Timing ist alles
Der ehrenamtliche BFW-Präsident Dirk Salewski spricht Klartext.
Vieles scheint zurzeit auf dem Kopf zu stehen. Das liegt zum einen an den Umständen, die die Verwerfungen der Pandemie und der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine in unserer Wirtschaft und Gesellschaft erzeugt haben. Zum anderen liegt es aber auch an einer gewissen Hilflosigkeit, so scheint mir.
Wir stehen vor der Herausforderung, nicht genug bezahlbaren Wohnraum in Deutschland zu haben. Was also tun? Die Bauwirtschaft rät dazu, Hürden abzubauen, Verfahren zur Genehmigung zu beschleunigen und alle Kosten zu senken, die reduzierbar sind. Klingt vernünftig und ist es auch. Denn wenn 700.000 Wohnungen fehlen, dann erscheint es vollkommen logisch für mehr Angebot zu sorgen.
Was passiert aber stattdessen? Es wird der Versuch gemacht, den Markt einzufrieren und damit jegliche Dynamik auszubremsen und damit eben auch Wohnungswechsel zu verhindern. Nun soll es ein Mietenstopp richten. Ich prophezeie, das wird die Gesamtsituation nicht ändern. Das ist Politik für Habende und gegen die, die eine Wohnung suchen. Interessanterweise kommen die Vorschläge dazu von Parteien, die sich selbst als progressiv wahrnehmen. Dabei sind ihre Vorschläge im Kern konservativ. Sie bewahren, was ist. Der Status Quo wird eingefroren. Der Mangel wird zum Standard. Progressiv wäre es doch sich mutig der Herausforderung zu stellen und neue Wege zu wagen. Leider kommen immer wieder die immergleichen Vorschläge und Rezepte zum Vorschein, die sich bereits in der Vergangenheit als untauglich erwiesen haben.
Im Moment ist es doch wohl zentral, das Wohnungsangebot zu erhöhen. Wir erleben gleichzeitig vermehrt Insolvenzen bei Baufirmen und Wohnungsunternehmen und damit verbunden den Verlust von Fachkräften. Doch wie soll mehr gebaut werden mit weniger Kräften? Wie soll überhaupt gebaut werden, wenn sich die durch Vorgaben verteuerten Neubauten kein Mensch leisten kann? Weder für die Unternehmen noch für die normalverdienenden Familien ergibt das Sinn.
Eigentlich ist Timing alles. Im Sport zählt es genauso wie in der Wirtschaft und wie in der Politik. Auch hier kommt es auf den guten, richtigen Zeitpunkt an. Wann meldet jemand seine Kandidatur an. Wann wird welches Thema groß angesprochen. Wann wird ein Vorschlag gemacht. Beim Thema Bezahlbarer Wohnraum und der Krise beim Wohnungsbau wurde jede Zeitmarke gerissen. Absehbar war der Absturz seit vergangenem Jahr. Leider wurde nicht reagiert. Und damit wurde Zeit vergeudet!
Es könnte daran liegen, dass zu wenige Ingenieure, Architekten und Bauplaner im Deutschen Bundestag sitzen. Deshalb sollten die Fachpolitiker den externen Praktikern mehr zuhören.
Auch das „Wie“ ist natürlich entscheidend. Wird der richtige Ton getroffen, um eine entsprechende Resonanz zu erzeugen oder eben nicht, weil der angeschlagene Ton daneben geht. Die Kommunikation um die Novelle des Gebäudeenergiegesetz war suboptimal. Erreicht wurde die maximale Verwirrung durch unklare Vorgaben und Ausnahmetatbestände, die willkürlich erschienen. Erreicht wurde damit, dass noch mehr Menschen verunsichert wurden.
Alle wollen im Grunde das Gleiche: Wir wollen alle in einem starken Land leben mit verantwortungsvollem Klimaschutz und ausreichend guten und bezahlbaren Wohnraum. Leider haben dabei nicht alle die Brille der Wirtschaftlichkeit auf. Denn Realität ist, dass heute ein Quadratmeterpreis von 20 Euro erreicht wird, aufgrund von vielen teuren Vorgaben, deren Sinnhaftigkeit manchmal, sagen wir, zweifelhaft ist.
Finden wir gemeinsam auf die Fragen Antworten, dann können wir viel erreichen. Mit Sachverstand, Augenmaß und Vernunft. Wir sind es der Zukunft schuldig.