„Analog arbeitende Firmen sind ein Auslaufmodell“
Die Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Dabei ist die Transformation analoger Arbeitsabläufe in die digitale Welt der Grundstein für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens, davon ist Digitalisierungsexpertin Stephanie Kreuzpaintner, CEO der DOMUS Software AG, überzeugt.
Frau Kreuzpaintner, die Digitalisierung der Geschäftsprozesse hat schon vor Jahrzehnten mit dem Einscannen ausgedruckter Rechnungen begonnen – wo endet sie?
Stephanie Kreuzpainter: Das ist eine spannende Frage – schließlich befinden wir uns heute mit der kürzlich vollzogenen Etablierung der Künstlichen Intelligenz in unsere Alltagswelt an einem echten Scheidepunkt: Texterfassungsprogramme wie ChatGPT, Bildbearbeitung und -erstellung mittels KI und die Möglichkeit, Prozessketten vollständig automatisieren zu lassen zeigen, wie weit wir mittlerweile vom Einscannen von Rechnungen entfernt sind (lacht).
Fest steht aber auch: Wer Rechnungen noch immer per Post erhält, bearbeitet und archiviert, droht in den kommenden Jahren vollständig den Anschluss zu verlieren. Denn: Die Digitalisierung der Geschäftsprozesse beginnt nicht an einem bestimmten Punkt und ist an einem anderen abgeschlossen – es handelt sich vielmehr um einen stetigen Prozess der Reflektion und Optimierung. Dieses Aufbrechen bekannter Muster, das ist der Kern einer erfolgreichen Digitalisierung. Insofern ist ein Ende der Digitalisierung für mich keineswegs absehbar – vielleicht ist sie vielmehr die nächste Stufe einer unternehmerischen Weiterentwicklung, die sich auf viel mehr bezieht, als nur die technischen Lösungen innerhalb eines Unternehmens.
Sie haben die Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz bereits angesprochen. Wieso ist es nötig, die Transformation hin zu einem digitalen Arbeitsalltag auch innerhalb des eigenen Unternehmens zu vollziehen, wenn die Technik denn ohnehin bald alles für uns regelt?
Stephanie Kreuzpainter: Der Sprung der technischen Entwicklung, den wir gerade mit der Einführung der KI erleben, wird hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Strukturen und Prozesse von etlichen Experten mit der Erfindung des Internets gleichgesetzt – das ist eine echte Zeitenwende. Dabei wird aber kein Schalter umgelegt, der dazu führt, dass alles wie von Zauberhand von selbst läuft: Die Einbindung der Künstlichen Intelligenz in die eigene Unternehmenswelt setzt zwingend eine vorherige Digitalisierung der eigenen Prozesse voraus.
Denn nur wenn eine Datenbank vorhanden ist, kann eine KI überhaupt Wissen über das Unternehmen sammeln – nur so können Prozesse wirklich schnell automatisiert werden. Das heißt im Umkehrschluss: Während die einen schon digitalisiert sind und weitere Vorteile in der Prozessoptimierung nutzen können, wird der Abstand zu ihrer analogen Konkurrenz immer größer. Aus meiner Sicht sind analog arbeitende Unternehmen – ganz gleich in welcher Branche – darum ein echtes Auslaufmodell.
Wie interpretieren Sie die künftige Rolle des Menschen in dieser hochtechnisierten Welt? Werden denn auch Arbeitnehmer zum Auslaufmodell?
Stephanie Kreuzpainter: Ganz im Gegenteil – es wird sicherlich Verwerfungen bezüglich bestimmter Branchen und Tätigkeitsfelder geben, andererseits entstehen aber vielerorts auch neue Tätigkeiten, die von ebenso qualifiziertem Personal übernommen werden müssen. Die Einbindung der Künstlichen Intelligenz ermöglicht es derzeit in erster Linie, regelmäßig wiederkehrende und vermeintlich einfache Tätigkeiten zu bestreiten, die nicht allzu viele Vorkenntnisse erfordern. Qualifiziertes Personal wird für die Erfüllung der Aufgaben, die darüber hinausgehen, und nicht zuletzt für die Pflege der Technik tendenziell noch wichtiger als ohnehin.