Mehr Aufenthaltsqualität, weniger Verdichtung
Mit dem Buchholzer Grün entsteht in Hannover auf dem Areal eines rückgebauten Krankenhauses ein neues Quartier mit 400 Wohnungen. Die Planungsgrundlage lieferte das Architekturbüro morpho-logic, das vor allem die hausnahen Qualitäten des Außenraumes in den Vordergrund stellte – als bedeutenden Teil einer zukunftsfähigen Stadtplanung.
Der Wettbewerb um die Masterplanung für das neue Quartier, initiiert von der Landeshauptstadt Hannover und der hanova WOHNEN, fand bereits 2013 statt. Fragt man Architekt Michael Gebhard, worin die Zielsetzungen bestanden, so erinnert er sich: „Die Anforderungen waren unter anderen die eines attraktiven und lebendigen Wohnquartiers.“ Obwohl diese Formulierung in zahlreichen Wettbewerbsauslobungen zu finden ist, gestaltet sich die Umsetzung jedoch oftmals schwierig.
Allzu viele Quartiere seien schon in ihrer Konzeption zu sehr nur auf die zum Zeitpunkt des Planungsbeginns vorherrschenden Randbedingungen geplant, bestätigt Gebhard. Die Folge sei eine zu geringe konzeptionelle Offenheit, um auf Veränderungen und Entwicklungen im eigenen Umfeld reagieren zu können. Um die Zukunftsfähigkeit der Planung gewährleisten zu können, sei die Schaffung von Alltagsqualität beim Entwurf für das heutige Buchholzer Grün daher ein essenzielles Anliegen gewesen und konnte auch die Auftraggeberinnen überzeugen.
Zusammenleben braucht Kommunikation
„Alltagsqualität bedeutet für uns, dass wir versuchen, für die tagtäglichen Aktivitäten aller Stadtbewohner*innen Räume bereitzustellen, die über das übliche quantitative sowie funktionale Minimalangebot weit hinausgehen“, erklärt Gebhard. So wurden von den insgesamt 70.000 m2, die zur Verfügung standen, gerade einmal 32.000 m2 bebaut, zugunsten von quartiersprägenden Angern: Großzügige, multifunktionale Freiräume, die allen hausnahen Aktivitäten einen Platz bieten, und für alle Bewohner*innen ein offenes Angebot darstellen sollen.
Mit diesem Gestaltungsmittel gibt morpho-logic einen Impuls für den Umgang mit dem massiven Raumdefizit für hausnahe Kommunikationsräume, das in vielen Bereichen von Städten herrscht. „Ein wesentlicher Faktor unseres Zusammenlebens ist die lokale Kommunikation, die durch die Pandemie stark eingeschränkt wurde. Sie hat uns vor Augen geführt, wo in unserem Alltag räumliche Prioritäten gesetzt sind und wo nicht“, so der Architekt.
Vom Stadthaus bis zum Mehrgeschosser
Mit Lockerungen, Verdichtungen und Höhenakzentuierungen reagieren die Gebäude auf den umgebenden Bestand. Während sich die Bebauung nach Westen und Süden in Richtung des Mittellandkanals auflockert, verdichtet sie sich nach Norden um dem Lärm der stark befahrenen Podbielskistraße entgegenzuwirken. Noch in diesem Jahr sollen auch die letzten Bauabschnitte fertiggestellt werden. Insgesamt entstehen hier 400 Wohnungen – 25 Prozent davon sind öffentlich gefördert.
Bei den Gebäudetypologien entschied sich das Team von morpho-logic für einen Mix aus mehrgeschossigen Wohngebäuden sowie Stadthäusern. Hinzu kommt ein Bürogebäude am nördlichen Rand des Grundstücks sowie eine im Süden gelegene Kita. Die ehemalige Krankenhauskapelle wird, als jetzt freistehender Baukörper, zum Teil der neuen Gestaltung.
Liebe zum Detail
Um über den Mix der Typologien hinaus zusätzliche Individualität zu schaffen, wurde das gesamte Gebiet in Cluster unterteilt. Ihre Planung wurde im Rahmen mehrerer Wettbewerbe vergeben, ebenfalls durchgeführt von der hanova WOHNEN. Das Ergebnis sind Gebäude, die ihren Bewohner*innen mit Dachterrassen, Loggien und Balkonen über die Anger hinweg eine hohe Wohnqualität bieten. Ihre Backsteinfassaden schaffen ein ortstypisches, einheitliches Erscheinungsbild, unterscheiden sich jedoch in ihrer Farbigkeit und zum Teil fein ausgearbeiteten Ornamenten und Reliefs.
So auch der viergeschossige Wohnungsbau von Westphal Architekten BDA mit Sitz in Bremen, der im Auftrag des Spar und Bauverein eG errichtet wurde. Während die geschlossene Gestalt des Erdgeschosses durch ihre strukturelle Fassade belebt wird, öffnen sich die folgenden drei Geschosse zum Anger auf der Südseite. Sechs mal drei große Rahmen unterteilen das kompakte Gebäude und umfassen jeweils eine Wohnung. Zudem begrenzen sie die Außenbereiche der Wohnungen und heben sich mit einer anthrazitgrauen Vorhangfassade von der ansonsten orangeroten Farbgebung ab.
Zukunft ganzheitlich gedacht
Die tragende Basis für die abwechslungsreiche Fassadengestaltung bildet hier, wie auch bei einem Großteil der restlichen Neubauten, das großformatige Kalksandstein-Bausystem KS-PLUS von KS-Original (www.ks-original.de). Aufgrund der örtlichen Nähe des KS-Werkes zum Baugebiet konnten die Steine kurzfristig und zuverlässig, entsprechend des aktuellen Bauabschnitts geliefert werden. Auf der Baustelle angekommen, sorgten einfach bedienbare Versetzgeräte für einen schnellen und kräfteschonenden Baufortschritt. So konnten in nur einem Hub bis zu 0,65 Quadratmeter Mauerwerk versetzt werden. Da die Steine werksseitig vorgefertigt und entsprechend der projektspezifischen Planung zugeschnitten wurden, entfiel auch das aufwendige Sägen vor Ort.
Aus den drei natürlichen Rohstoffen Kalk, Sand und Wasser hergestellt und unter Wasserdampfdruck bei circa 200°C gehärtet, besitzen die Kalksandsteine zudem eine besonders hohe Rohdichte und Druckfestigkeit. Die daraus resultierende Lebensdauer der Gebäude von weit über 100 Jahren macht das Quartier daher nicht nur aus stadtplanerischer, sondern auch aus konstruktiv-nachhaltiger Sicht zukunftsfähig.