Zwischen notwendigen Investitionen und moderaten Mieten
19,3 Mio. Euro: Auch in schwierigen Zeiten verbuchte die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW) im vergangenen Jahr ein positives Ergebnis. Damit liegt Hessens größtes Wohnungsunternehmen allerdings 3,6 Mio. Euro unter dem Vorjahreswert.
„Die NHW steht vor größeren wirtschaftlichen Herausforderungen als der Überschuss vermuten lässt“, erläuterte der Leitende Geschäftsführer Dr. Thomas Hain auf der Bilanzpressekonferenz in Wiesbaden. Das Ergebnis lasse sich auf besondere Effekte aufgrund geringerer Ausgaben für Instandhaltung und aktivierter Bauzinsen zurückführen. „In diesem und den kommenden Jahren werden uns vor allem die gestiegenen Kapitalmarktkosten beschäftigen. Es wird schlicht zunehmend schwieriger und teurer, Fremdkapital bei den Banken aufzunehmen. Gleichzeitig haben wir einen zunehmenden Investitionsbedarf für die klimaneutrale Entwicklung des Wohnungsbestandes und auch in den dringend benötigten Neubau in den Ballungsräumen“, sagte Hain.
Teil der sozial orientierten Wohnungswirtschaft
„Bezahlbares Wohnen als eine Frage der sozialen Gerechtigkeit ist für die hessische Landesregierung von allerhöchster Priorität", erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende und Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori. „Die NHW ist Teil der sozial orientierten Wohnungswirtschaft in Hessen. Ihre Aufgabe ist die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums für breite Schichten der Bevölkerung – das ist und bleibt ihr Auftrag.“ Mit einer durchschnittlichen Bruttokaltmiete von 6,66 Euro pro Quadratmeter gehöre sie hessenweit zu den preisgünstigsten Anbietern von Wohnraum. Selbst in Regionen mit hoher Nachfrage und entsprechend angespannten Märkten liege man deutlich unter der marktüblichen Durchschnittsmiete.
Die Wohnsituation von einkommensschwachen Haushalten liege dabei in besonderem Interesse der Landesregierung. „Ich habe daher im Februar 2024 darum gebeten, die geplanten Mieterhöhungen bei der NHW vorübergehend auszusetzen. Momentan befinden wir uns in intensiven Gesprächen hinsichtlich einer Nachfolgeregelung der zu Jahresbeginn ausgelaufenen Mietenstrategie der NHW. Wir wollen der NHW Einkünfte aus dem Bestand ermöglichen, die sie für Investitionen in Neubau und Modernisierung benötigt, ohne die Haushalte mit geringerem Einkommen bei Mieterhöhungen zu überfordern“, so der Minister.
Ziel der Landesregierung ist es, dass alle Hessinnen und Hessen bezahlbaren Wohnraum in angemessener Qualität finden. Dazu braucht es mehr Wohnungsbau, der insbesondere den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft zugutekommt. „Diese Investitionen in den geförderten Wohnungsbau wollen wir deshalb weiter stärken, und die Unternehmensgruppe ist dabei für das Land ein ganz entscheidender Partner“, erläuterte der Minister.
Die NHW (www.nhw.de) befindet sich im Neubau derzeit – entgegen dem Branchentrend – noch in einer Wachstumsphase, weil sie bis 2022 viele Projekte in die Planung und in die Umsetzung gebracht hat. 3.100 Wohnungen sind aktuell in Bau und Planung. Weitere 550 Wohnungen wurden bereits 2023 fertiggestellt. „Wir werden alles dafür tun, dass in den nächsten Jahren weitere Neubauprojekte in Angriff genommen werden können. Die NHW soll auch zukünftig in den Neubau investieren, ohne dabei die notwendigen Modernisierungen im Bestand zu vernachlässigen. Das ist und bleibt unser großer Ansporn, auch in wohnungswirtschaftlich herausfordernden Zeiten“, bekräftigte Mansoori.
Projektentwicklung hat noch Potenzial in den Quartieren
Für den Moment sei man in der Projektentwicklung noch gut ausgelastet, ab 2028 werde es schwieriger. „Projekte, die in der Entwicklung schon im Wesentlichen abgeschlossen sind, wie der Neubau von 150 auch zu 30 Prozent geförderten Wohnungen in Fulda Waidesgrund, übergeben wir jetzt an den Neubau“, so der für Projektentwicklung und Immobilienwirtschaft zuständige Geschäftsführer Dr. Constantin Westphal. Der Fokus in der Projektentwicklung liege zukünftig erst einmal in der Innenentwicklung der eigenen Bestände durch Quartiersergänzungen. Hier biete sich noch einiges an Potential, das man jetzt erst einmal heben wolle.
„Das Geschäft verstehen und können wir. In den letzten 20 Jahren haben wir so bereits rund 1.300 Wohnungen im Bestand entwickelt. In Hanau-Erlensee planen wir beispielsweise in der Markwaldsiedlung derzeit rund 160 neue Wohnungen, davon 30 Prozent gefördert, und wollen dabei 32 Wohnungen vollmodernisieren. Das Quartier bietet den Platz und wir sparen den teuren Grundstückankauf, was der Wirtschaftlichkeit des Projekts entgegenkommt“, so Westphal.
Das Vermietungsgeschäft laufe aufgrund der hohen Nachfrage schnell und reibungslos. Über 400 Wohnungen habe man in Frankfurt, Hanau und Wiesbaden in kürzester Zeit in die Vollvermietung gebracht. Der Vertrieb von Eigentumswohnungen komme dagegen erst langsam und auf niedrigem Niveau wieder in Schwung. „Zurzeit sind wir nur im Frankfurter Schönhofviertel im Eigentumsvertrieb und testen den Markt. Wir haben mit Preisabschlägen bis zu acht Prozent auf die verhaltene Nachfrage reagiert. Wir spüren durchaus Interesse, aber vor der finalen Unterschrift scheuen die Kunden noch“, sagte Westphal.
Der Ausbau der E-Mobilität in den Quartieren werde mit Car- und E-Bike-Sharing-Stationen ebenfalls weiter vorangetrieben. Entsprechende Rahmenverträge mit den Dienstleistern stadtmobil, book-n-drive und sigo green böten den Mietern einheitliche Standards und einen einfachen Zugang zu umweltfreundlicher Mobilität. Mit dem Aufbau des eigenen Handwerkerservices komme man gut voran. 38 neue Mitarbeiter, vor allem Maler, Schreiner, Elektriker und Fliesenleger habe man 2023 begrüßen können. Auch erste Ausbildungsverträge seien in dem Bereich schon abgeschlossen worden, damit habe man die Palette der Ausbildungsberufe noch einmal deutlich ausgebaut. Das sei ein wichtiger Baustein für schnelleren Kundenservice vor Ort und sichere bei Mieterwechseln eine schnelle Wiedervermietung der Wohnungen.
Die 2023 abgeschlossene Kooperation mit Vodafone biete den Mietern der NHW eine zukunftssichere und hochwertige Multimediaversorgung mit Glasfasertechnik. Westphal: „In unseren Quartieren wird Highspeed-Internet Standard mit allem, was es heute zu bieten hat.“ Zudem seien mit den großen Mobilfunkanbietern Rahmenverträge zum Ausbau der 5G-Technologie vereinbart worden. Dank einer Kooperation mit DHL konnten zunächst zehn Quartiere mit Packstationen ausgerüstet werden. „Auch das gehört heutzutage zur Wohnqualität dazu“, so Westphal.
Erfolgreichstes Jahr für den Neubau seit mehr als zehn Jahren
„2023 war mit einem Investitionsvolumen von rund 153 Millionen Euro das erfolgreichste Jahr für den Neubau seit über zehn Jahren. In diesem Jahr haben wir das erste Mal die Zahl von 60.000 Wohnungen überschritten. Wir haben Richtfeste für rund 1.000 Wohnungen gefeiert, erste Wohnungen im Frankfurter Schönhofviertel werden demnächst schon bezogen“, erklärte Monika Fontaine-Kretschmer, die technische Geschäftsführerin der NHW. Sie freue sich, dass die Neubauprojekte auch in der Fachwelt hohe Anerkennung fänden.
So habe das Projekt GustavsHof in Offenbach mehrere, darunter auch eine internationale, Auszeichnungen erhalten. Das Projekt Mainhöhe Kelsterbach sei erst kürzlich mit dem im-Award in der Kategorie Social Responsibility ausgezeichnet worden und für den Waldschulbogen in Frankfurt erhalte man noch in diesem Jahr die DGNB-Zertifizierung in Platin und das bei einem Anteil von 85 Prozent an geförderten Wohnungen.
Dabei profitiere die NHW aus der jüngeren Vergangenheit, denn Finanzierung, Bauverträge für diese Bauprojekte hätte das Unternehmen vor 2022 abgeschlossen. Tatsächlich sind die Baukosten und Bauzinsen seit 2022 massiv gestiegen. Die Baupreise sind zwischenzeitlich doppelt so stark gestiegen wie die Verbraucherpreise und die Kosten für die Finanzierung von Bauvorhaben haben sich vervierfacht. Einige Projekte könne man im Moment gar nicht an den Start bringen, weil sie wirtschaftlich nicht darstellbar seien, obwohl der Bedarf nach wie vor hoch sei. „Um in den Neubau wieder mehr Bewegung zu bringen, benötigt die NHW verlässliche Fördermaßnahmen des Bundes sowie ein besseres Zinsniveau“, so Fontaine-Kretschmer.
Investitionen in den Bestand müssen auf das CO₂-Konto einzahlen
Das gelte 1:1 natürlich auch für Investitionen in die Modernisierung und Instandhaltung der eigenen Bestände. Insgesamt habe Hessens größtes Wohnungsunternehmen 2023 rund 149 Millionen Euro investiert. Der größte Teil davon floss in die Modernisierung von 850 Wohnungen. Damit wurden 70 Prozent oder rund 2.300 t an CO₂-Einsparung erreicht. Die Energiekrise in Folge des Ukraine-Krieges habe sehr deutlich gemacht, dass es vordringlich sei, die Wärmeversorgung der Gebäude von fossilen auf regenerative Energieträger umzustellen. „In den nächsten Jahren wird es darum gehen, unser verfügbares Budget so effektiv wie nur möglich für die CO₂-Reduktion einzusetzen, schon alleine, um die steigende CO₂-Abgabenlast zu senken. Das ist auch ein wichtiger Beitrag um die Mieten sozial verträglich zu halten und eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens sicherzustellen“, ergänzte Hain.
Klimaneutrale Wärmepumpen und Fernwärme
Das Mittel der Wahl sei nach derzeitigem Stand der Wechsel von einer konventionellen Heizung zu einer Wärmepumpe, im besten Fall mit Photovoltaik versorgt, oder, soweit vorhanden, einer klimaneutralen Fernwärmeversorgung. Hier sei man mit einigen Wärmeversorgern schon sehr konkret im Gespräch. Am Gebäude selbst konzentriere man sich auf die Dämmung von Kellerdecke und Dach sowie den Austausch der Fenster. „Die Transformation unserer Wohnungsbestände hin zur Klimaneutralität ist die größte finanzielle Einzelherausforderung unserer 100jährigen Geschichte“, ist sich Fontaine-Kretschmer sicher.
Stadtentwicklung weiterhin erfolgreich
Die Stadtentwicklungsmarke ProjektStadt sei treuhänderisch oder beratend in 120 Kommunen mit über 200 Projekten tätig, vorrangig in Hessen und Thüringen, aber auch in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. 2023 wurden rund 34 Millionen Euro an Städtebaufördermitteln für Kommunen akquiriert und damit rund ein Drittel aller Bewilligungen. Über die vergangenen 20 Jahre summierten sich die eingeworbenen Fördermittel auf fast eine Milliarde Euro. Jeder öffentliche Euro ziehe in der Regel sieben private Euro an Investitionen nach sich. Die Projektstadt habe also seit 2004 knapp sieben Milliarden Euro an Investitionen in die kommunale Infrastruktur bewegt, rechnete Fontaine-Kretschmer vor. Schwerpunkte neuer Aufträge aus den Kommunen seien die Themen resiliente Stadt und damit Anpassung an die Klimaherausforderungen sowie kommunale Wärmeplanung und das Transformationsmanagement in den Innenstädten.