Die Energiezentrale im Haus

Angesichts stark gestiegener Energiepreise halten auch Wohnungsgesellschaften Ausschau nach Alternativen zur Stromversorgung und Heizung. Eine Möglichkeit ist die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Dabei wird gleichzeitig Wärme und Strom produziert.

Das zweigeschossige Zwölf-Parteien-Haus in einem Attendorner Wohngebiet wurde 1962 errichtet. Das Gebäude zählt zum Bestand von 1 900 Wohnungen, die von der Wohnungsgenossenschaft im Kreis Olpe Südsauerland eG verwaltet werden. Die Bausubstanz – massive Ziegelmauern und Dachstuhl – war zwar noch in Ordnung, die Haustechnik aber nicht mehr auf einem wünschenswerten Stand: In jeder Wohnung befand sich eine Gastherme für die Beheizung und Warmwasserbereitstellung, entweder im Bad oder in der Küche. Weitere haustechnische Anlagen waren nicht vorhanden.

Die Mieter, die von der kontinuierlichen Preissteigerung bei Strom und Gas betroffen waren, wandten sich mit einer Anfrage zur energetischen Sanierung an Folker Naumann. Der Geschäftsführer der Wohnungsgenossenschaft initiierte daraufhin nicht nur eine gängige Maßnahme – etwa der Austausch der Altgeräte –, sondern nutzte das Objekt für ein Modellvorhaben.

Die erste Herausforderung bestand darin, das Gebäude im bewohnten Zustand zu modernisieren. Hier setzte man von Seiten der Genossenschaft auf Information, um die Mieter für die Veränderungen zu gewinnen. Durch diese Herangehensweise wurde in kurzer Zeit die Zustimmung aller Parteien eingeholt. Die zweite Herausforderung lag in den Vorgaben hinsichtlich der auszuführenden Maßnahmen und der Kosten.

Im Vergleich zu einer Standardausführung umfasste der neue Ansatz ein ganzes Maßnahmenbündel. Ziel war es, das Gebäude als Referenz für weitere vergleichbare Häuser im Bestand zu nutzen. Dabei war von großer Bedeutung, die Wechselwirkungen einzelner Bereiche zu beachten und entsprechend in das Konzept zu integrieren. Als Planungspartner standen der Wohnungsgenossenschaft Architekt Dietmar Roland und Fachplaner Hubert Greiten zur Seite. Gemeinsam entwickelten sie eine grundlegende Modernisierung, die inzwischen akribisch überwacht und ausgewertet wird.

Neues Konzept für Heizung und Warmwasser

Ein wichtiger Aspekt der Modernisierung bestand in der Umstellung auf eine zentrale Heizung und der Auskoppelung der Warmwasserbereitstellung. Diese wird nun pro Wohnung von elektronischen Durchlauferhitzern garantiert. Damit geht eine veränderte Kostensituation einher: Zwischen Vermieter und Mieter wird nur der Kaltwasserverbrauch abgerechnet, die Erwärmung mittels Strom geht direkt zu Lasten der Mieter. Auf diese Weise ist für beide Seiten eine eindeutige Kostenzuordnung gewährleistet.

Des Weiteren ist mit dieser Konstellation ein großer Vorteil für die Genossenschaft verbunden – es bestehen keinerlei Anforderungen hinsichtlich der Trinkwasserverordnung. Da die Leitungswege innerhalb der Wohnungen kurz sind und keine Stagnationsbereiche vorkommen, muss keine regelmäßige Beprobung vorgenommen werden. Sämtlicher technischer, finanzieller oder personeller Aufwand wird vermieden. Im Zuge der Umgestaltung wurden auch einige Bäder saniert, nachdem die alten Gasthermen dort entfernt wurden.

Stirlingmotor liefert Wärme und Strom

Die Bereitstellung der Heizwärme wurde von den Einzelgeräten auf ein Mikro-KWK umgestellt. Die neuen Techniken gegenüber aufgeschlossenen Verantwortlichen prüften zunächst verschiedene Szenarien auf ihre Umsetzbarkeit und ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die Entscheidung fiel zugunsten des EcoGen WGS von Brötje aus, der mit Hilfe eines Stirlingmotors Wärme und Strom liefert. Das Stirlingprinzip, das in diesem Gerät zum Einsatz kommt, wurde schon 1816 erfunden. Es ist somit fast 200 Jahre alt und nach der Dampfmaschine die zweitälteste Wärmekraftmaschinentechnik überhaupt. Gegenüber herkömmlichen Verbrennungsmotoren hat der Stirlingmotor zwei entscheidende Vorzüge, die bei einem Mikro-KWK von besonderer Bedeutung sind: Da er mit externer Verbrennung (hier: Erdgas) arbeitet, konnte der hermetisch abgeschlossene heliumgefüllte Zylinder-Kurbeltrieb des Aggregats so konstruiert werden, das er für die gesamte Lebenszeit absolut wartungsfrei funktioniert. Zweitens wird selbst bei einem einzylindrigen Stirlingmotor ein hervorragender Massenausgleich erzielt, was Schwingungen minimiert.

Da es sich im Gegensatz zum Otto- oder Dieselmotor auch nicht um einen „Explosionsmotor“ handelt, konnte das Betriebsgeräusch bei rund 45 dB(A) gehalten werden. Wenn man im Keller direkt neben dem Gerät steht, ist nur ein dezentes Brummen zu hören.

Während der Stirlingmotor läuft, wird eine Wärmeleistung von 5 kW sowie eine elektrische Leistung von 1 kW abgegeben. Überschüssige Wärme wird in einem Speicher gepuffert. Für eine größere Wärmeabforderung wurde darüber hinaus eine gleitend modulierende Gas-Brennwerteinheit ins Gehäuse integriert, die im Bedarfsfall bis zu 15 kW zusätzlich liefern kann, sodass eine Gesamt-Heizleistung von 20 kW zur Verfügung steht.

Das Gerät wurde durch die Planer in ein völlig neues Konzept eingefügt. Ursprünglich hatte Brötje den Wärme- und Stromproduzenten für Ein- und Zweifamilienhäuser im Bestand entwickelt. Mit maximal 20 kW für die Heizungsseite und 1 kW für Strom sollte er den Bedarf solcher Objekte decken. Ein Zwölf-Familien-Haus mit 700 m2 und einem Heizwärmebedarf von rund 120 bis 150 kWh/(m2 a) schien auf den ersten Blick nicht zu den Eckdaten des Mikro-KWK zu passen.

Detaillierter Entwurf

Die Planer sahen jedoch im Rahmen der Baumaßnahme eine gute Dämmung vor: Das Dach erhielt eine Aufsparrendämmung von 14 cm und eine komplette Neueindeckung. Bis auf eine wurden alle Abgasanlagen abgelegt bzw. die Schächte für Installationen genutzt. Der Sockel wurde mit einer Perimeterdämmung versehen, die einen Meter in das Erdreich reicht. Die Kellerdecke erhielt ebenfalls eine Dämmschicht. Außerdem wurde die Fassade durch ein 14 cm starkes Wärmedämmverbundsystem aufgewertet, in das Solar-Luft-Kollektoren eingebunden sind. Sie sitzen unterhalb der Fenster auf der Südseite des Gebäudes und versorgen die dahinter liegenden Räume mit vorgewärmter Luft. Ein kleines PV-Modul liefert den Strom für den integrierten Ventilator, sodass für die Mieter keine zusätzlichen Kosten entstehen.

Die Abdichtung des Gebäudes machte Lüftungsanlagen erforderlich, um den geregelten Luftaustausch gemäß DIN 1946-6 zu gewährleisten. Das Planungsteam entschied sich für das Gerät Vallox ValloMulti 200 SB mit einer Wärmerückgewinnung von über 90 % und einer Luftleistung bis 200 m3/h. Die Außen- und Fortluftleitungen wurden unterhalb der Küchendecke bis zum Lüftungsgerät geleitet. Von dort laufen die Kanäle für Zu- und Abluft in den Flur und enden in Auslässen über den Zimmertüren. In Summe konnte mit diesen baulichen Maßnahmen ein Heizwärmebedarf von ca. 16 kWh/(m2 a) erzielt werden.

Aus Gründen des vorbeugenden Brandschutzes wurden in allen Wohnungen Funkrauchmelder installiert. Im Falle eines Brandes wird die Lüftungsanlage über die Gebäudeleittechnik sofort ausgeschaltet. Auf diese Weise stellt der Planer sicher, dass weder Rauch von außen in die Wohnräume einströmt noch frische Luft einen Brandherd im Innern anfachen kann. Die Stufen des Lüftungsgerätes werden von der installierten Automations- und Managementebene der Firma Kieback & Peter gemäß Vorgabe durch die Wohnungsgenossenschaft Olpe gesteuert. Ebenso wird der integrierte Sommerbypass über die DDC-Anlage gefahren.

Abstimmung mit Brötje

Ehe der EcoGen WGS zum Einsatz kam, wurde das Konzept auf seine Machbarkeit hin untersucht. Dazu trafen sich die Verantwortlichen im Brötje-Werk Rastede. Hier wurde u.a. die Anbindung eines 800-l-Pufferspeichers für die Heizung festgelegt. Um ein kontinuierliches Füllen des Speichers und eine lange Laufzeit des Stirlingmotors zu garantieren, wurde eine Zeitverzögerung von einer Stunde vorgegeben, bis die Gasbrennwerteinheit anspringt. Dies wird – ebenso wie die kontinuierliche Datenerfassung und Auswertung – über die Einbindung der Anlage in die Gebäudeleittechnik erreicht.

Die Einbringung des Mikro-KWK gestaltete sich einfach. Aufgrund seiner kompakten Maße von 918 x 493 x 466 mm (H x B x T) lässt sich das Wand hängende Gerät nahezu überall installieren. Im Mehrfamilienhaus fand es seinen Platz im Keller, daneben steht der Pufferspeicher. Säuberlich nach zwei Hausteilen und Wohnungen getrennt befinden sich die Vor- und Rücklaufleitungen auf zwei Ebenen neben dem Pufferspeicher. Eine weitere wichtige Komponente ist hier ebenfalls zu finden – ein Schaltschrank, in dem alle wichtigen Leitungen zusammenlaufen. Von hier wird die Verbindung zur Zentrale hergestellt, von der aus jederzeit auf die Daten der Heizung und der Lüftungsanlagen zugegriffen werden kann.

Installation und Inbetriebnahme in zwei Tagen

Die Arbeiten wurden im festgelegten Zeitplan durchgeführt. Die Installation und Inbetriebnahme des Geräts erfolgte in zwei Tagen. Durch die gute Vorarbeit und die durchdachte Anschlusssituation lässt sich das Mikro-KWK ähnlich schnell einbauen wie ein Gasbrennwertgerät. Die Abgasleitung DN 80/125 für den raumluftunabhängigen Betrieb konnte an einen bestehenden Schornstein angeschlossen werden. Der EcoGen WGS wird wie ein normales Gasbrennwertgerät jährlich gewartet.

Da KfW-Mittel in Anspruch genommen wurden, war über einen Blower-Door-Test die Dichtheit des Gebäudes zu prüfen. Zu diesem Zeitpunkt wurde klar, dass der Trockenraum unter dem Dach, der den Mietern auch weiterhin zur Verfügung stehen sollte, eine separate Abluftanlage bekommen muss. Dazu wählte man ein Gerät, das über einen Feuchtesensor gesteuert wird. Es sitzt auf einem Querbalken und verfügt über einen Anschluss für die Fortluft, der durch die gedämmte Dachhülle führt.

Erste Erfahrungen

Die bisherigen Auswertungen und Verbrauchswerte bestätigen den Verantwortlichen, dass das Konzept der Modernisierung aufgeht. „Von September 2011 bis einschließlich Juni 2012 wurden rund 3110 m3 Gas verbraucht“, erklärt Hubert Greiten. „Das ist ein Wert, der einem größeren Einfamilienhaus im Bestand entspricht.“ Selbst während der Kälteperiode mit -18 °C produzierte das Gerät genügend Heizwärme.

Den erzeugten Strom setzt die Genossenschaft für den Betrieb der Lüftungsanlagen ein, was den Mietern zugute kommt. Trotzdem konnten noch ca. 30 bis 40 % ins Netz eingespeist und vergütet werden. Um eine bessere Akzeptanz der neuen Technik zu erreichen, nutzt Folker Naumann die Auswertung der Daten für die Beratung der Mieter. „Wir möchten den Bewohnern die Vorteile deutlich machen.“ Die niedrigen Verbrauchswerte zeigten ihnen, dass die Baumaßnahme sinnvoll sei. Die Kaltmiete-Erhöhung von 1,76 € wurde problemlos akzeptiert, denn ihr steht ein halbierter Verbrauch gegenüber.

Ein wichtiger Aspekt der Modernisierung bestand in der Umstellung auf eine zentrale Heizung und der Auskoppelung der Warmwasserbereitstellung.

Den erzeugten Strom setzt die Genossenschaft
für den Betrieb der Lüftungsanlagen ein,
was den Mietern zugute kommt.

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