Energiewende: Beste Lösungen gesucht
Mit dem Langzeitprojekt „Energiewende RICHTIG machen I Referenz Controlling Gebäude“ sollen die Betriebsergebnisse von 600 Gebäuden ausgewertet werden. Ziel ist, die Wärme-Energie-Wende im Gebäudesektor zu beschleunigen. Dafür werden noch 100 geeignete Gebäude gesucht.
Die Wohnungswirtschaft sucht gute energetische Konzepte und stellt sich dabei oft die Frage nach dem sinnvollen Niveau sowie geeigneten Maßnahmen. Hilfe bietet der Blick auf umgesetzte positive Beispiele für Neubau und Sanierung und das Wissen, dass viele ambitionierte Maßnahmen weder Kosten- noch Umweltziele erreichen.
80 Einfamilienhäuser in NRW-Solarsiedlungen wurden z.B. in verschiedenen Wärmeschutzstandards mit unterschiedlichen Systemen zur Wärmeversorgung ausgeführt, wobei das Gros der Gebäude Solarwärmeanlagen besitzt. Im Diagramm Langzeiterfahrungen sind die wärmegebundenen CO2-Emissionen im Betrieb dargestellt, die für Gas (grau) und Wärmepumpenanlagen (gelb) mit den Heizkosten korrelieren. Gasbeheizte Passivhäuser (links) unterschreiten Klimaschutz-Zielwerte, gasbeheizte 3-Liter-Häuser überschreiten diese geringfügig (Mitte). Gebäude, die im Niedrigenergie-Standard (rechts) sowie mit Wärmepumpen (gelb) ausgeführt sind, zeigen im Monitoring deutliche Abweichungen. Die gem. [1] ermittelten Werte aus dem Jahr 2006 werden in der Tendenz durch weitere unabhängige aktuelle Untersuchungen auch für Mehrfamilienhäuser bestätigt [2].
Transparentes Monitoring identifiziert robuste Systeme und Maßnahmen zur effizienten Reduktion von Heizkosten und Umweltbelastungen und zeigt instabile Systeme auf, an die besondere Anforderungen in Installation und Betrieb bestehen.
Beispiel für hocheffiziente erfahrungsbasierte Sanierungen
Als positives Beispiel kann die Sanierung von 28 Nachkriegswohnungen in Köln-Mülheim herangezogen werden. Diese wurden mittels umfassenden Wärmeschutzes, eines sparsamen Wärmenetzes sowie einer Solaranlage für Warmwasser und Heizwärme saniert. Durch effizienten Mitteleinsatz von ca. 25.000 Euro je Wohnung wurden die Brennstoffkosten von 14 auf 3 Euro/m²a reduziert. Klimaschutzziele werden mit 12 kgCO2/m²a (15 kg/m²a klimabereinigt) annähernd eingehalten. Die Sanierung ist sowohl hinsichtlich des effizienten Mitteleinsatzes als auch in Bezug auf geringe Heizkosten und Emissionen erfolgreich.
Aus Sicht der KfW-Förderung wird die Sanierung jedoch lediglich als KfW Effizienzhaus 100 eingestuft. Mit der Änderung der EnEV und KfW-Anforderungen ab 2016 wird die genannte Gas-Solar-Lösung für Neubauten sogar nicht mehr realisierbar, obwohl Kosten- und Umweltziele bei effizientem Mitteleinsatz vorbildlich eingehalten werden.
Falsche Investitionslenkung durch EnEV und KfW
Sowohl die Analyse von Einzelgebäuden als auch die von wohnungswirtschaftlichen Beständen zeigt, dass Heizkosten und zugleich Klimaschutz oft nicht im Zusammenhang mit dem KfW- und EnEV-Standard stehen. Betriebsergebnisse ähnlicher Gebäude aus zwei Beständen, die je im KfW 60/ KfW 70 Standard ausgeführt wurden, veranschaulichen die Unterschiede: Mittels Wärmepumpe beheizte Gebäude zeigen hier Brennstoffkosten von ca. 10 Euro/m²a und CO2-Emissionen von ca. 30 kg/m²a. Die primärenergetisch gleichen, jedoch qualitätsgesicherten Gebäude aus einem Gas-Solar-Pool zeigen Brennstoffkosten von ca. 5 Euro/m²a und CO2-Emissionen von ca. 20 kg/m²a auf.
Die Verordnungen sind u.a. durch die politisch forcierte Elektrifizierung des Gebäudebestandes beeinflusst. Der wesentliche Primärenergiefaktor von Strom z.B. wurde von 2006 bis 2016 „willkürlich“ [3] von 3,0 auf 1,8 reduziert. Wärmepumpen werden „mit weitreichenden Konsequenzen für den Wettbewerb“ [4] zur neuen Leittechnik erklärt, obwohl deren Praxisbetrieb eine besondere Anfälligkeit für Fehler zeigt [5]. Das theoretische Rechenwesen der EnEV entfernt sich zunehmend von der Baupraxis. Notwendige praktische Maßnahmen zur Qualitätssicherung werden nicht ergriffen.
Besondere Lenkungswirkung kommt den Programmen der KfW zu, mit denen von 2006 bis 2013 energieeffiziente Maßnahmen für ca. 2,4 Mio. Wohnungen gefördert wurden. Trotz der Bedeutung der Programme fehlt hier die messwertbasierte Rückkopplung der erzielten Ergebnisse als Entscheidungsgrundlage für zukünftige Bau- und Sanierungsprojekte [5]. Die Veröffentlichung von Ergebnissen energetischer Bau- und Sanierungsmaßnahmen ist administrativ schwierig und kann Fehler offenbaren, die Regressforderungen ermöglichen. Alleine für Wärmepumpen wird der Schaden durch überhöhte Heizkosten schon in 2011 auf ca. 100 Mio. Euro und 300.000 t CO2 geschätzt [5]. Die breite Einführung belastbarer Bottom-Up-Ansätze, die heute wirtschaftlich möglich sind, ist in öffentlichen Programmen zeitnah nicht zu erwarten.
Energiewende ist Praxisaufgabe der Zivilgesellschaft
Für eine erfolgreiche Gebäude-Energiewende ist jedoch ein unabhängiges, langjähriges und transparentes Monitoring notwendig, um Bauherren erfahrungsbasierte Investitionen zu ermöglichen. Durch die Rückkopplung und den Abgleich mit Zielwerten wird eine Regelung der Wärme-Energiewende auch im volkswirtschaftlichen Sinne erst ermöglicht. Politik und Fördergebern können praxiserprobte und wirtschaftliche Methoden zur Verbesserung ihrer Instrumente zur Verfügung gestellt werden.
Realistische und kontrollfähige Ziele notwendig
An Stelle theoretischer Vorgaben werden verständliche, realistisch machbare und kontrollfähige Ziele benötigt, die Kosten-Effizienz und Umweltverträglichkeit ermöglichen. Das Ziel der wärmegebundenen Nebenkosten für Heizwärme und Warmwasser mit Brennstoff und Wartung beträgt erfahrungsgemäß ca. 3- 5 Euro/m²a. Benchmarks für die Instandsetzung sind separat zu erfassen. Umweltkennwerte werden durch das „2°C-Ziel“ für die maximale Erderwärmung vorgegeben [6] und liegen im Landesprogramm „100 Klimaschutzsiedlungen NRW“ vor: Die Einhaltung der Vorgaben von 9 (Neubau) bzw. 12 (Sanierung) kgCO2/(m²a) ist erfahrungsgemäß wirtschaftlich machbar.
Wettbewerb um beste Lösungen
Auf Basis der langjährigen Auswertung von Betriebsergebnissen, insbesondere wohnungswirtschaftlicher Anlagen, wurde das Projekt „Energiewende RICHTIG machen I Referenz Controlling Gebäude“ entwickelt. Anhand von 600 Gebäuden soll über die 15-jährige Laufzeit in drei Etappen eine Wärme-Energiewende im Gebäudesektor vorgemacht und beschleunigt werden. Kosten- und umweltschonende Konzepte treten im transparenten Vergleich an: bewährte Wärmeschutzkonzepte, Solar- und Biomasseanlagen, tatsächlich effiziente Stromheizungen, sparsame Wärmeverteilungen und Lüftungsanlagen.
Übergeordnetes Ziel ist es, kostengünstige und robuste Systeme herauszuarbeiten, aber auch auf Fehlentwicklungen hinzuweisen, z.B. falls die Klimaschutzziele nicht oder nur überteuert eingehalten werden. Unabhängige Erfahrungswerte dienen so als Grundlage für eine echte Energiewende im Gebäudesektor. Eine besondere Bedeutung kommt der Unterstützung von Fachkräften und Planern bei ihrer Arbeit zu. Das Projekt wird unter Offenlegung der finanziellen Mittel aus den überschaubaren Einmal-Beiträgen der teilnehmenden Gebäude durchgeführt.
Die teilnehmenden Wohnungsunternehmen erhalten umfassende Informationen für ihre Gebäude:
– Einschätzung der Wirksamkeit geplanter Maßnahmen an Gebäudehülle, Lüftung, Wärmeverteilung und Wärmeerzeugung
– Sichtung der KfW-Unterlagen mit Eignungsprüfung
– Informationen zu Qualitätssicherung und Garantieverträgen
– Informationen zu Messpunkten in Form von Standardmessschemata zur Planungsunterstützung
– Monatliches Monitoring wesentlicher Effizienzparameter, Hinweis zu Grenzwertüberschreitungen
– Jährliche Reports zu Emissionen und Heizkosten mit Vergleich zu ähnlichen Gebäuden
– Informationen zur Wirksamkeit von Investitionen anhand der wärmegebundenen Neben- und Instandhaltungskosten sowie der Umweltbelastung
– Möglichkeit zur Online-Darstellung der Gebäudeperformance
Noch ca. 100 geeignete Wohngebäude für Projektstart gesucht
Die Machbarkeit des Projektes wurde im Vorfeld mit führenden Experten energieeffizienten Bauens und Sanierens abgestimmt: Dr. Ernst Fleischhacker (Energiemonitoring Tirol), Dipl.-Ing. Andreas Gries (Themenfeldleiter energetisches Bauen und Sanieren der Energieagentur NRW), Dipl.-Psych. Olaf Hofmann (SKOPOS Institut für Markt- und Kommunikationsforschung), Dr. Ulrich Leibfried (Consolar Solare Energiesysteme), Prof. Dr. Madjid Madjidi (Hochschule München), Dipl.-Ing. Peter Zeiler (Peter Zeiler + Partner Ingenieurgesellschaft). Die Ludwig-Bölkow-Stiftung unterstützt die Verbreitung und übt eine Kontrollfunktion aus. Die Stiftung Energieeffizienz leitet das Projekt ehrenamtlich.
Erste wohnungswirtschaftliche Gebäude sind durch die Erbbauverein Köln eG, die GEWOG Porz eG, die GGH Heidelberg mbH und die GWG Schwerte eG eingebracht.
Für die erste Etappe des Projektes werden bis zum 30.11.2015 noch ca. 100 geeigneteWohngebäude gesucht. Gebäude-Anmeldungen an die Stiftung Energieeffizienz werden bis Ende 2015 auf ihre Eignung geprüft. Informationen zum Projekt finden sich unter www.stiftung-energieeffizienz.org
Quellen [1] Schreckenberg, D.: Langzeiterfahrungen mit Wärmeversorgungssystemen in Solarsiedlungen. Vortrag beim Netzwerktreffen energieeffizientes und solares Bauen zum Thema „50 Solarsiedlungen in NRW - Erfahrungsaustausch“ der EnergieAgentur.NRW, Düsseldorf, 10.06. 2015 [2] Ortjohann, J., Schreckenberg, D., Wenzel, W.: Bericht zum Betatest 2009-2011 - Einfluss der Qualitätssicherung auf die Betriebsergebnisse von energetischen Anlagen in der Wohnungswirtschaft. Köln, 2012 [3] Stellungnahme der Bundesingenieurkammer zur Novellierung des Energieeinsparungsgesetzes (EnEG) und der Energieeinsparverordnung (EnEV) - Stand: 15.10.2012. Berlin, 2012 [4] EnEV-Novelle: Kritik aus den Verbänden. TGA Fachplaner-News 19.11.2012, abgerufen unter www.tga-fachplaner.de am 31.07.2015 [5] Ortjohann, J., Schreckenberg, D.: Energiewende RICHTIG machen I Referenz-Controlling-Gebäude. Arbeitspapier zum Projekt, Köln, 2015 [6] Ortjohann, J.: Klimaschutz-Zielwerte zur Steuerung der Energiewende im Gebäudesektor. Vortrag beim Informationskreistreffen „Energieeffizienz-Monitoring Gebäudebestand“ des Instituts Wohnen und Umwelt, Darmstadt, 8. Juli 2015Mit der Änderung der EnEV und den KfW-Anforderungen ab 2016 werden manche Lösungen nicht mehr realisierbar, obwohl Kosten- und Umweltziele bei effizientem Mitteleinsatz vorbildlich eingehalten werden.
Das theoretische Rechenwesen der EnEV entfernt sich zunehmend von der Baupraxis.
An Stelle theoretischer Vorgaben werden verständliche, realistisch machbare und kontrollfähige Ziele benötigt.