Deutschland zwischen Anspruch und Wirklichkeit
„Moment mal!“: Die Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) bezieht Stellung. Diesmal geht es um den Kampf gegen den Klimawandel.
„Wer Führung bestellt, bekommt sie auch“ sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach der gewonnenen Bundestagswahl im vergangenen Jahr. Die Ziele der Ampel-Koalition waren ambitioniert: 400.000 Wohnungen sollen jährlich neu gebaut werden, davon 100.000 Sozialwohnungen. Nach den ZIA-Gutachten kommen nochmal 230.000 Wohnungen für bei uns bleibende Flüchtlinge aus der Ukraine dazu. Und grundsätzlich müssen alle Immobilien durch energieeffiziente Bauweise bzw. Sanierungen zu mehr Klimaschutz beitragen. Daher gab es auch zahlreiche Förderinstrumente, die unterstützt haben, den Energieverbrauch zu senken. So weit, so gut. Doch wie so häufig liegen zwischen Anspruch und Realität Welten. Denn Ende Januar dieses Jahres verkündete das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima plötzlich das Ende dreier wichtiger Förderprogramme für energieeffiziente Gebäude. Ohne Ankündigung, ohne Alternativen. Verunsicherung und Kritik waren daher groß, selbst Verbraucherschützer zeigten sich angesichts der aktuellen Lage ratlos. Es vergingen über zwei Monate, bis Bundesminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) handelte und eine Wiederauflage in deutlich abgespeckter Form ankündigte.
Ab dem 20. April 2022 konnten für die Neubauförderung wieder neue Anträge bei der KfW-Bankengruppe gestellt werden. Insgesamt stand ein Budget von 1 Mrd. Euro zur Verfügung, die Förderung war begrenzt auf das EH/EG 40-Niveau. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat nach eigenen Angaben die Förderbedingungen der Neubauförderung für Wohn- und Nichtwohngebäude modifiziert. Doch nach nur wenigen Stunden war diese Förderung aufgebraucht.
Grundsätzlich ist es begrüßenswert, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Anfang April die Reaktivierung ankündigte. Aber die Summe von einer Milliarde Euro war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wie sollen unter solchen Bedingungen 400.000 Wohnungen jährlich gebaut werden? Wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen und Planungssicherheit statt ständig wechselnder Förderkonditionen.
Die Bundesregierung kann ihre klimapolitischen Ambitionen nur mit einer vernünftig ausgestatteten Förderkulisse erreichen, besonders im Wohnungsbau. Dabei ist eine Mittelausstattung der Bundesförderung für Neubau und Bestandssanierungen von mindestens 20 Milliarden Euro pro Jahr bis 2025 notwendig, um der Bedeutung des Themas Klimaschutz im Gebäudesektor gerecht zu werden. Zudem sollte die Bundesregierung die Vorschläge der Immobilienwirtschaft bei der Gestaltung neuer Rahmenbedingungen berücksichtigen. Ob Ausbau der Photovoltaik bei Wohn- und Nichtwohngebäuden, Einsatz „grüner“ Fernwärme oder der Eigenverbrauch gebäudenah erzeugten Stroms – für mehr Klimaschutz braucht es von der Politik auch mehr Bewegung bei entscheidenden Themen. Es darf zudem bei der KfW 40-Förderung keine Konstruktionsfehler, etwa bei Lebenszyklusmaterialien, geben. Das alles muss besprochen werden in der im Koalitionsvertrag angekündigten „Innovationspartnerschaft“ – wir warten auf die erste Tagung.