Eine Struktur
für alle Fälle
Zukunftsfähige (Wohn-)Immobilien müssen sich leicht, schnell und wirtschaftlich an sich verändernde Nutzergruppen und deren Individualisierungsbedürfnisse anpassen lassen. Mit Prof. Dr.-Ing. Karsten Tichelmann sprachen wir darüber, wie man die dafür notwendige Flexibilität in Gebäudestrukturen schaffen kann.
Herr Professor Tichelmann, wo wollen die Menschen in Deutschland in Zukunft leben?
Tichelmann: In der Stadt. Eine Studie, die wir zusammen mit Unternehmensberatungen durchgeführt haben, hat gezeigt, dass sich das Leben wieder zunehmend in die Städte verlagern wird. Stadtplanung und Wohnungsbau stehen allerdings vor neuen Herausforderungen. Es zeichnet sich eine Vielzahl von Trends und Perspektiven ab, die unser Leben in der Stadt verändern wird. Die Menschen wandern zum Wohlstand. Das urbane Wohnen wird vor dem Hintergrund der Angebote an Dienstleistungen und kulturellen Aktivitäten wieder stärker an Bedeutung gewinnen. Das Eigentumsdenken verändert sich, Stadtbewohner mieten zunehmend Lebensstile und lebenswerte Städte und Regionen werden die Leitbilder der Zukunft. Die Menschen wollen lieber mehr Zeit in der Stadt verbringen als durch das Pendeln im Auto. Das gilt für Alt und Jung gleichermaßen. Aus diesem Trend werden nur teilweise junge Familien herausragen, die das ländliche bzw. das regionale Wohnen bedingt präferieren werden.
Mit dem Trend zum urbanen Wohnen wird der Bedarf an Wohnraum und insbesondere nach attraktiven Wohnungen steigen. Wie kann sich die Wohnungswirtschaft auf diese Entwicklung einstellen?
Tichelmann: Ein wesentlicher Bedarf nach zunehmendem Wohnraum lässt sich durch Nachverdichtung befriedigen. Eine von uns durchgeführte Bewertung des vorhandenen Gebäudebestandes aus den 1950er, 1960er und 1970er Jahren ergab, dass etwa 338 Mio. m² Dachfläche nachverdichtet werden können. Es handelt sich dabei ausschließlich um Gebäude, die ein Flachdach haben oder um flach geneigte nicht genutzte Dachflächen. Wenn man dieses Potential aufaddiert, kommt man auf diese Summe.
Weiteres Potential bieten unter anderem ehemalige Werkswohnungen von Industrieunternehmen. Auf den ersten Blick sind diese meist unattraktiv, weil sie aus einer Zeit stammen, in der wir heute nicht mehr so wohnen und leben wollen. Sie sind durch sehr kleinteilige, starre Einheiten gekennzeichnet. Es gibt kaum offene Wohnküchen, wenig offene fließende oder austauschbare Räume. Was die Gebäude attraktiv macht, ist aber häufig ihre Lage. Sie liegen oftmals innenstadtnah und sind teilweise schön eingegrünt. Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, diese Gebäude nachzuverdichten.
Was verstehen Sie unter Nachverdichtung?
Tichelmann: Ich meine damit, Grundstücke und Gebäude in ihrer Effizienz besser auszunutzen. So sollte man unabhängig von Bebauungsplänen genau betrachten, welche Möglichkeiten für die vertikale und horizontale Erweiterung des Grundstücks bestehen. Dazu zählen zum Beispiel Parkplatzflächen, die man durch nachträgliche Tiefgaragen substituieren kann, um sie als bewohnbare Grundstücke wieder zur Verfügung zu stellen. Gebäude wiederum sollten nachhaltig flexibel in ihrer Nutzung gestaltet werden und die Kriterien einer „Mobilen Immobilie“ erfüllen.↓