„Kreativität findet in den Köpfen statt“
Die nach dem Baukastenprinzip funktionierende Modulbauweise setzt neue Maßstäbe. Kein Wunder also, dass sich immer mehr Wohnungsunternehmen, aber auch die öffentliche Hand für die planungssichere, effektive und nachhaltige Alternative zum konventionellen Bau entscheiden. Iris Darstein-Ebner von architekturkontext sprach mit Torsten Prauser, Geschäftsführer der ALHO Systembau GmbH (www.alho.de), über die Vorteile der von Bundesbauministerin Klara Geywitz favorisierten Bauweise im Kampf gegen die Wohnungsnot.
Herr Prauser, Sie sind Architekt und seit Juni 2022 Geschäftsführer bei ALHO. Wie sind Sie zum modularen Bauen gekommen und was fasziniert Sie daran?
Torsten Prauser: Als Architekt bin schon immer davon fasziniert, im „Chaos“ der Entwurfs- und Planungsaufgabe eine Struktur zu suchen und zu finden – ganz unabhängig von der Bauweise. Wenn etwas ungeordnet ist, ordne ich, versuche Prozesse schlanker zu machen oder zu vereinheitlichen – denn Struktur führt zu einer kostenoptimierten und effektiven Planung. Der Weg zum modularen Bauen ist für mich darum ein ganz selbstverständlicher: Modular zu bauen bedeutet, schon sehr früh im Planungsprozess eine sinnvolle Ordnung einzuhalten, Details festzulegen und Entscheidungen zugunsten eines erfolgreichen Projektfortschritts zu treffen.
Damit vermeidet das Bauen mit Modulen eines der größten Probleme, das wir beim konventionellen Bauen haben – die baubegleitende Planung: Änderungen im laufenden Baubetrieb führen häufig zu Baumängeln und Terminverschiebungen und damit zu immensen Verteuerungen. Beim modularen Bauen haben wir all diese Probleme nicht. Durch die Möglichkeit der Vorfertigung im Werk haben wir im Gegenteil eine sehr hohe Bauwerksqualität. Das begeistert mich.
Stehen diese strenge Ordnung und das Entwerfen über einem Raster beim modularen Bauen der Kreativität nicht entgegen?
Torsten Prauser: Wirtschaftlich und materialeffizient zu planen und zu bauen ist ein grundsätzlicher Aspekt von Architektur. Bei jeder Bauaufgabe gilt es, bestimmte Funktionen innerhalb eines gesetzten Budgets zu erfüllen und das macht meist den Aufbau einer Ordnung über ein Raster notwendig – unabhängig vom Baumaterial, dem Bausystem oder der Bauweise. Wir bauen mit Modulen systembedingt meist orthogonal, manchmal auch außerhalb des rechten Winkels. Sehr freie oder organische Kubaturen hingegen sind, wenn überhaupt, nur schwer oder kostenintensiv zu realisieren. Für diese Aufgaben sind andere Bauweisen dann einfach besser geeignet.
Beim modularen Bauen geben bei allen anderen Entwurfsaufgaben nur die individuellen Abmessungen der Raummodule, die für die Bauaufgabe am sinnvollsten und wirtschaftlichsten sind, gewisse Leitplanken vor. In diesem Gefüge kann sich der Architekt dann sehr kreativ bewegen. Kreativität zeigt sich in der gelungenen Organisation der Funktionen auf Grundrissebene und einer dazu stimmigen – auch zur Identität des Bauherrn – passenden Fassadengestaltung. Und auch hier sind mit der Modulbauweise grundsätzliche viele Gestaltungsaussagen möglich: Das haben wir schon oft am gebauten Beispiel zeigen können.
In der Architekturausbildung kommt das Thema Modulbau so gut wie nicht vor – viele Architekt:innen sind daher mit der Konstruktionsweise überhaupt nicht vertraut. Was muss man neu dazu lernen?
Torsten Prauser: Dass kreatives Entwerfen und strukturiertes, kosteneffizientes Planen Hand in Hand gehen, sollten Studierende schon möglichst früh lernen – das bereitet sie am besten auf die Realitäten der Berufswelt vor. Dazu gehören auch Rasterung, Wiederholbarkeit und das Vermitteln der Möglichkeiten der modularen Bauweise. Momentan kommen diese Themen auf den Lehrplänen noch zu kurz.
Als Modulbauexperten wollen wir darum Pionierarbeit leisten und engagieren uns aktuell an mehreren Hochschulen mit Vorlesungsreihen zu den Vorteilen, den Planungsprinzipien aber auch den Grenzen des modul aren Bauens. Wir geben Antworten auf Fragen wie: Welche Parameter müssen beachtet werden, damit wirtschaftlich vorgefertigt werden kann? Wie geht man mit bauphysikalischen Fragen um?
Im Grunde aber gelten beim modularen Bauen die gleichen Regeln, wie bei anderen Bauweisen. Wichtig ist es, frühzeitig Verständnishürden gegenüber der Bauweise abzubauen – bei Studierenden aber auch bei den Architekten in der Praxis. Nur wenn Planer wissen, was moderne Modulbauweise leisten kann, sind sie in der Lage, uns als Partner zu fordern und rechtzeitig in die Prozesse einzubinden.
Immer noch kommt es zur Verwechslung/Vermischung von Modul- und Containerbauweise. Erklären Sie die Unterschiede.
Torsten Prauser: Die Verwirrung rührt meines Erachtens daher, dass viele Containeranbieter die Begriffe Modul- und Containerbau bewusst vermischen. Das macht es auch für Bauprofis oftmals schwierig, die Systeme auseinanderzuhalten.
Container sind Standardprodukte, die zu Interimsgebäuden zusammengesetzt werden. Sie werden an den Standort geliefert, gestellt und irgendwann wieder demontiert und versetzt – diesem Prinzip ist die Kons-truktion unterworfen. Eine Containerfassade hat immer einen sehr industriellen Charakter, weil sie zerlegbar sein muss und darum niemals fugenlos sein kann. Die Fassadenansicht richtet sich nach den Containermaßen und kann die Stöße nicht überspannen. Damit ist die Gestaltungsindividualität eingeschränkt, doch der Nutzen des temporären Einsatzes ist gegeben. Zerstörungsfreie Demontage und somit die Wiederverwertbarkeit der Container ist hier der vorrangige Sinn.
Modulare Bauten sind hingegen keine temporären Bauten sondern – wie konventionell errichtete Gebäude auch – für „die Ewigkeit“ konzipiert. Es wird mit einem tragfähigen System aus innenliegenden Raummodulen gebaut. Das Traggerüst ist außen nicht ablesbar, denn es wird mit einer Fassade versehen – einem Wärmedämmversbundsystem, einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade, einer Holzfassade, was auch immer Architekten und Bauherren wünschen. Das ist nicht anders als bei anderen konventionellen Bauweisen.
Wir sprechen im Modulbau zwar auch oft von „Wiederverwertbarkeit“, das hat aber eher mit dem Nachhaltigkeitsgedanken zu tun: Am Ende eines Gebäudelebens können Modulgebäude rückstandslos rückgebaut, unter bestimmten Voraussetzungen auch versetzt, bzw. die Module zu einem hohen Prozentsatz recycelt werden.
Wo Sie gerade die Nachhaltigkeit der Modulbauweise ansprechen. Gibt es dabei noch weitere Aspekte?
Torsten Prauser: Was die Rückbaubarkeit und Wiederverwendbarkeit von Materialien angeht, ist ein Modulgebäude wesentlich effektiver als beispielsweise ein Betonbau, der einfach nur abgerissen und es mit der Entsorgung dann oft schwierig wird. Die Materialien, die wir verbauen und verarbeiten sind nahezu vollständig trennbar. Wir verwenden hochwertige Produkte namhafter Markenhersteller, die ihrerseits schon großen Wert auf eine nachhaltige Produktion legen. Auch die Stahlkonstruktion unserer Gebäude ist wiederverwertbar, außerdem können wir sogenannten „grünen“ Stahl für unsere Raummodule nutzen und damit eine umweltverträglichere Stahlherstellung mit Wasserstoff unterstützen.
Da viele Gewerke bei uns in der Werkshalle ausgeführt werden, haben wir auch einen geringen Ressourcenverbrauch und produzieren sehr wenig Abfall. Zudem werden alle Materialien die wir direkt vor Ort benötigen – für die Haustechnik oder den Ausbau – in den Modulen auf die Baustelle transportiert. Auf der Baustelle sind die Arbeiten zudem weniger schmutzintensiv und weitaus geräuschärmer als konventionell und wir brauchen den Rohbau nicht unwirtschaftlich trocknen – auch das schont die Umwelt.
Und: Wir legen Wert auf intelligente Planung. Das heißt, wir analysieren nicht nur, welche Art von Gebäude der Bauherr heute braucht, sondern auch in Zukunft. Die Modulbauweise kommt uns dabei sehr entgegen, weil die Innenwände keine tragende Funktion haben und Grundrisse im laufenden Betrieb sehr unkompliziert und schnell umgestaltet werden können. Das unterscheidet uns doch sehr deutlich vom konventionellen Bauen und ist ein echter Nachhaltigkeits-Vorteil.
Wie kann ich als Architekt:in meinen Bauherren überzeugen, dass Modulbau für sein Bauvorhaben die bessere Lösung ist?
Torsten Prauser: Ich habe generell ein Problem damit, jemanden von irgendetwas „überzeugen“ zu müssen. Wir sind ein Bauunternehmen, das sehr gute Architektur machen kann. Dass das in modularer Bauweise geschieht, ist eher zweitrangig. Vielmehr geht es uns darum, genau zuzuhören, den Bauherren ernst zu nehmen, seine Wünsche und Erwartungen zu analysieren und herauszufinden, was genau er braucht – um dann durch tolle, nachhaltige Planung zu überzeugen.
Wenn Teile des Bauwerks in einer anderen Bauweise oder mit einem anderen Material wirtschaftlicher oder besser zu lösen sind, ergänzen wir unseren Modulbauteil mit eben dieser Leistung. So kann etwa die Aula einer Schule, die der Architekt aus gestalterischen Gründen als freie, geschwungene Grundrissform wünscht, in Stahlbetonbauweise realisiert werden. Die restlichen Bauteile ergänzen wir dann wirtschaftlich, schnell und kreativ mit unseren Raummodulen.
Es gibt objektive Vorteile der Modulbauweise, die sich in den Köpfen immer mehr verankern: die Schnelligkeit auf der Baustelle, die Bauwerksqualität durch die witterungsunabhängige Fertigung im Werk, die frühere Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes durch den Bauherrn. Wo immer es Sinn macht, setzen wir diese Vorteile für unsere Kunden ein. Überzeugungsarbeit ist gar nicht notwendig.
Ich muss mich beim Bauen mit Modulen also gar nicht auf ein Material festlegen und auch Kombinationen sind möglich?
Torsten Prauser: Wir setzen die Modulbauweise nur dann ein, wenn sie zu den Anforderungen der Bauaufgabe passt. Ansonsten kombinieren wir sie mit Bauteilen aus anderen Materialien. Nicht jedes Projekt ist ein reiner Modulbau. Es muss Sinn ergeben!
Materialkombinationen sind manchmal schon allein aus Gründen des Brandschutzes, der Haustechnik oder aus anderen Anforderungen heraus gegeben. So gibt es Projekte, bei denen es notwendig wird, dass ALHO auch Leistungen wie zum Beispiel der Bau eines Kellers oder einer Tiefgarage mit übernimmt, weil der Bauherr den Bau seines Gebäudes aus einer Hand haben möchte. Oder er hat bestimmte Gestaltungsvorstellungen: Im Feuerwehr-Trainingszentrum in Düren haben wir zum Beispiel die Sheddach-Konstruktion über einem repräsentativen Atrium in sichtbarer Holzbauweise erstellt, weil es besonders einladend und wohnlich wirken sollte.
Die entscheidenden Fragen sind immer: Was will der Bauherr? Wie können wir das erreichen? Womit sind wir kostengünstig und schnell?
Welche Einsatzgebiete und Potenziale sehen Sie für den Modulbau der Zukunft?
Torsten Prauser: Im Wohnungsbau sehe ich für die Modulbauweise ein sehr hohes Potenzial, in der Schulbau-Architektur ebenso. Kostenvorteile, Schnelligkeit, risikoarme, termintreue Planbarkeit, Flexibilität während der Nutzung – vor allem kommunale Auftraggeber und Wohnungsbaugesellschaften setzen vermehrt auf diese Aspekte. Aber auch privatgewerbliche Bauherren können sich das zunutze machen: Ich denke beispielsweise an die Konzeption und den Bau von Hotelanlagen oder innovativen, anpassungsfähigen Bürogebäuden.
BIM-Planung, Digitalisierung und auch die Automatisierung in der Werksfertigung im Sinne von Arbeitserleichterung für die Mitarbeiter sind wichtige Themen für uns. Hier entwickeln wir uns stetig weiter und verbessern unsere Prozesse. So gesehen sind wir für Architekten, Bauingenieure und Bauzeichner und auch für Handwerker aller Gewerke ein attraktiver Arbeitgeber. Es wäre schön, wenn unsere Begeisterung für gute Architektur auf diese Menschen überspringt und sie mit uns zusammen neue Projekte realisieren wollen. Ich sage bewusst „gute Architektur“, denn das ist es, was uns antreibt: Wir bauen – und das hat immer mit Kreativität, Leidenschaft und Herzblut zu tun – egal in welcher Bauweise.