Vorbeugen ist besser als sanieren
Das Bakterium Pseudomonas aeruginosa ist von hoher gesundheitlicher Relevanz in Gesundheitseinrichtungen. Durch seine geringen Nährstoffansprüche kann es produktionsfrische Oberflächen besiedeln. Über die Trinkwasserinstallation stellt es dann für Menschen mit geschwächtem Immunsystem ein gesundheitliches Risiko dar.
Die gute Nachricht vorweg: Mittlerweile weiß man viel über die Ursachen einer Kontamination von Trinkwasserinstallationen mit Pseudomonas aeruginosa. Damit können nun auch erstmalig Vermeidungsstrategien und mögliche Ansätze zur Sanierung betroffener Installationen beschrieben werden. Dazu hat im Juli 2023 der DVGW mit dem DVGW W 551-4 erstmalig ein Regelwerk als Entwurf veröffentlicht. Darüber hinaus wurde vom DVGW bereits im Juni das Merkblatt W 551-7 „Herstellung, Inverkehrbringen, Transport, Lagerung, Montage und Inbetriebnahme von Druckerhöhungsanlagen als fertige Aggregate“ veröffentlicht, dass ebenfalls Kontaminationen mit Pseudomonas aeruginosa minimieren wird.
Neue Regelwerksreihe beim DVGW
Traditionell beschäftigt sich der DVGW mit der Hygiene in der Trinkwasserinstallation. Vor allem die beiden Arbeitsblätter W 551 und W 553 sind in Fachkreisen, aber mittlerweile auch darüber hinaus bekannt. Denn insbesondere das DVGW W 551 „Technische Maßnahmen zur Verminderung des Legionellenwachstums“ ist die allgemein anerkannte Regel der Technik (a. a. R. d. T.) und damit Grundlage jeder Bewertung und Sanierung von mit Legionella kontaminierten Trinkwasserinstallationen. Während das DVGW W 553 „Bemessung von Zirkulationssystemen in zentralen Trinkwassererwärmungsanlagen“ in Kürze in der DIN 1988-300 aufgehen wird und damit zur Verschlankung des Regelwerks beiträgt, fasst nun der DVGW weitere existierende und neue Regelwerke unter dem “Markennamen W 551“ zusammen. Diese Regelwerksreihe heißt dann DVGW W 551-X: Ausgabedatum „Hygiene in der Trinkwasserinstallation“ und danach kommt der eigentliche Titel.
Inhalte der neuen DVGW W 551-Regelwerksreihe
Den „Markenkern“ dieser neuen DVGW W 551-X Reihe bildet das bewährte DVGW W 551 „Legionella“. Es ist aktuell in Überarbeitung und wird dann DVGW W 551-1 heißen. Es wird gefolgt von den bereits erschienenen DVGW W 551-2 und DVGW W 551-3, bei denen es sich um den inhaltlich unveränderten Ersatz für das DVGW W 556 und DVGW W 557 handelt.
Danach folgt das DVGW W 551-4 „Hygiene in der Trinkwasserinstallation – Teil 4: Verhütung, Erkennung und Bekämpfung von Kontaminationen mit Pseudomonas aeruginosa in TrinkwasseriInstallationen“. Damit gibt es nun erstmalig ein Regelwerk zu diesem gesundheitsrelevanten Bakterium mit Bezug zu Trinkwasserinstallationen. Es ist davon auszugehen, dass dieses neue DVGW W 551-4 kurzfristig für Pseudomonas aeruginosa denselben Stellenwert erlangen wird, wie das heutige W 551 für Legionella.
Leitbakterien der Trinkwassergüte: Legionella und Pseudomonas aeruginosa
Mittlerweile gelten die Bakterien Legionella spec. und P. aeruginosa als Leitbakterien für einwandfreie Trinkwassergüte: Werden sie in einem definierten Wasservolumen nicht oder nur in geringen Konzentrationen (Legionella) nachgewiesen, gilt das Trinkwasser als mikrobiologisch unauffällig. Für P. aeruginosa in Trinkwasserinstallationen gibt es lediglich eine Untersuchungspflicht in Gesundheitseinrichtungen und in Kitas mit Kleinkindbetreuung gemäß einer Empfehlung des Umweltbundesamtes, aber nicht als Parameter der Trinkwasserverordnung. Beiden Bakterien gemeinsam ist, dass sie fakultativ pathogen sind. Das heißt, sie werden selbst in hohen Konzentrationen nicht immer zu einer Erkrankung führen oder in niedrigen zu keiner, stellen aber für bestimmte Nutzergruppen und vor allem in Gesundheitseinrichtungen ein erhöhtes Risiko dar. Beispielsweise ist Pseudomonas aeruginosa der wesentliche Risikofaktor für Menschen, die an Mukoviszidose (Zystischer Fibrose) erkrankt sind.
Das ist das Besondere an Pseudomonas aeruginosa
Pseudomonas aeruginosa hat im Gegensatz zu Legionella äußerst geringe Nährstoffansprüche. Damit kann es, wiederum im Gegensatz zu Legionella, produktionsfrische Oberflächen besiedeln. Darüber hinaus bildet es einen ausgeprägten Biofilm. In diesem Biofilm, also in dieser wässrigen schleimigen Matrix, ist es gut gegen Austrocknung geschützt und nicht vollständig von chemischen Desinfektionsmitteln bzw. von unserem Immunsystem erreichbar.
Die Achillesferse von Pseudomonas aeruginosa in Trinkwasserinstallationen ist jedoch seine Wettbewerbsschwäche. Diese erschwert ihm eine übermäßige Vermehrung in Installationen, in denen bereits eine normale Oberflächenbesiedlung mit ganz normalen Bakterien vorliegt. Diese Bakterien werden gemäß Trinkwasserverordnung als „Koloniezahl“ erfasst (Anlage 3, Indikatorparameter Teil 1, TrinkwV 2023). Sie werden je nach Nachweismethode entweder als 100 KBE/ml oder als „ohne anormale Veränderung“ bewertet. Das heißt, in üblicher Anzahl haben sie lediglich eine Indikatorfunktion und keine gesundheitliche Relevanz. In neuen Bauteilen/Installationen gibt es diese Bakterien jedoch noch nicht in ausreichender Anzahl, um die Vermehrung von P. aeruginosa einzuschränken. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass vor allem neue Bauteile bzw. Trinkwasserinstallationen von einer Besiedlung mit Pseudomonas aeruginosa betroffen sind. Das heißt aber nicht, dass sie in besonderen Fällen nicht auch in älteren Installationen nachgewiesen werden.
Grundsätzlich erfolgt der Nachweis lediglich in Kaltwasser-Installationen, da es bei rund 45°C abstirbt. Weiterhin ist aus empirischen Studien bekannt, dass Pseudomonas aeruginosa vorrangig in den Sommermonaten nachgewiesen wird, wenn die Temperaturen über 25°C betragen.
So kommt Pseudomonas aeruginosa in neue Bauteile
Eine Trinkwasserinstallation in Gebäuden wird nur in seltenen Fällen über die Wasserversorgung kontaminiert, zum Beispiel durch Bauarbeiten. Der weitaus bedeutendere Eintragspfad sind produktionsseitig besiedelte Bauteile. Daher liegt die Frage nahe, warum nicht alle Bauteile im Produktionsprozess trocken geprüft werden, bei denen dies grundsätzlich möglich ist. Immerhin geht dies ja auch später bei der trockenen Dichtheits- und Belastungsprüfung von Trinkwasser- und Gasinstallationen mit hoher Zuverlässigkeit. Es gibt aber auch Bauteile, die sich nicht trocken prüfen lassen, da werkseitige Einstellvorgänge mit Wasser erfolgen müssen. Beispiele für solche Produkte sind Sicherungsarmaturen und Druckerhöhungsanlagen.
Sie müssen daher vom Hersteller mit mikrobiologisch einwandfreiem Wasser geprüft und anschließend gegen eine übermäßige Vermehrung von unvermeidbaren Bakterien geschützt werden – beispielsweise durch Desinfektionsmaßnahmen und Handlungsempfehlungen für den Fachhandwerker am Einbauort. Grundsätzlich sollte ein Probebetrieb oder eine Inbetriebnahme solcher Bauteile maximal 72 Stunden nach Auslieferung vom Hersteller erfolgen, was eine besondere Herausforderung für die Praktiker darstellt. Manchmal sind noch vor Ort erneut Desinfektionsmaßnahmen notwendig, die der Hersteller nass geprüfter Produkte empfehlen oder sogar durchführen kann.
Zudem gibt es noch immer Hersteller, die zwar ihre Produkte trocken prüfen könnten, es aber noch immer nicht tun. Vor diesem Hintergrund ist es empfehlenswert, bereits in der Planungsphase im allgemeinen Teil des Leistungsverzeichnisses grundsätzlich Produkte mit hygienisch einwandfreien Oberflächen zu fordern. Beispielsweise kann man sich dazu an den Formulierungen des DVGW 551-4 oder des VDI 6023 Blatt 1 orientieren.
Risiken minimieren bei der Inbetriebnahme
Sinnvollerweise geht der Fachhandwerker bei der Inbetriebnahme großer Gebäude schrittweise vor: Zunächst wird der in der Bauphase nur unzureichend genutzte Hausanschluss gespült und beprobt. Ist hier das Trinkwasser einwandfrei, wird die Technikzentrale gefüllt, gespült und beprobt. Ist auch hier alles in Ordnung, kann die Trinkwasserinstallation im Gebäude befüllt werden. Wer schon mal die Kosten einer Sanierung einer kontaminierten Installation zu verantworten hatte, wird in einem größeren Gebäude wahrscheinlich nie wieder anders vorgehen.
Pseudomonas aeruginosa positiv – das ist zu tun
Wesentlich für den Sanierungserfolg ist das Erkennen und Beseitigen der Kontaminationsquelle. Liegt an der überwiegenden Anzahl der Entnahmestellen eine Kontamination vor, ist von einem zentralen Problem auszugehen. Dafür kommen der Hausanschluss und die Technikzentrale in Frage. Sinnvollerweise trägt man daher alle Befunde in ein Strangschema ein. So erkennt man beispielsweise eine kontaminierte Druckerhöhungsanlage daran, dass lediglich die über sie versorgten Bereiche der Trinkwasserinstallation kontaminiert sind, also lediglich einige Etagen eines Gebäudes.
Wenn nur einige Entnahmestellen kontaminiert sind, kann durch eine gestaffelte Probennahme überprüft werden, also z. B. nach je 3 und 5 Litern Ablauf, ob sie selber die Ursache der Probleme sind oder ob die Kontamination weiter vorn in der Trinkwasserinstallation liegt. Manchmal endet dann die Kontamination bereits am Kleinstdurchlauferhitzer, da Pseudomonas aeruginosa wärmeliebend ist. Immer aber ist zu hinterfragen, was die Ursache einer Kontamination ist und was lediglich zum „Opfer“ einer vorgelagerten Kontamination wurde.
Erfolgsaussichten einer Desinfektion
An dieser Stelle muss betont werden, dass eine (chemische) Desinfektion nur selten die Ursache einer Kontamination beheben kann. In aller Regel muss erst die Ursache gefunden und beseitigt werden. Danach kann, muss aber nicht in jedem Fall eine Desinfektion auch den Fließweg „freiputzen“: Aber ohne einen regelmäßigen Wasserwechsel über alle Entnahmestellen gelingt weder eine Sanierung noch ein hygienisch sicherer Betrieb. Denn regelmäßige Wasserwechsel sorgen dafür, dass sich „gute“ Bakterien verstärkt ansiedeln und Pseudomonas aeruginosa erliegt seiner Wettbewerbsschwäche.
Sind Desinfektionsmaßnahmen notwendig, stellt sich die Frage nach der Art der Desinfektion: chemisch oder thermisch? Aus Sachverständigensicht gibt es eine klare Antwort: Aufgrund des Biofilms, in dem sich Pseudomonas aeruginosa versteckt und von chemischen Desinfektionsmitteln nicht vollständig abgetötet wird, ist die thermische Desinfektion die Methode der Wahl. Denn Wärme durchdringt jeden Biofilm und erreicht über die Wärmeleitfähigkeit der Werkstoffe auch Bereiche in Bauteilen, die nicht direkt angeströmt und damit vom Desinfektionsmittel nicht erreicht werden. Aus Biofilm oder unzureichend desinfizierten Bereichen heraus kann sonst eine Rekontamination der Installation erfolgen.
Fazit
Obwohl die Bedeutung von Pseudomonas aeruginosa Medizinern schon seit dem Jahr 1900 und damit 77 Jahre länger als Legionella bekannt ist, entstehen erst jetzt die ersten Regelwerke, die sich an Planer, Handwerker und Betreiber richten und ihnen eine klare Orientierung bieten. Dies liegt daran, dass erst relativ spät die Bedeutung des Trinkwasserpfades für eine Besiedlung von Patienten erkannt wurde: Dazu wurden von Prof. Trautmann die Auslassstellen von Armaturen mit Sterilfiltern versehen. In der Folge sank die Anzahl besiedelter Patienten um mehr als 70 %.
Darüber hinaus wissen wir nun um die Bedeutung produktionsseitig kontaminierter Bauteile für die Trinkwasserqualität in Gesundheitseinrichtungen. Damit können einfache und effiziente Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit prophylaktisch ergriffen werden. Die Anwendung dieses Wissens, zusammengefasst im DVGW W 551-4 und 7, sollte zu einem deutlichen Rückgang kontaminierter Trinkwasserinstallationen in Gesundheitseinrichtungen führen.
„Pseudomonas aeruginosa“
Jede zweite in Gesundheitseinrichtungen erworbene Lungenentzündung ist auf dieses Bakterium zurückzuführen, jede dritte Harnwegsinfektion und jede achte Blutvergiftung. Weiterhin ist fast jeder Siphon mit Pseudomonas aeruginosa besiedelt. Es gibt also gute Gründe, sich mit diesem für die Branche noch weitgehend unbekannten Bakterium zu beschäftigen.