Bauwirtschaft kommt an Kapazitätsgrenze
Die Baukonjunktur verläuft weiterhin sehr dynamisch. 2016 haben die realen Bauinvestitionen deutlich um +2,7 % zugelegt. Für 2017/2018 gehen die Experten sogar von noch höheren Wachstumsraten aus. Hierfür sprechen die hohen Auftragsbestände in der Bauwirtschaft sowie der anhaltende Beschäftigungsaufbau.
Allerdings wird für die Prognose eine Betrachtung der Kapazitätsfrage immer relevanter. Eine aktuelle Studie im Auftrag des BBSR hat hierbei erstmals den Auslastungsgrad für das gesamte Baugewerbe ermittelt[1]. Dabei werden direkte Erhebungsergebnisse (ifo Befragung für das Bauhauptgewerbe) mit anderen Schätzansätzen und Umfragen kombiniert. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit zeigen, dass die Kapazitäten des Baugewerbes derzeit vollständig ausgelastet sind. Das gesamte Baugewerbe operiert dabei bei einem Auslastungsgrad von rund 80 % nahezu an der Kapazitätsgrenze.
Im Bauhauptgewerbe liegt die Auslastung derzeit bei rund 83 %, im Ausbaugewerbe bei rund 78 %. Der Auslastungsgrad nimmt seit 2009 sowohl im Bauhaupt- als auch im Ausbaugewerbe stetig zu und hat die höchsten Werte seit der Wiedervereinigung erreicht. Selbst in dem durch die Wiedervereinigung ausgelösten Bauboom in den neunziger Jahren war die Auslastung im Bauhauptgewerbe in der Spitze mit rund 70 % deutlich geringer.
Die derzeit sehr hohe Auslastung ist auch damit zu erklären, dass nach dem Ende des Baubooms Kapazitäten abgebaut wurden, die jetzt nicht wieder so schnell aufgebaut werden können. Dabei spielt auch der derzeitige Fachkräftemangel eine Rolle, der zunehmend die Produktion beeinträchtigt. Diese Entwicklung zeigt sich auch am Arbeitsmarkt, wo die Zahl der gemeldeten Stellen deutlich zugenommen hat, und es immer länger dauert, bis eine gemeldete Stelle besetzt werden kann.
Der hohe Auslastungsgrad sorgt außerdem für eine deutliche Zunahme der Baupreise, da sowohl Arbeitskosten wie auch Materialpreise gestiegen sind. Erschwert wird die zügige Umsetzung von Baumaßnahmen auch durch den oftmals vorhandenen Mangel an qualifiziertem Personal zur Bearbeitung der Bauaufträge in den Verwaltungen. Diese ersten Zeichen einer Anspannung könnten nach Ansicht der Experten in der weiteren Zukunft eine mögliche dämpfende Wirkung für die Baukonjunktur haben.
In laufenden Preisen gerechnet wurden nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung im Jahre 2016 über 350 Mrd. € am Bau investiert[2]. Dominiert wird das deutsche Bauvolumen dabei mit über 57 % vom Wohnungsbau, wobei diese Quote in den letzten Jahren noch zugenommen hat. Der Neubau von Mehrfamilienhäusern verzeichnet seit Jahren zweistellige Zuwachsraten. Das Wachstum war hierbei in den neuen Bundesländern 2012 – 2015 sogar höher als im Westen, bedingt vor allem durch die hohe Wohnungsnachfrage in Berlin. Am aktuellen Rand zeigt sich jedoch eine Gegenbewegung, weil auch in den westdeutschen Großstädten erheblich investiert wurde.
Die relative Bedeutung der Bauleistungen im Bestand ist zwar aufgrund des Booms im Wohnungsneubau abnehmend; noch immer machen sie aber fast 68 % des gesamten Wohnungsbaus aus. In den neuen Ländern haben die Bauleistungen an bestehenden Gebäuden einen noch höheren Anteil von nahezu 78 %. Die Bestandsleistungen werden dabei von Teilmodernisierungen dominiert; diese machen drei Viertel aller Sanierungsmaßnahmen im Hochbau aus. Im Wohnungsbereich haben die teilweisen Modernisierungen sogar einen Anteil von rund 82 %. Dort konnten die Vollmodernisierungen im Jahr 2016 zwar deutlich zulegen; mit über 9 Mrd. € bewegen sie sich aber immer noch auf dem Niveau der Ausgaben für Instandsetzungsmaßnahmen.
Der Wohnungsbau bleibt insgesamt nach allen Prognosen auch in den nächsten Jahren der Treiber der Nachfrage, da die Rahmenbedingungen unverändert günstig sind. Höhere verfügbare Einkommen, gute Arbeitsmarktlage, niedriges Zinsniveau und hohe Wohnungsnachfrage, insbesondere in den Großstädten, lassen weiterhin deutliche Zuwächse erwarten. Zudem konnten bis Ende 2016 über 600.000 Baugenehmigungen noch nicht baulich umgesetzt werden.
Der kräftige Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen lässt erwarten, dass der zuletzt gedämpfte Gewerbebau wieder neuen Schwung erhält. Bei den Unternehmensinvestitionen gewinnen die zyklischen Auftriebskräfte die Oberhand. Die erhöhte temporäre Unsicherheit (weltwirtschaftliche Entwicklung, Volatilität an den Aktienmärkten) hat sich wieder zurückentwickelt. So sind die Baugenehmigungen bei den Fabrik- und Werkstattgebäuden positiv. Auch die Zahlen bei den Handels- und Lagergebäuden deuten darauf hin, dass im Logistik- und Handelsbereich wieder Erweiterungsinvestitionen getätigt werden.
Der Tiefbau erfährt eine Stützung durch den Ausbau des Breitbandnetzes sowie den Streckenausbau der Deutschen Bahn. Im Gegensatz zum Wohnungsbau ist die Bedeutung der durchgreifenden Sanierungsmaßnahmen im Nichtwohnungsbau deutlich höher. Mit über 15 Mrd. € entfällt über ein Viertel der Bauleistungen am Gebäudebestand auf Vollmodernisierungsmaßnahmen.
Für den öffentlichen Bau werden kräftige Zuwächse erwartet. Viele Gemeinden profitieren von einer besseren Kassenlage. Die Unterstützung des Bundes für Investitionen in die kommunale Infrastruktur hat bereits für starke Impulse gesorgt und wird voraussichtlich auch in den nächsten Jahren zur weiteren Dynamik beitragen, da nun zunehmend investitionsreife Projekte vorliegen. Der Ausbau der Kinderbetreuung und zusätzliche Mittel für den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur dürften allmählich Verwendung finden. Für eine Mittelfristprognose ist zu beachten, dass im Jahre 2019 aber die Investitionsprogramme auslaufen werden.
Der Tiefbau ist mit 60 % des öffentlichen Bauvolumens für den Staatssektor besonders wichtig. Hier weisen die volle Auslastung der Kapazitäten sowie der hohe Auftragsbestand der Bauunternehmen darauf hin, dass eine weiterhin günstige Entwicklung zu erwarten ist.