüfen wir die Möglichkeiten, weiteren Wohnungsbestand in die verbrauchsabhängige Müllmengenerfassung und eine Abfallmanagementbetreuung zu überführen.“
Ausblick
Die neue Rahmengesetzgebung wird die Pflichten der Mieter zur Getrennthaltung weiter ausbauen. Die Wohnungswirtschaft muss sich dieser Herausforderung stellen und sich über den Einsatz intelligenter Abfallmanagementsysteme informieren. Die Innotec Abfallmanagement GmbH hat bundesweit 77 000 Haushalte in ein verbrauchsabhängiges Abfallmanagement mit Müllschleuse implementiert. Die wesentlichen Komponenten der contractingfinanzierten Dienstleistung umfassen neben der Planung von Müllplatzkonzepten, die Beratung der Mieter – Kontrolle / Nachsortierung der Abfallgefäße sowie die Reinigung der Abfallstandplätze. Getragen von der Motivation der individuell steuerbaren Entsorgungskosten, wird das Restmüllvolumen um bis zu 75 % gesenkt. Das getrennt erfasste Wertstoffvolumen erhöht sich je nach Ausgangslage teilweise um bis zu 300 %.
Laut Statistischem Bundesamt liegt das Pro-Kopf-Aufkommen an Haushaltsabfällen im Jahr bei 450 kg.
Mit den Transponderchips zur Öffnung der Müllschleuse bedienen die Mieter zusätzlich die Schließanlage von Tiefgarage, Haus- und Wohnungstür.