Aufgabe und Herausforderung
Aktuell befindet sich die Wohnungswirtschaft im Schnittpunkt relevanter Einzelthemen der Nachhaltigkeit. Bei der Integration von Zukunftsaufgaben wie Klimaschutz, Schonung der Ressourcen bis hin zur Transformation in Richtung einer postfossilen, suffizienten Gesellschaft sind Wohnungsunternehmen heute überproportional gefordert.
Durch ihren Kernauftrag, bezahlbaren Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten zur Verfügung zu stellen, ist die Wohnungswirtschaft per se gehalten, ganzheitlich zu agieren. Sie ist sich der gesellschaftlichen Verantwortung bewusst, denn ihr Geschäftsmodell befindet sich im Schnittpunkt großer Themen der Nachhaltigkeit: Klimawandel, Technisierung, Energieeffizienz, Demografie, Migration, Umweltbelastung, Rohstoffverknappung, Urbanisierung, öffentliche Finanzen und Verschuldung, Gesundheitsfragen.
Die Aufgaben der Branche werden zunehmend komplexer und heterogener. In sozialer Hinsicht muss sie sich analog zur bunteren und älteren Gesellschaft entwickeln, in räumlicher Hinsicht gemäß der wachsenden Disparität zwischen Verdichtungsräumen und strukturschwachen Regionen und in Hinsicht auf zu integrierende Zukunftsaufgaben – wie Klimawandel, Klimaschutz, Ressourcenverbrauch bis hin zur gesellschaftlichen Transformation – muss sie in Richtung postfossile, suffiziente Gesellschaft blicken. Verantwortlich zu handeln bedeutet für die Wohnungswirtschaft daher längst nicht mehr nur Bereitstellung von Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten, sondern auch aktive Förderung und Begleitung gesellschaftlicher Entwicklungen.
Nachhaltigkeitskodex um branchenspezifische Anforderungen ergänzt
Wir stellen uns dieser Herausforderung als starker Partner von Kommunen und öffentlicher Hand. So haben wir als Arbeitsgemeinschaft Großer Wohnungsunternehmen (AGW) mit dem GdW (Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.) und dem Rat für Nachhaltige Entwicklung schon 2014 als erster Wirtschaftszweig in Deutschland den Nachhaltigkeitskodex um branchenspezifische Anforderungen ergänzt.
Fakt ist: Seit 1990 wurden durch GdW-Unternehmen gut 65% der Wohnungen im Bestand energetisch teil- bzw. umfassend modernisiert. Durch Umstellung der Energieträger, effizientere Brennwerttechnik, Dämmung der Gebäude und einem sparsamen Energieverbrauch wurden über 50% der CO2-Emissionen eingespart. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber, dass ein Drittel des Bestandes noch angegangen werden muss – nun in einem kürzeren Zeitraum, unter höheren Anforderungen, mit entsprechend steigenden Kosten.
Zugleich gilt es, bezahlbaren Wohnraum in den Ballungsregionen zu schaffen. Hierfür braucht es verbesserte Rahmenbedingungen. Denn allein in den nächsten Jahren werden in Deutschland jeweils mindestens 400.000 neue Wohnungen benötigt. Die Wohnungswirtschaft begrüßt daher die Regierungsentscheidung, für den Zeitraum 2016 bis 2019 die Mittel für den sozialen Wohnungsbau um 500 Mio. € auf eine Milliarde Euro jährlich zu erhöhen. Was die Branche in der jetzigen Situation vor allem benötigt, ist eine Förderung über Zuschüsse. Vor dem Hintergrund des anhaltend niedrigen Zinsumfeldes stellen zinsverbilligte Darlehen keine ausreichende Unterstützung dar.
Nachhaltige Energieversorgung im Quartier
Das langfristige Ziel der Bundesregierung bis 2050 ist die Reduktion des Primärenergieverbrauchs um mindestens 80%. Wesentliche Aspekte einer nachhaltigen Energieversorgung sind Einsparung, effiziente Nutzung und regenerative Erzeugung von Energie. Die Wohnungswirtschaft ist prädestiniert dafür, einen wesentlichen Beitrag zur dezentralen Energieversorgung mit regenerativen Energien zu leisten. Parallel dazu geht es in unseren Quartieren auch um das soziale Ziel einer Stabilisierung der Betriebskosten unserer Mieter. Im Raum steht zudem die Verschärfung der Energieeinsparverordnung (EnEV) – im Kontext mit der EU-Gebäuderichtlinie, die ab 2021 für Neubauten den noch zu definierenden Standard eines „Niedrigstenergiegebäudes“ vorschreibt.
Ausschließlich auf die Dämmung der Gebäudehülle bei einzelnen Gebäuden zu setzen, ist eine zu reduzierte Sichtweise. Deshalb sehen wir als Verband die Erweiterung der Perspektive vom Einzelgebäude auf die Quartiersebene als unerlässlich. Hier sind Verbundlösungen umsetzbar, die über die reine Senkung des Energiebedarfes hinausgehen sowie Möglichkeiten zur Substitution und effizienten Erzeugung bieten. Nahwärmenetze, gespeist durch KWK mit geringem Primärenergiefaktor oder regenerativen Energieträgern, ermöglichen wirtschaftlich tragfähige bauliche Lösungen bei der Gebäudehülle.
Gesetzlich Weichen stellen
Auch die Novellierung des Gesetzes zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWKG) hat Weichen gestellt. Kraft-Wärme-Kopplung bringt Strom und Wärme zusammen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. Entgegen dem ursprünglichen Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums für die Novelle des KWG-Gesetzes wurde jetzt beschlossen, dass Projekte, die in einem geschlossenen System Energiedienstleistungen erbringen und dabei die volle EEG-Umlage zahlen, bis über 250 Kilowatt elektrisch (kWel) gefördert werden. Dazu zählen auch weiterhin Anlagen in der Größe, wie sie für die Versorgung von ganzen Wohnquartieren mit Mieterstrom nötig sind. Die Förderung für Blockheizkraftwerke bis 50 kWel soll auch bei 60.000 Stunden bleiben und nicht auf 45.000 Stunden gesenkt werden, was nun deren Wirtschaftlichkeit erhält. Durch Mieterstromlösungen auf Quartiersebene können Klimaschutzziele mit wirtschaftlichen Vorteilen für die Mieter direkt verknüpft werden.
Strategie und ein passendes Managementsystem
In der gesamten Wohnungswirtschaft ist das Thema Nachhaltigkeit – über die reinen Energiethemen hinaus – langfristig von hoher Bedeutung. Aus diesem Grund haben wir seitens der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt eine systematische Bestandsaufnahme unseres Konzerns anhand der G4 Kriterien der internationalen Global Reporting Initiative (GRI), der Empfehlungen des Gesamtverbandes der Deutschen Wohnungswirtschaft und des Deutschen Nachhaltigkeitskodex unternommen. Wir haben die für uns wesentlichen Aspekte auf der Basis eines Unternehmensleitbildes im Dialog mit Mietern, Mitarbeitern, Kreditgebern und Eigentümern definiert. Aufbauend darauf wurde ein komplettes Managementsystem entwickelt und implementiert. Es legt die wesentlichen Schwerpunkte der kommenden Jahre fest – wie etwa ein nachhaltiges Beschaffungsmanagement. Im Juli 2015 haben wir unseren ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, der aktuelle steht kurz vor der Publikation. Das Ziel ist es, mit gutem Beispiel voranzugehen und unseren Beitrag zu leisten zur nachhaltigen Entwicklung der Wohnungswirtschaft insgesamt. Denn wir stehen erst am Anfang des tiefgreifenden Prozesses einer ganzheitlichen Nachhaltigkeit.
Die Wohnungswirtschaft ist sich der gesellschaftlichen Verantwortung bewusst,
Verantwortlich zu handeln bedeutet ... nicht mehr nur Bereitstellung von Wohnraum (...), sondern auch aktive Förderung und Begleitung gesellschaftlicher Entwicklungen.
... sehen wir als Verband die Erweiterung der Perspektive vom Einzelgebäude auf die Quartiersebene als unerlässlich.
Die großen Wohnungsunternehmen fordern dringend, in der KWK-Novelle zwischen Eigenstrom und Mieterstrom zu differenzieren.