Cross-Over-Konzept für Mieter-Mix

Mit einem bemerkenswerten Cross-over-Konzept baut die Baugenossenschaft Überlingen bezahlbaren Wohnraum für alle. In der neuen Anlage wohnen sozial schwache Mieter, Normalverdiener und Akademiker in einem Flur Tür an Tür. Basis für diese Lösung ist ein ausgeklügeltes Quartierkonzept, das Design, Qualität und Preis vereint.

Man kann es nicht allen recht machen, heißt es zuweilen. Wirklich nicht? In Überlingen, wo sich alle um den Blick über den Bodensee auf die Alpen drängeln, ist der Baugrund teuer, die Nachbarschaft sehr eng, ausreichend Parkplatz zuweilen selten und das Mietpreisniveau hoch.

Und dennoch gelang es der BGÜ (Baugenossenschaft Überlingen) attraktiven und zugleich bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen. Mit einer mittleren Miete von 8 € pro m² entstanden hochwertige Wohnungen, die den Anforderungen an ein KfW Effizienzhaus 70 gerecht werden.

Vom Wohnblock zum Quartier

Mit rund 500 Wohnungen ist die BGÜ der größte Mietwohnungsgeber in Überlingen. Der Druck auf den Wohnungsmarkt ist groß. Allein der BGÜ liegen zurzeit 280 aktive Wohnungsbewerbungen vor. Als 2012 zwei nicht mehr sanierfähige Liegenschaften der Stadt durch die BGÜ erworben wurden, entstand im Rahmen eines 2013 ausgelobten Planungs- und Realisierungswettbewerbs die aktuelle Quartiersidee. Der Siegerentwurf der Architekten M67 Gerhard Metzger und Siyami Akyildiz geht über den reinen Neubau von Mehrfamilienwohnungen hinaus und zeigt eine überaus reizvolle Quartierentwicklung auf, die trotz Hanglage und höchstmöglicher Verdichtung grüne Höfe unter Bäumen und ein komplett barrierefreies Umfeld ermöglicht.

Das neu entstehende Quartier „Hohle Straße“ besteht aus fünf Gebäuden, einem 2010 errichteten Bauwerk im Osten, zwei nicht mehr sanierfähigen Bauten im Süden der Straße und den zwei Neubauten im Norden der Straße. Die Hohle Straße wird am Ende der Bauarbeiten, etwa 2017 im Bereich der BGÜ-Siedlung zu einer zwar befahrbaren, aber grünen Fußgängerzone umgebaut. Die vielen Autos des stark verdichteten Quartiers (66 Wohnungen auf rund 70 m Straßenlänge) finden in Tiefgaragen Platz, sodass die Straße auf Höhe der BGÜ-Bauten oberirdisch zu einer Grünzone avanciert. Mit ebenerdigen Begegnungsräumen und gestalteten Plätzen im Wohn- und Außenbereich will die Genossenschaft das soziale Miteinander und gute Nachbarschaft fördern. Dazu wurden bereits in der Bauphase Bäume geschützt und erhalten und durch die Tiefgaragen grüne Freiflächen geschaffen, die sonst für Parkplätze geopfert werden müssten. In Zukunft sollen die nördlich der Straße gelegenen Bauten mit den neuen Südbauten (Baubeginn April 2015) ebenerdig und barrierefrei verbunden werden und dadurch weitere Begegnungsräume entstehen.

Gütliche Verdichtung

Der Siegerentwurf des Planungs- und Realisierungswettbewerbs weist Merkmale einer extremen Verdichtung auf. Der auf den zu bebauenden Grundstücken nicht mehr rechtsgültige Flächennutzungsplan forderte eine in Überlingen übliche gütliche Abstimmung mit den Nachbarn. Verdichtung bedeutete im Fall der zwei neuen, nördlich der Hohle Straße liegenden Bauten, dass statt der hier einst stehenden Walmdachbauten nun zwei geringfügig massivere Bauten mit Staffelgeschoss entstanden. Um den Nachbarn den Blick nicht zu verbauen, wurden die Gebäude diagonal auf dem Grundstück platziert, dadurch eine größere Gebäudelänge und Wohnfläche erzielt und zugleich die Blickachsen der Nachbarn berücksichtigt. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. 

So sehr auch die Gestaltung der Bauten zu überzeugen vermag, ausschlaggebend für den prämierten Entwurf war die Schaffung von 25 Wohneinheiten, wo andere Wettbewerbsentwürfe beispielsweise nur 17 Einheiten realisiert hatten. Dabei war die Aufgabenstellung keineswegs einfach, denn die BGÜ hat klare Vorstellungen, wie der Wohnungs-Mix auszusehen hat. Ein Viertel der Wohnungen sind 4-Zimmer-Wohnungen, ein Viertel 3-Zimmer-Wohnungen und das Groß sind die gefragten kleinen 2-Zimmer-Wohnungen. Ein weiterer Wunsch ist der angestrebte Mix aus Bewohnern verschiedener sozialer Schichten. Neben preiswertem Wohnraum galt es auch hochwertige Angebote zu realisieren, alles selbstverständlich barrierefrei.

Die Penthouses im Staffelgeschoss überraschen mit großen Terrassen und herrlichen Ausblicken. Aber auch die kleinen 2-Zimmer-Wohnungen bieten hochwertigen Wohnraum mit Dreischeibenverglasung und Top-Dämmung für eine günstige Miete. Von der BGÜ ist zu hören, dass die preiswerteren Wohneinheiten um die 6 € pro m² kosten, die Penthouses dagegen über 10 €/m². Die Warmmiete fällt trotz Fahrstuhl wegen der hohen Wärmedämmung und des BHKW (Blockheizkraftwerks) mit etwa ab 100 € sehr moderat aus.

Technik der Verdichtung

Neben der maximal möglichen Höhe realisierten die Architekten durch die diagonale Anordnung auch eine maximale Länge der Blöcke. Obwohl sich auf jeder Etage bis zu vier Wohnungen befinden, gelang die Erschließung in jedem der zwei Blöcke mit nur einem Flur und einem Aufzug. Der seitlich liegende Flurbereich umspannt dabei den Gebäuderiegel gleichsam einer Spange bis zum Penthousebereich und geht dort in das elegante, weit auskragende Flachdach der Penthouses über. So vereinen sich Funktion und Gestaltung des Flures auf eine besonders sinnvolle Weise.

Die in einer solchen Hanglage ohnehin üblichen Hangsicherungen und die geforderten Keller- und Waschräume ließen den konsequenten Schritt zu einer Tiefgarage nicht mehr so Kosten steigernd erscheinen. Entscheidender Vorteil der Tiefgarage ist, dass oberirdisch die für diese Bauten geforderten 25 Pkw-Stellplätze nicht mehr nachgewiesen und gebaut werden müssen und damit trotz der höchstmöglichen Nachverdichtung oberirdisch eine grüne Oase entstehen kann.

Schlanke Wandkonstruktionen

Einen wichtigen Beitrag zur gelungenen Verdichtung leisten in Überlingen schlanke Wandkonstruktionen. Die Architekten entschieden sich dort für 17,5 cm dicke Blähton-Vollsteine, die, schwer und druckfest, eine perfekte Basis für das WDV-System von Knauf mit 16 cm dicken PU-Dämmplatten sind. Nachdem puren als erstes Unternehmen der Branche Ende 2014 eine allgemeine bauaufsichtliche Dämmstoffzulassung für WDV-Systeme erhielt, setzen PU-WDV-Systeme mit einem Lambda-Wert der Dämmplatten von 0,026 W/mK neue Maßstäbe beim schlanken Bauen. Die Wände der Wohnblöcke in Überlingen sind bei einem U-Wert von 0,14 W/m²K nur 35,5 cm dick. Damit erfüllt die schlanke Wandkonstruktion die Anforderungen an ein KfW Effizienzhaus 70 und liefert zugleich neue Topwerte mit einer Wohnflächenersparnis von 3% gegenüber ähnlich schlanken Systemen. 

Der geschäftsführende Vorstand der BGÜ, Dieter Ressel betont, dass seine Genossenschaftsmitglieder als Anteilseigner gesteigerten Wert auf einen soliden Brandschutz legen. Aus PU-Dämmstoffen werden seit 2009 Brandschutzriegel gefertigt, weshalb eine komplette Fassade aus PU einen beruhigenden vollflächigen Brandschutz sichert. Das hören die Genossenschaftsmitglieder gerne. Darüber hinaus sind Polyurethan-Dämmstoffe schimmel- und feuchteresistent, allergikerfreundlich und wurden in einem vergleichbaren Dämmsystem von „ÖKO-TEST“ mit „gut“ bewertet. PU ist zudem der einzige Dämmstoff, bei dem zurzeit eine nachweislich funktionierende Recyclingtechnologie bereits praktiziert und erfolgreich vertrieben wird (purenit von puren). 

Brandsichere PU-Dämmstoffe kamen auch am Flachdach zum Einsatz. Es wurde zweilagig, zuerst mit 16 cm dicken Alu-beschichteten PU-Dämmplatten (Lambda-Wert 0,023 W/mK) und dann mit einer Gefälledämmung (im Mittel 8 cm / Lambda-Wert 0,026 W/mK) belegt. Der U-Wert einer solchen Flachdachkonstruktion liegt unter 0,1 W/m²K. Ähnlich ging man bei den großen Terrassen der Penthouses vor. 

So ist die hoch verdichtete neue Wohnlage in Überlingen nicht nur unter sozialen und wirtschaftlichen Aspekten erwähnenswert. Auch die Bautechnik mit Wärme- und Brandschutz erfüllt hohe und höchste An­­­sprüche.

Der prämierte Entwurf bot 25 Wohneinheiten, wo andere

Wettbewerbsentwürfe etwa nur 17 Einheiten realisiert hatten.

Ebenerdige Begegnungsräumen und gestaltete Plätze im Wohn- und Außenbereich werden das soziale Miteinander und gute Nachbarschaft fördern.

Ein wichtiger Beitrag zur Verdichtung: schlanke Wandkonstruktionen.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 11/2017 Baugenossenschaft Überlingen dämmt Dächer und Wände mit PU-Hartschaum

Schlank, preiswert und warm

Wo Baugrund rar und teuer ist, sind für einen bestmöglichen Flächenertrag schlanke Wandkonstruktionen gefragt. In Überlingen am Bodensee entschied sich die Baugenossenschaft Überlingen (BGÜ)...

mehr

Nachverdichtung: Dachbodenschätze

Der Bremer Stadtteil Findorff gehört zu den bevorzugten Wohngebieten der Hansestadt. Größter Vermieter im Quartier ist die Espabau. Die Wohnungsbaugenossenschaft be­­­wirtschaftet hier rund 1850...

mehr
Um- und Ausbauen

Vorhandenes Nutzen: Nachverdichtung im urbanen Raum

Als Gegenkonzept zum Bauen am Stadtrandgebiet werden bei der Nachverdichtung frei liegende Flächen im Bereich bereits bestehender Bebauungspläne genutzt. Dabei handelt es sich um Restgrundstücke...

mehr
Ausgabe 11/2020 Um- und Ausbauen

Vorhandenes Nutzen: Nachverdichtung im urbanen Raum

Als Gegenkonzept zum Bauen am Stadtrandgebiet werden bei der Nachverdichtung frei liegende Flächen im Bereich bereits bestehender Bebauungspläne genutzt. Dabei handelt es sich um Restgrundstücke...

mehr

degewo baut 900 Wohnungen in Berlin-Marzahn

Marzahn ist wieder ein gefragter Wohnort in Berlin. Der größte Vermieter im Stadtteil, das landeseigene Wohnungsbauunternehmen degewo (www.degewo.de), verzeichnet schon seit Monaten Vollvermietung...

mehr