Digitale Planung für den effizienten Gebäudebetrieb
Eine wesentliche Herausforderung für alle an Planung und Bau Beteiligten liegt in der eigenen Standortbestimmung in einem zunehmend digitalen Umfeld. Das ist eine Aufgabe, die nicht vor den Kommunen haltmacht. Denn sie stehen darüber hinaus auch für Betrieb und Erhalt vieler öffentlicher Immobilien in der Verantwortung.
Der Gebäudebetrieb, der Erhalt und die Pflege, also das Facility Management, machen im Vergleich zu den Erstellungskosten ungefähr 80 % der Gesamtkosten einer Immobilie aus. Damit liegt auf der Hand, dass über den Gebäudelebenszyklus hinweg, bei einer ausführlichen und nachvollziehbaren Fortführung von digitalen Planungsdaten, viel Geld zu sparen ist. Oder gespart werden könnte. Der Konjunktiv bestimmt die Realität, denn bisher nutzen nur wenige öffentliche Träger von Liegenschaften die Optionen digitaler Planungsmethoden, um ihren Gebäudebestand „fit für die Zukunft“ zu machen. Oder um bei Neubauten gleich auf BIM zu setzen. Die Ursachen sind vielfältig wie systemimmanent: zu geringe Personaldecke in den Verwaltungen, überlastete Mitarbeiter, wenig Kenntnisse über digitale Planungsmethoden, veraltete Technik, unzureichende Software oder eine geringe Digital-Affinität in den Entscheiderpositionen.
Erfahrungsaustausch
Das Bild wandelt sich jedoch. Positive Beispiele sind überregionale Arbeitsgruppen von Städten und Gemeinden, in denen sich die Digital-Willigen über konkrete Lösungsansätze für ein intelligentes und zukunftsgerichtetes Facility Management austauschen. So treffen sich zum Beispiel immer wieder Mitarbeiter der Kreisverwaltung Mainz-Bingen mit den Kollegen der Städte Gießen, Herbechtingen, Ravensburg und der Kreiswerke Olpe, um sich über ihre Ideen und Vorstellungen im FM-Bereich auszutauschen und gegenseitig voranzubringen. Auch gehen einzelne Verwaltungen den Weg zu eigenen, internen oder ausgekoppelten Planungsabteilungen, die selbst als Architekten arbeiten und Projekte realisieren. Der große Schritt zur digitalen Planung mit BIM ist im kreativen Verwaltungsumfeld kleiner – schon allein durch einen direkten Nutzen in frühen Planungsphasen.
Die Bauzeichnerin Anja Barczewski arbeitet seit 2006 in der Kreisverwaltung Mainz-Bingen und ist eine derer, die bei solchen übergreifenden FM-Treffen verschiedener Verwaltungen dabei ist. Seitdem ihre Arbeitsstelle geschaffen wurde, pflegt sie alle Planungsdaten digital in das FM-System der Kreisverwaltung. 2006 noch nicht als 3D-Datensatz, wie sie klarstellt. Doch sind auch die Informationen aus den frühen Projekten um die Jahrtausendwende und der Altbestand davor mindestens in 2D erfasst. Die Zielvorgabe, die von Beginn an sie gestellt wurde, geht sogar noch viel weiter: den kompletten Datenbestand in 3D aufzusetzen. Die Kreisverwaltung Mainz-Bingen nutzt für diese spezifische Aufgabe die BIM-Software Archicad und wertet zum Beispiel für ihre Ausschreibungen die Informationen des 3D-Modells in der AVA-Software California und im modellbasierten FM-Tool BuildingOne aus.
Datenarchiv pflegen
Das klingt logisch und transparent. Doch macht Anja Barczewski auf etwas aufmerksam, was viele Verwaltungen betrifft: „Das Archiv ist am schwierigsten. Die Daten zu unseren Liegenschaften sind zwar vorhanden. Aber eine leicht verständliche Sortierung und das notwendige Sichten und Ergänzen bei Bestandsänderungen gab es nicht. Ich habe mir das Archiv vorgenommen und geschaut: Was ist denn eigentlich vorhanden? Und dabei festgestellt, dass vieles da ist! Die planenden oder ausführenden Firmen dokumentieren gut. Aber mit der Abgabe der Unterlagen wird es dann schwierig, denn es muss jemand archivieren – oder noch besser digital erfassen. So eine Arbeitsstelle muss jedoch erstmal genehmigt werden.“
Bei der Kreisverwaltung Mainz-Bingen sind bisher vor allem die Schulen komplett in 3D erfasst. Alles in allem sind dies 20 Gymnasien, Realschulen, Integrierte Gesamtschulen, Förderschulen und Berufsschulen. Hinzu kommen mehrere Flüchtlingsunterkünfte im eigenen Besitz, Verwaltungsbauten, Zulassungsstellen, der städtische Bauhof und Jugendbildungsstätten sowie einige Wohnhäuser. Insgesamt sind es über 100 Gebäude – drei Viertel bereits in 3D, die übrigen noch in 2D gepflegt.
Eine weitere Möglichkeit, die Daten digital für den Betrieb der öffentlichen Immobilien zu nutzen, ist die digitale Erfassung der Bestandsdaten, die über ein externes Zeichenbüro oder einen Architekten beauftragt wird. Sind die technischen Vorgaben, die eine Gemeinde für den Einsatz ihrer FM-Software benötigt, definiert und die Schnittstellen zum FM-System passend, ist das ein gangbarer wie sinnvoller Weg. Doch auch hier ist es erforderlich, im Anschluss einen Mitarbeiter zu haben, der den Datenbestand pflegt und ergänzt. Und der sich darüber hinaus Gedanken macht, wie die Daten auch zukünftig gelesen, weiterbearbeitet sowie sicher gespeichert werden können.
Im konkreten Fall der Kreisverwaltung Mainz-Bingen heißt das auch, dass nicht alle Daten und Informationen zwingend in 3D erfasst bzw. gepflegt werden müssen. Anja Barczewski: „Der Bestand wird von uns sukzessive mit Archicad digital übertragen. Die Gebäude, bei denen größere Umbauten anstanden, wurden zuerst in 3D gezeichnet. Fassaden und Dächer, Fenster, Türen, Wände und Zwischendecken haben wir dabei erfasst. Die Haustechnik bleibt weiterhin in 2D. Das ist für unser Facility Management sinnvoll, weil wir diese Leistungen stets extern vergeben und nicht im Haus bearbeiten. Unsere Datenerfassung bezieht sich also auf die Architektur – bis hinauf zum Dach. Das gestaltet sich bei alten Gebäuden schwerer als bei neuen, wo mindestens digitale 2D-Informationen vorliegen. Aber selbst bei Altbauten von 1909 sind die Daten inzwischen ausreichend für unser FM-System erfasst.“
Für den Gebäudebetrieb bietet die digitale Planung in 3D und mit BIM ernsthaften Nutzen. So ist allein der vereinfachte Austausch von Daten ist ein wichtiger Mehrwert: Wenn Informationen bereits digitalisiert vorliegen, sind sie schnell griffbereit und per E-Mail verschickt. „Das setzt voraus, dass die notwendigen Produktdatenblätter, Prüfberichte und Abnahmebescheinigungen ebenso eingepflegt wurden und im Modell verfügbar sind. Die Datenübermittlung an Dritte ist dann jedoch wesentlich schneller und kostengünstiger als analog möglich“, resümiert Anja Barczewski. Hinzu kommt: Bestandsänderungen in den Plandaten lassen sich dadurch, dass sie in der Verwaltung selbst eingepflegt werden können, schnell dokumentieren und zügig archivieren sowie als digitale Datensätze leicht recherchieren und auffinden. Außerdem bieten die Archicad-Modelldaten durch die Schnittstelle an die AVA eine schnelle und exakte Mengenermittlung. Das ist beispielsweise bei der flächengenauen Ausschreibung der Reinigungsarbeiten von Fenstern oder Böden einer Schule wichtig, ebenso wie bei der Überprüfung von Abrechnungen externer Reinigungsfirmen.
Es ist erforderlich, einen Mitarbeiter zu haben, der den Datenbestand pflegt und ergänzt.