Großbaustelle Wohnungsbau
Der Immobiliendienstleister Drees & Sommer greift Themen auf, die die Branche bewegen
Öffentlichen wie privaten Bauherren macht das Thema Wohnungsbau von Monat zu Monat mehr Sorgen. Mangel an Fachpersonal, Hochkonjunktur und eine steigende Komplexität der Bauaufgaben führen dazu, dass die aktuellen Kapazitäten in der Bauindustrie zu knapp werden, um dem hohen Bedarf an Bauaufgaben zu bewältigen. Das wirkt sich auf die Errichtung neuer Wohngebäude und die Wohnraumversorgung in Deutschland aus. Für viele rückt damit auch der Wunsch nach bezahlbarem Wohnraum in weite Ferne. Wer hierfür Lösungen sucht, sollte sein Augenmerk vor allem auch auf eine eine gut organisierte Baustelle sowie auf digitale und industrielle Verfahren im Neubau setzen.
Aktuelle Studie untersucht Status Quo in Berlin
An welchen Stellen es genau hapert, haben Drees & Sommer und bulwiengesa kürzlich gemeinsam für die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften Berlins in einer Studie „Kapazitäten in der Baubranche“ untersucht. Bauträger, Projektentwickler und Bauunternehmen wurden zu Herausforderungen und Zukunftsaussichten der Branche befragt. Zudem umfasste die Studie eine Analyse organisatorischer, digitaler und technischer Trends.
Entstanden ist ein objektiver und aktueller Statusbericht, der aufzeigt, dass ein Wandel notwendig ist. Und das bald. Einerseits müssen dazu neue Fach- und Nachwuchskräfte gewonnen, auf der anderen Seite müssen die Planungs- und Bauprozesse optimiert und neugestaltet werden. Während sich die Produktivität in anderen Industriezweigen in den letzten 25 Jahren um bis zu 40 Prozent steigern konnte, stagniert die Arbeitsproduktivität in der Bauwirtschaft.
Lean Construction im Bauwesen
Gerade die Autoindustrie wird häufig als Musterbeispiel dafür herangezogen, wie die Bauwirtschaft effizienter arbeiten könnte. Zwar wenden Kritiker ein, dass ein Auto in tausendfacher Ausführung produziert würde, während jedes Bauwerk eine Einzelanfertigung sei. Wer sich näher damit beschäftigt, stellt jedoch fest, dass heute jedes Modell individuell konfiguriert und aus zahlreichen zugelieferten Bauteilen auf einheitlichen Plattformen individuell zusammengestellt wird. So gesehen gibt es viele Parallelen zwischen einem Gebäude und modernen Fahrzeugen. Organisation, Abläufe und Produktionsweisen der Bauindustrie können sich der Automotive- Industrie viel mehr annähern.
Entsprechend lassen sich auch deren Organisationsmodelle auf die Bauwirtschaft übertragen. Insbesondere gilt das für Lean Methoden, die auf den Ideen von Taiichi Ohno von Toyota beruhen. Kurz skizziert werden hierdurch Prozesse, die keinen Mehrwert schaffen und Verschwendung verursachen, eliminiert. Ziele, die bislang bei vielen Bauprojekten noch nicht erreicht werden, da sich die einzelnen Beteiligten zu sehr auf ihre Einzelleistungen fokussieren. Das kann gerade auch im Wohnungsbau zu unnötigen Verzögerungen oder Leerläufen führen.
Luft nach oben bei Vorfertigung und modularen Bauen
Einhergehend mit solchen Lean-Methoden sollten sich Bauherren, Planer und Hersteller auch mit den Konzepten der Modularisierung verstärkt beschäftigen. Schon in den 1920er und 1930er Jahren experimentierten die Bauhausarchitekten damit, durch Standardisierung und funktionale Denkweisen Vorfertigung und rationellere Bauweisen zu ermöglichen. Heute sind die technischen Voraussetzungen dafür deutlich besser. Trotzdem liegen die Marktanteile modularer Konzepte im Wohnungsbau immer noch im einstelligen Prozentbereich. Doch auch hier sind positive Entwicklungen, die ausgebaut werden müssen, erkennbar. Produktivitätssteigerungen von 15 bis 20 Prozent sind nach ersten Erfahrungen möglich. Es gilt also: Das Konzept muss weiter ausgebaut und der Vorfertigungsgrad erhöht werden. Vor allem müssen die Angebote vielfältiger und flexibler werden.
BIM als Planungsgrundlage für Modularisierung
Die Modularisierung der Bauelemente beschränkt sich derzeit größtenteils noch auf Flächenmodule, die in geschlossenen Systemen aus einer Hand angeboten werden. Die Zukunft ist jedoch, dies auf Raum- und Technikmodule anzuwenden, diese in offenen Systemen und frei gestaltbar anzubieten. BIM (Building Information Modeling) schafft hierfür die Voraussetzungen. So könnten die Module als Planungsgrundlage in einer Art „Open Source“-BIM-Moduldatenbank zur Verfügung stehen und auf dem Markt angeboten werden. Daraus resultiert, dass verschiedene Planungsteams oder Bau-Netzwerke auf Pläne und Teile zugreifen können und so eine Individualisierung auch mit modularen Konzepten möglich wird. BIM bedeutet Kommunikation, Koordination und Kollaboration und damit die Vermeidung von Schnittstellen und Informationsverlusten. Das führt zu mehr Effizienz und Kapazitätssteigerung bei gleicher Beschäftigtenzahl– auch beim Wohnungsbau.
Die Zukunft ist digital
Herrschte bisher noch eine gewisse Skepsis gegenüber digitalen oder industriellen Lösungen, so wird mittlerweile klar, dass mittelfristig nur so die Attraktivität der Arbeitsplätze und die Produktivität gesteigert sowie den hohen Anforderungen an die Branche gerecht werden können. Und zur jetzigen Situation heißt dies: Es müssen mehrere Hebel in Bewegung gesetzt werden, um den künftigen Bedarf an neuen Wohnungen decken zu können.