Techem Atlas für Energie, Wärme & Wasser

Fahrplan zu einem klimaneutralen Gebäudebestand

Wie kann die Dekarbonisierung des Gebäudebestands in Deutschland bis 2045 gelingen? Welche technischen  Maßnahmen sind dafür erforderlich? Dieser Beitrag gibt einen Überblick. So viel vorweg: An der Abkehr von fossilen Brennstoffen bei der Nah- und Fernwärmeversorgung und der Umstellung auf Wärmepumpen führt kein Weg vorbei.

Die Energieversorgung in Deutschland muss auf eine neue, zukunftsorientierte Grundlage gestellt werden, um Wirtschaftlichkeit und Zukunftssicherheit zu gewährleisten. Der Techem Atlas für Energie, Wärme und Wasser (ehemals Verbrauchskennwerte-Studie), welcher einen umfassenden Einblick in die Verbrauchs- und Emissionssituation des deutschen Mehrfamilienhausbestandes gibt und auch Reduktionspotenziale aufzeigt, kann dadurch einen wichtigen Beitrag leisten. Für den Techem Atlas 2023, welcher kürzlich veröffentlicht wurde, haben wir anonymisiert Daten des Jahres 2023 von insgesamt rund 1,2 Millionen deutschen Wohnungen und 110.000 Mehrfamilienhäusern erhoben.

Der deutsche Mehrfamilienhausbestand wird zu über 90 % immer noch fossil beheizt

Unsere Auswertungen zeigen, dass die Wärmeversorgung für Raumheizung und Trinkwarmwasser in gut 90 Prozent aller deutschen Mehrfamilienhäuser fossil erfolgt. Der am häufigsten genutzte Energieträger ist weiterhin Erdgas, womit rund 52 Prozent der Wohnfläche beheizt werden. Fernwärme wird zunehmend bedeutsamer und erreicht inzwischen einen Anteil von knapp 38 Prozent. Das große Manko: Laut des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) wird Fernwärme jedoch zu etwa 80 Prozent aus fossilen Energieträgern erzeugt – allein 17 Prozent gehen auf Kohle zurück. Daher schöpft die Fernwärme derzeit die möglichen Dekarbonisierungspotenziale nicht aus.

Rückläufig ist dagegen der Anteil von Heizöl zur Wärmeversorgung. Dessen Nutzung ist seit 2013 recht deutlich von etwa 16 Prozent auf gut 9 Prozent zurückgegangen. Die Anteile der Energieträger Strom (2013: 0,12 %; 2022: 0,52 %) und Holz (2013: 0,29 %; 2022: 0,8 %) steigen zwar kontinuierlich an, liegen jedoch noch auf einem sehr niedrigen Niveau.

Vor diesem Hintergrund sind die Umstellung auf grün erzeugte Fernwärme und die Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung gemäß Gebäudeenergiegesetz (GEG) entscheidende Maßnahmen auf dem Pfad zur Dekarbonisierung des Mehrfamilienhausbestandes in Deutschland.

Sparsames Nutzerverhalten kann den Anstieg der Energiepreise nicht kompensieren

Eine große Belastung stellen für die Nutzenden die nach wie vor hohen Endenergiepreise dar. Und das drückt sich in einem ausgeprägten Sparverhalten in den Jahren 2022 und 2023 aus. So stellten wir eine witterungsbereinigte Verbrauchsreduktion in Bezug auf 2021 von 9,3 % fest. Im Ergebnis können wir die niedrigsten Verbräuche seit Beginn unserer Auswertungen im Jahr 2004 feststellen Sogar das Niveau des besonders warmen Jahres 2014 wurde deutlich unterschritten.

Umso bemerkenswerter ist, dass die beachtlichen Einsparungen dennoch nicht genügen, um den Anstieg der Endenergiepreise zu kompensieren. Nach unseren Erkenntnissen ist das maximale Sparvermögen sehr wahrscheinlich erreicht. Weitere Einsparungen sind aus unserer Sicht nur noch durch verbesserte Heizungsanlagentechnik, optimierte Lüftungssysteme (z.B. mit Wärmerückgewinnung) und Maßnahmen an der Bausubstanz möglich.

Die den Heizkostenabrechnungen zugrunde liegenden Endenergiepreise sind im Zeitraum von 2021 bis 2023 im Mittel um 70 Prozent gestiegen. Die Verbrauchskosten entwickelten sich aufgrund des Sparverhaltens der Nutzenden und günstiger Witterung nicht ganz so drastisch (plus 32 Prozent). Dennoch haben sowohl Kosten als auch Energiepreise pro Nutzeinheit das höchste Niveau seit Beginn unserer Auswertungen erreicht. Am meisten zahlen Nutzende in heizölversorgten Gebäuden. Das Kostenniveau für Fernwärme, Erdgas und Holzpellets unterscheidet sich dagegen kaum. Die erkennbar geringen Verbrauchskosten für den Energieträger Strom führen wir darauf zurück, dass die Wärmepumpen im Techem Abrechnungsbestand in Gebäuden mit sehr guter Gebäudehülle installiert sind.

Trotz der sinkenden Energieverbräuche konnten wir keine erkennbare Reduktion der Treibhausgasemissionen feststellen. Ursache sind angestiegene Emissionen in den letzten Jahren infolge der veränderten Förderungs- und Transportaufwände für Erdgas und Heizöl. So betrug im Jahr 2023 die Treibhausgasemission einer Mehrfamilienhaus-Wohnung im Schnitt allein infolge der Wärmeversorgung 1,92 Tonnen CO2-Äquivalente. Davon entfielen auf die Raumheizwärme 1,55 t und auf die Trinkwasser-Erwärmung 0,37 t. Dies entspricht in etwa dem Niveau des Vorjahres 2022. Berücksichtigt man die Emissionen für den Elektroenergieverbrauch von ca. 1,1 Tonnen pro Wohnung ergibt sich eine Gesamtemission  pro Wohnung von insgesamt etwa drei Tonnen Treibhausgasen.

Klassifizierung des Mehrfamilienhaus-Bestands zeigt im Mittel guten energetischen Zustand

Bereits vorliegende und veröffentlichte Auswertungen [1] zeigen ein mittleres Verbrauchsniveau im Bestand der Mehrfamilienhäuser für Raumheizwärme im Bereich der GEG-Effizienzklasse von B bis C. Damit sind sie im Mittel bereits auf einem guten energetischen Stand. Der Mittelwert deutscher Mehrfamilienhäuser liegt damit im Bereich der Bedarfswerte der Wärmeschutzverordnung von 1995 (WSV95). Bei Altbauten entsprechend Baualtersklassen besser als WSV95 liegt der errechnete Bedarf deutlich über dem tatsächlichen Verbrauch. Bei Gebäuden, die gemäß der Energieeinsparverordnung von 2014 (EnEV14) errichtet wurden, liegt der errechnete Energiebedarf im Gegensatz dazu deutlich unter dem tatsächlichen Verbrauch.

Folglich überschätzt die Wärmebedarfsrechnung offensichtlich den tatsächlich Verbrauch bei Altbauten (WSV82 und schlechter) und unterschätzt ihn bei Gebäuden mit Wärmeschutzstandard EnEV02 und besser. Die tatsächliche Wirkung von bisher durchgeführten Sanierungen von Mehrfamilienhäusern, wie etwa Maßnahmen zur Verbesserung der Gebäudedämmung, liegen im Mittel unter den Erwartungen auf Basis der Bedarfsberechnung. Daraus schließen wir, dass Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit von Dämmmaßnahmen in der Regel überschätzt werden.

Treibhausgasemissionen liegen auf Kurs des Sektorzieles dank sparsamen Nutzerverhaltens

Der Techem CO2-Index soll die Fortschritte bei der Reduzierung von CO2-Emissionen sichtbar machen. Er stellt das Verhältnis zwischen aktueller Jahres-CO2-Emission und dem Zielwert für den Gebäudesektor in 2030 dar (bezogen auf den Mehrfamilienhausbestand). Für 2023 zeigt der Index im Mittel über alle Energieträger einen Wert von rund 144 %. Gegenüber 2022 (160,3 %) ist hier eine positive Entwicklung festzustellen. Bis zum Jahr 2030 müssen die Emissionen jedoch noch um ein Drittel reduziert werden. Das entspricht im Mittel für Wärme pro Wohnung etwa 640 kg CO₂e pro Jahr.

Gebäude, die mit elektrisch betriebenen Wärmepumpen versorgt werden, emittieren bereits heute rund 20 Prozent weniger CO2  als es das Ziel für 2030 vorsieht. Gebäude mit Fernwärmeversorgung überschreiten die Emissionsziele um knapp 50 Prozent. Gebäude mit Ölheizung liegen sogar beim Zweifachen des Zielwertes.

Dekarbonisierung des MFH-Bestands ist mit technischen Maßnahmen möglich

Die vollständige Dekarbonisierung der Energieversorgung des Mehrfamilienhausbestands  bis 2045 gemäß deutschem Klimaschutzgesetz 2021 ist ambitioniert, aber möglich. Das erklärte Ziel kann durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen erreicht werden:

– Flächendeckende Einführung von automatisierten Systemen für Monitoring und optimierte Betriebsführung bestehender Heizsysteme – reduziert deren Energieverbrauch um etwa 15 Prozent [2]

– Empfehlungen für energiesparendes Lüften und Heizen mittels smarter Systeme

– Umstellung auf teildekarbonisierte Fernwärme oder auf hybride Heizungssysteme mit Wärmepumpe

– Umstellung auf dekarbonisierte Fernwärme oder auf monovalente Heizungssysteme mit PV- oder grünstrombetriebener Wärmepumpe ggf. in Kombination mit dezentraler Lüftung und Wärmerückgewinnung

– Dekarbonisierung der Stromerzeugung sowie Umstellung auf emissionsfreien  Nutzerstrom

90 % der Heizungsanlagen in Mehrfamilienhäusern sind geeignet für Wärmepumpen

Ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Dekarbonisierung
des Mehrfamilienhausbestands ist der Einsatz von Wärmepumpen für die Wärmeversorgung. Auswertungen zeigen, dass infolge der vorhandenen großen Heizkörperleistungsreserven bereits heute 50 % der Mehrfamilienhäuser für den effizienten Betrieb mit Wärmepumpen geeignet sind. Bei weiteren 40 % des Bestands ist dies nach einem Heizkörpertausch auf Typen größerer Leistung der Fall.

Die Effizienz einer Wärmepumpe hängt wesentlich von der Betriebsführung ab

Unsere Daten zeigen, dass Wärmepumpen im Mittel akzeptable Effizienzwerte erreichen, jedoch die Streubreite der Jahresarbeitszahlen sehr groß ist. Im Bestand erreichen sie im Mittel ordentliche Werte (um 3), weisen indes eine große Streubreite von 1,5 bis 5 auf. Wir führen dies auf unterschiedliche Betriebsführung und teilweise nicht optimale Planung und Auslegung zurück. Aufgrund der hohen Sensitivität der Effizienz auf die Betriebsbedingungen ergibt sich bei Wärmepumpen ein hohes Verschwendungspotenzial. Das mittlere Optimierungspotenzial liegt hier bei knapp 30 Prozent, bei einem Viertel der Anlagen gar bei rund 50 %. Eine optimierte Betriebsführung z. B. durch den Digitalen Heizungskeller von Techem kann dieses Verschwendungspotenzial effektiv begrenzen.

Für den wirtschaftlichen Betrieb von Wärmepumpen ist es notwendig, dass das Verhältnis von Strom- zu Erdgaspreis die erreichbaren Jahresarbeitszahlen von Wärmepumpen nicht überschreitet. Der Strompreis sollte also dauerhaft maximal beim Dreifachen des Erdgaspreises liegen.

Verbesserte und betriebsoptimierte Anlagentechnik, die Unterstützung der Nutzenden durch smarte Systeme, die Umstellung auf grüne Fernwärme und grünstrombetriebene Wärmepumpen – all diese Maßnahmen sind erwiesenermaßen wirkungsvoll und wirtschaftlich darstellbar, wie wir in unserem neu erschienenen Techem Atlas für Energie, Wärme und Wasser 2023 (www.techem.com/corp/de/news-und-medien/studien-und-umfragen) zeigen konnten.

Verweise:

[1] Energiewirtschaftliche Tagesfragen 74. Jg. 2024 Heft 7-8; HLH BD. 75 (2024) NR. 07-08; TRIOS (Kähler, Hallmen)

[2] Einfluss der Betriebsführung auf die Effizienz von Heizungsaltanlagen im Bestand; Abschlussberichte 2022; EBZ Bochum (Prof. Grinewitschus et al), TU Dresden (Prof. Felsmann et al).

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