Flächenpotenziale aktivieren

In einer Serie mit dem BMUB präsentieren wir Projekte aus der Bauforschung. In Teil 35 geht es um die „Aktivierung von Innenentwicklungspotenzialen in wachsenden Kommunen“.

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung und das Bundesbauministerium unterstützen mit acht Modellvorhaben verschiedene Handlungsmöglichkeiten zur schnelleren Nutzung vorhandener Innenentwicklungspotenziale wie Brachflächen, Baulücken oder Nachverdichtungsflächen. Das lokal agierende „Innenentwicklungsmanagement für mehr Wohnungsbau“ agiert als Mittler zwischen Planern, Eigentümern und Investoren.

In wachsenden Städten hat sich ein enormer Druck auf die Wohnungsmärkte aufgebaut, der sich in hohen Mieten und Preisen bei gleichzeitigem Mangel an bezahlbaren Wohnungen ausdrückt. Die Verfügbarkeit von Bauland ist die zentrale Stellschraube für die Realisierung von innerstädtischem Wohnungsbau. Gerade in der Innenentwicklung sind zahlreiche Potenziale für Wohnungsneubau vorhanden, es treten aber auch größere planerische Herausforderungen aus, als dies bei Wohnungsbau in der Außenentwicklung der Fall ist. Integrierte Lagen, Belastungen aus vorherigen Nutzungen sowie nachbarschaftliche Widerstände erschweren das Bauen im bestehenden Siedlungsgebiet und erhöhen den Abstimmungsaufwand. Die Chancen liegen hier in einer individuellen Planung und ausgereiften baulichen Lösungen.

Im Allgemeinen trägt die Innenentwicklung zu einer Reduzierung des zusätzlichen Flächenverbrauchs bei, verringert Verkehrsströme und führt zu einer besseren Auslastung vorhandener Infrastrukturen. Auf diese Weise leistet sie einen Beitrag zur Umsetzung der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Darüber hinaus entspricht sie auch den aktuellen Wohnpräferenzen großer Teile der Bevölkerung.

Innenentwicklung als ein Schwerpunkt im Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen

Das Bundesbauministerium führt seit 2014 mit dem „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“ Bund, Länder, Kommunen, Wohnungs- und Bauwirtschaft, den Deutschen Mieterbund, Gewerkschaften sowie weitere gesellschaftlich relevante Akteure zusammen, um die Herausforderungen am Wohnungsmarkt zu bewältigen und insbesondere bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und zu sichern. Mit der beschlossenen Wohnungsbau-Offensive liegt ein 10-Punkte-Programm vor, in der die Baulandbereitstellung, die Nachverdichtung von Wohnsiedlungen und die Schließung von Brachflächen und Baulücken sowie eine Verbesserung der Neubauakzeptanz zentrale Themen sind.

Der Wohnungsneubau hat in den letzten Jahren überwiegend in der Innenentwicklung stattgefunden. Die kommunale Praxis zeigt jedoch auch, wie schwierig es ist, innerstädtische Flächenpotenziale für den Wohnungsbau zu aktivieren. Vielerorts fehlen Informationen und Ressourcen für ein aktives Flächenmanagement, das Grundstückseigentümer und Investoren systematisch einbezieht. Für den erforderlichen Wohnungsneubau ist auch die Akzeptanz von Baumaßnahmen in Politik und Bevölkerung notwendig.

Impulse aus dem ExWoSt-Forschungsfeld

Vor dem Hintergrund des Bündnisses und insbesondere deren Arbeitsgruppe „Aktive Liegenschaftspolitik“ hat das BBSR im letzten Jahr das ExWoSt-Forschungsfeld „Aktivierung von Innenentwicklungspotenzialen in wachsenden Kommunen“ aufgelegt und acht Modellkommunen ausgewählt, in denen die Umsetzung eines aktiven Innenentwicklungsmanagements inhaltlich und finanziell gefördert wird. Aalen, Berlin, Hamburg-Altona, Ludwigsfelde, Offenburg, Regensburg, Solingen und Trier werden hierfür bis Ende 2019 als „städtebauliche Labore“ dienen. Die Kommunen bieten ein breites thematisches wie siedlungsstrukturelles Spektrum und verfolgen vielfältige Ansätze mit dem Ziel, vorhandene Flächenpotenziale zu aktivieren und mehr Wohnungsbau zu schaffen. Die Fragen, wann ein aktives Innenentwicklungsmanagement gefordert ist und was in dynamischen Städten der Markt allein regelt, wird in den Kommunen mit individuellen Ansätzen zu beantworten sein.

Im Ergebnis werden Lösungen aufgezeigt, wie mehr bezahlbarer Wohnungsbau erfolgreich realisiert werden kann. Dazu gehören neben Wohnungen der Sozialen Wohnraumförderung auch Miet- und Eigentumswohnungen im unteren und mittelpreisigen Segment. Das Ziel des Forschungsfelds ist die Entwicklung eines „Werkzeugkasten für die Innenentwicklung“, der auch die Übertragbarkeit von praxistauglichen Lösungen sichert und eine Hilfestellung für andere Kommunen bietet.

Lokales Innenentwicklungsmanagement als Kümmerer vor Ort

Das kommunale Innenentwicklungsmanagement berät neben Investoren insbesondere die Grundstückseigentümer, die bei der Mobilisierung von innerstädtischen Flächen eine Schlüsselrolle spielen. Hierbei ist eine aktivierende und angemessene Ansprache der Eigentümer entscheidend. Des Weiteren vernetzt das Innenentwicklungsmanagement alle relevanten Akteure und schafft bei Bedarf Interessensausgleiche. Zu den unmittelbaren Akteuren gehören neben Grundstückseigentümern, Bauherren und Investoren auch die Verwaltung, Politik, Nachbarn bzw. die Bürgerschaft. Eine zentrale Anlaufstelle wie das Innenentwicklungsmanagement soll Transparenz und Kommunikation befördern.

Darüber hinaus sollen verwaltungsinterne Prozesse optimiert werden. Dies kann nur mit ausreichend Personal gewährleistet werden. In einigen Modellvorhaben geht es um den Aufbau, bei anderen eher um die Qualifizierung vorhandener Strukturen.

Flächenpotenziale breit denken

Während einige Modellvorhaben auf Stadtteil- oder Quartiersebene mit der (meist kleinteiligen) Flächensuche begonnen haben, haben andere bereits konkrete Pilotflächen im Blick. In diesem Zusammenhang sind alle vorhandenen, für den Wohnungsbau geeigneten Flächenpotenziale zu nutzen, da die leicht mobilisierbaren Grundstücksreserven in den letzten Jahren stetig abgenommen haben. Das Spektrum reicht von Brachflächen, Baulücken bis hin zur Nachverdichtung untergenutzter Grundstücke und der Aufstockung von Gebäuden.

Dies können innerstädtische Areale, die auf den ersten Blick zu erkennen sind, oder Potenziale im Hinterhof sein, die beispielsweise als Garagenhöfe oder Parkflächen genutzt werden. Auch die Nachnutzung von kleinen bis mittleren Gewerbebetrieben kann für Wohnungsbauvorhaben interessant sein. Hierbei sollte eine individuelle Entwicklung von Wohn- und Gewerbeflächen in der Kommune berücksichtigt werden. Die Flächenpotenziale verfügen über unterschiedliche planungsrechtliche Voraussetzungen. Darunter fallen beispielsweise Vorhaben innerhalb bebauter Ortsteile nach § 34 BauGB oder Gebiete mit bestehendem oder neu aufzustellendem Bebauungsplan. Die Modellvorhaben sollen neue Instrumente und Verfahren (z.B. „Urbane Gebiete“) erproben. Eine zentrale Aufgabe ist dabei, Restriktionen in Planungs- und Genehmigungsprozessen zu erkennen und letztlich zu überwinden, um eine Beschleunigung der Verfahren zu erzielen. Es geht bewusst um eine proaktive Planungs- und Liegenschaftspolitik.

Aufgaben eines kommunalen Innenentwicklungsmanagements

Zusammenfassend gehören folgende typische Aufgaben zu einem Innenentwicklungsmanagement und stellen somit den Anspruch im Forschungsfeld dar:

– Kompetenzen und Prozesse innerhalb der Verwaltung bestimmen

– zentraler Ansprechpartner für interne und externe Anfragen sein

– Flächen identifizieren, bewerten, priorisieren und mobilisieren

– Planungs- und Genehmigungsprozesse optimieren

– Akteure beraten und vernetzen

– Neubauakzeptanz schaffen

– Einbettung in lokale Bündnisse und wohnungspolitische Gesamtstrategien

Ob diese Aufgaben im Team oder durch eine Person, einem sogenannten „Innenentwicklungsmanager“, übernommen werden, ist in den acht Modellvorhaben unterschiedlich. Das Innenentwicklungsmanagement muss dabei ein erhebliches Anforderungsprofil aufweisen: zum einen die fachlichen Kompetenzen in der Planung und Umsetzung und zum anderen die hohen kommunikativen Fähigkeiten bei der Eigentümeransprache, der Öffentlichkeitsarbeit und der Moderation bei Konflikten mit Eigentümern, Investoren, Politik oder Bürgerinitiativen.

Ausblick

Die Modellvorhaben sind Anfang des Jahres gestartet und gehen in der Umsetzung eines aktiven Innenentwicklungsmanagements verschiedene Wege. Unterschiede bestehen in den planerischen und ökonomischen Voraussetzungen, der organisatorischen Umsetzung des Innenentwicklungsmanagements sowie bei den vielfach möglichen Akteursgruppen, die eingebunden werden. Die Anforderungen des Aufgabenprofils sind dementsprechend hoch. Bei den Herausforderungen vor Ort bringen die Modellvorhaben ein hohes Engagement mit.

Die Modellvorhaben werden Impulse für kommunale Akteure in Kooperation mit der lokalen Wohnungs- und Immobilienwirtschaft setzen. Bis Ende 2019 wird sich zeigen, wie sich das Innenentwicklungsmanagement vor Ort etabliert hat und wie tragfähige Strukturen zu gestalten sind. Darüber hinaus gilt es, gegenwärtige Instrumente optimal einzusetzen, neue Verfahren zu erproben und Optimierungsbedarfe zu arrondieren. Diese sollten dann Eingang in das tägliche Verwaltungshandeln finden. Es soll zudem ein verstärktes Bewusstsein für die Notwendigkeit des Neubaus und eine positive Wahrnehmung der wohnbaulichen Nachverdichtung geschaffen werden.

Verena Lihs, Dipl.-Volkswirtin, Projektleiterin im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Referat II 12 Wohnen und Gesellschaft
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