Farbpause statt überbuntete Ostereiersiedlung
Nach umfassender energetischer Sanierung präsentiert sich das Mehrfamilienhaus Pfalzsprung 12 in Bad Kreuznach in edlem Grau und zurückhaltendem Violett. Die Mieter profitieren von den Einsparungen beim Energieverbrauch und dem verbesserten Wohnumfeld.
Wohnqualität wird von vielen Faktoren bestimmt. Neben dem emotionalen Wohlfühl-Wert tragen nach Hannes Weeber und Simone Bosch[1] Gebrauchswert und Gebrauchsnutzen, Geltungsnutzen sowie Schutzfunktionen und sozialräumliche Qualität wesentlich dazu bei. Auch Organisatorisches, das Wohnumfeld und die Lage der Immobilie beeinflussen den Wohnwert. Die Zufriedenheit von Mietern hängt also nicht nur vom individuellen Ambiente in den eigenen vier Wänden ab, sondern vom Gesamtpaket: dem Aussehen des Gebäudes, der Nachbarschaft, der gelungenen Mischung aus Privatsphäre und Öffentlichkeit – und selbstverständlich von der Alltagstauglichkeit und problemlosen Nutzbarkeit.
Karl-Heinz Seeger, Geschäftsführer der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft GEWOBAU in Bad Kreuznach kennt diese Zusammenhänge und verspricht sich von der konsequenten Verbesserung des Wohnumfelds positive Rückkoppelung: „Wer seine Wohnung betritt, muss dazu sein Viertel durchqueren – und schließlich den Hausflur, bis er zu seiner Wohnung gelangt. Menschen fühlen sich in einem gepflegten Umfeld einfach wohler, das hat übrigens nichts mit dem Einkommen zu tun. Und wer in einem gepflegten Umfeld lebt, pflegt auch sein persönliches Umfeld besser.“ [2]
Vermutlich trägt dieses Verständnis zum wirtschaftlichen Erfolg seines Unternehmens bei. Immerhin ist die GEWOBAU mit rund 2.000 Immobilien in zentraler Lage das größte Immobilienunternehmen in Bad Kreuznach und kann stolz auf – durchaus nicht branchenübliche – Vollvermietungssituation verweisen. Auch beim jüngsten/aktuellen Sanierungsprojekt der GEWOBAU wurde verstärkt auf die Verbesserung des Wohnumfelds geachtet.
Barrierefreiheit und Wohnwertsteigerung
An der Grenze zwischen Hunsrück und Rheinhessen gelegen, hat sich Bad Kreuznach aufgrund seiner klimatisch und geographisch günstigen Lage „im milden Westen“ als Mittelzentrum etabliert. Ca. 150.000 Menschen aus der Region kommen regelmäßig in die 44.000-Einwohner-Stadt, um zu arbeiten, einzukaufen oder die zahlreichen kulturellen Angebote wahrzunehnen. Das Anwesen Pfalzsprung 12 liegt im so genannten Musikerviertel am südöstlichen Rande des Stadtkerns in einer verkehrsberuhigten Zone, in unmittelbarer Nachbarschaft zum ehemaligen Kasernengelände.
Altersbedingte Mängel machten die Sanierung des Gebäudes von 1976 notwendig. Neben der Schadensbehebung galt es, den modernen energetische Anforderungen gerecht zu werden. Da neun der zwölf Mietparteien mit körperlichen Einschränkungen/Behinderungen leben, war es dem Bauherrn besonders wichtig, für Barrierefreiheit im Haus zu sorgen. Gleichzeitig sollten Akzeptanz des Gebäudes und damit auch der Wohnwert gesteigert werden.
Das massiv undichte Flachdach, ein so genanntes Nassdach mit PVC-Abdichtungsbahn, 60 mm XPS-Wärmedämmung und Kiesschüttung, wurde komplett entfernt und völlig neu mit EPS-Gefälledämmung aufgebaut. Neue PVC-Fenster mit 5-Kammer-Profilen und 3-fach-Wärmeschutzverglasung (Ug-Wert = 0,8 W/m2K) ersetzen nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen die alten Holzverbundfenster. Weitere energetische Einsparungen wurden durch den Austausch der vorhandenen Gas-Heizwertgeräte gegen moderne Brennwertgeräte erreicht.
Das größte Einsparpotenzial im Hinblick auf Wärmeverluste liegt jedoch generell bei der Fassadendämmung. Außerdem mussten Am Pfalzsprung 12 bestehende Wärmebrücken beseitigt werden. Zur Dämmung des 30er-Bims-Hohlblock-Mauerwerks entschied sich der Architekt für das Wärmedämmverbundsystem PRO der Firma Baumit: Der Aufbau aus 120 mm dicken EPS-Fassadendämmplatten ProTherm 035W, wärmebrückenfreien Dübeln, mittelschichtiger mineralischer Armierung ProContact DC 56 und Bewehrungsgewebe StarTex Fein wird durch eine Endbeschichtung mit NanoporTop und dem Anstrich NanoporColor komplettiert. Die Kombination aus selbstreinigendem photokatalytischen Putz und Silikatfarbe mit Nanozusätzen und photokatalytisch wirksamem Pigment verspricht langfristig eine dauerhaft ansehnliche, schmutz-, pilz- und algenfreie Oberfläche. Dieser „Anti-Aging-Vorteil“ der Endbeschichtung war letztendlich ausschlaggebend für die Wahl des Produkts. In Summe wurde durch die Kombination der Sanierungsmaßnahmen eine geschätzte Energieeinsparung von 30% erreicht, von der die Mieter ohne Mietpreiserhöhung profitieren können.
Durch geringfügige bauliche Veränderungen hat sich der Nutzungswert für die Mieter deutlich erhöht: Dank neu geschaffener barrierefreier Zugänge können jetzt alle Bewohner ihre renovierten Balkone ungehindert nutzen. Behindertengerechte Komfortbeschläge erleichtern das problemlose Öffnen der Fenster.
Farbgestaltung: Spiel mit Licht und Schatten
Zur optischen Aufwertung des Gebäudes zog die GEWOBAU den Farbgestalter Peter Zoernack zu Rate, mit dem sie in den vergangenen Jahren bereits etliche Projekte realisiert hat. Zoernack sieht seine Aufgabe darin, durch subtile Farbgebung harmonisierend auf das Wohnumfeld einzuwirken. Er verwendet gern „verhüllte“ Farbtöne, die sich unaufdringlich in die Natur und Nachbarbebauung einfügen. Um die drohende Entstehung einer schrillen, „überbunteten Ostereiersiedlung“ zu vermeiden, die niemand wirklich als attraktiv empfindet, hat er im Auftrag der GEWOBAU für den Pfalzsprung ein Farbleitkonzept entwickelt, das dem Viertel optischen Zusammenhalt verleiht und gleichzeitig die Individualität der einzelnen Gebäude hervorhebt.
Das Mehrfamilienhaus Pfalzsprung 12 hat Zoernack als beruhigende „Farbpause“ im Ensemble vorgesehen. Ursprünglich in warmen Gelbtönen gehalten, präsentiert es sich nach der Sanierung Ton in Ton in fein abgestuften, neutralen Nichtfarben. Der weiße, etwas plumpe Baukörper wird durch Farbflächen in edlen Grau-Nuancen und dezenten Violett-Tönen in seiner Massigkeit aufgelöst und gegliedert. Zu dieser für ihn völlig neuen, freien Farbverteilung wurde Zoernack vom GEWOBAU-Geschäftsführer Karl-Heinz Seeger ausdrücklich ermutigt. Die optische Verschachtelung, das Spiel mit Licht und Schatten verleihen dem unspektakulären Bau eine völlig neue Eleganz. Durch geschickten Einsatz von Farbe ist es Zoernack gelungen, dem „ehemaligen Grobian ein Lächeln abzuringen“. Auch die zweifarbigen Fensterprofile tragen zum filigraneren Erscheinungsbild bei: Vor dem dunkleren Grau des feststehenden Rahmens, wirkt der hellere bewegliche Rahmen deutlich feiner.
Die noble Außenwirkung des Gebäudes macht es den Bewohnern leicht, ihr „aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsstes“ Wohnhaus zu akzeptieren und sich damit zu identifizieren. Geringere Energiekosten bei erhöhtem Nutzungswert tragen zusätzlich erheblich zur individuellen Wohnzufriedenheit bei.
Literatur[1] Hannes Weeber/Simone Bosch: Nachhaltig gute Wohnqualität. Fraunhofer IRB Verlag 2004 (= Bauforschung für die Praxis, Bd. 64)[2] „Wir sind fit für die Zukunft“. In: Modernes Wohnen. Ein Porträt der Gewobau, Bad Kreuznach, S. 8