Bei Ökostrom geht es um mehr als Klimaneutralität: Nur 14 Prozent der Tarife tragen ein Gütesiegel

Die Qualität von Ökostrom muss mehr ins Rampenlicht. Nur 14 Prozent der Ökostromtarife unterstützen derzeit einen verstärkten Ausbau erneuerbarer Energien, wie eine Strommarktanalyse des unabhängigen Ökoenergieversorgers Polarstern (www.polarstern-energie.de) ergab. Obwohl die Anzahl an Ökostromtarifen zuletzt sogar gestiegen ist, wirkt sich das nicht auf die Qualität aus.

Dass die Ausbaupläne der Bundesregierung auch nach der EEG-Novelle 2021 nicht reichen, darüber sind sich Experten und Verbände einig. Nur mit deutlich mehr erneuerbaren Energien schützen wir das Klima und damit unseren Planeten und unsere Zukunft. Florian Henle, Gründer des Ökoenergieversorgers Polarstern, sieht die Entwicklung hin zu Ökostromtarifen ohne zusätzliche Förderung des Ausbaus kritisch. Die zunehmende Fokussierung auf Klimaneutralität führe schnell in die Irre: „Wir müssen direkt klima- und ressourcenbewusst handeln und nicht durch Ausgleichsmaßnahmen versuchen, Klimaneutralität zu erreichen."

Entwicklungen im Ökostrommarkt

Nach einem Rückgang in den letzten vier Jahren ist die Anzahl der Strom- und der Ökostromtarife jüngst wieder gestiegen. Der Wettbewerb nimmt zu und Verbrauchern fällt es schwer, aus den vielen hundert Tarifangeboten auszuwählen. „Der Preiskampf scheint sich leider auf die Qualität des Ökostroms niederzuschlagen. Dabei dürfen wir uns gerade hier für mehr Klimaschutz keine Rückschritte erlauben“, betont Florian Henle.

Das gilt nicht nur für klassische Ökostromtarife. Gerade bei Spezialtarifen für große Stromverbraucher wie Wärmepumpen, Elektroautos, Nachtspeicherheizungen und Co. kommt es einmal mehr auf die Stromqualität an. Durch spezielle Messkonzepte können hier echte Ökostromtarife zu besonders preiswerten Konditionen angeboten werden.

Dass die erneuerbaren Energien im ersten Halbjahr 2020 an der Nettostromerzeugung fast einen Anteil von rund 56 Prozent hatten, ist primär auf die Corona-Pandemie zurückzuführen. Dies als großen Schritt in der Energiewende zu interpretieren, kann sie im schlimmsten Fall sogar zurückwerfen, wenn nämlich der Sondereffekt als Wende missverstanden wird. „Der bisherige Ausbau reicht bei weitem nicht – und er ist viel zu langsam.“ Besonders schwerwiegend ist aktuell der Rückgang an Investitionen in erneuerbare Energien weltweit, wie unter anderem der World Energy Outlook 2020 der Internationalen Energieagentur (IEA) ergab. Er hat langfristige Folgen, die weit über die Corona-Pandemie hinausgehen.

Ursachen nicht Folgen in den Mittelpunkt stellen

Beim Klimaschutz lassen sich Maßnahmen nicht gegeneinander aufwiegen. Ein Ablasshandel, bei dem weiter fossile Energien gefördert und genutzt und zur Kompensation beispielsweise Wälder aufgeforstet werden, schützt die Erde nicht. Schließlich sind allein in Deutschland rund 85 Prozent der Treibhausgasemissionen energiebedingt. Entscheidend für den Klimaschutz ist der Beitrag zum Ausbau erneuerbarer Energien. „Wir brauchen beides, die Energiewende und die Wälder – weltweit“, betont Florian Henle. Das gelinge nur mit einem rundum nachhaltigen Wirtschaften, das dem Schutz der Ressourcen und der Biodiversität dient. „Dazu müssen die Ursachen der Treibhausgasemissionen stärker in den Fokus rücken, nicht nur die Emissionen selbst oder die Frage, wie man ihre Folgen mindert.“

Als Social Business vertritt er mit Polarstern den Ansatz eines gemeinwohlorientierten Wirtschaftens. Entscheidungen und Handeln müssen hierbei ökologisch, sozial und finanziell begründet sein. Alle drei Aspekte werden stets gleichwertig betrachtet.

Energiewende funktioniert nur weltweit.

Beim Klimaschutz sind alle gefragt. Im eigenen Interesse müssen die Industrieländer die ärmeren Länder dabei unterstützen, stärker auf erneuerbare Energien zu setzen. „Das muss im Rahmen von Partnerschaften erfolgen. Durch Wissenstransfer und echte Aufbauhilfe der Wirtschaft vor Ort – nicht durch das Schaffen neuer Abhängigkeiten.“

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