BBB-Exklusiv

BBB-Exklusiv: „Ideal wäre
eine Politik, die langfristig denkt und plant“

Zehn Jahre lang hat Walter Rasch als Präsident die Geschicke des BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e. V. gelenkt. Im Mai 2014 übergibt er Andreas Ibel den Staffelstab und damit die Leitung des Verbandes. Jola Horschig, Redakteurin des BundesBauBlattes, sprach mit beiden über vergangene, aktuelle und künftige Entwicklungen in der Wohnungswirtschaft.

Herr Rasch, im Jahr 2004 haben Sie das Amt des Präsidenten des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) übernommen. Welche Rahmenbedingungen bestimmten damals die Wohnungswirtschaft?

Walter Rasch: Es war abzusehen, dass die Eigenheimzulage, mit der die Bildung von selbstgenutztem Wohneigentum gefördert wurde, auslaufen würde. Zum 1. Januar 2006 wurde eine der größten staatlichen Subventionen eingestellt, weil die Politik davon ausging, wir hätten einen gesättigten Wohnungsmarkt und eine schrumpfende Bevölkerung und somit keine Probleme mehr im Wohnungsbau. Das war eine falsche Entscheidung, denn die Realität sah anders aus. Bereits 2010 zeigte eine Studie der Prognos AG, dass der Wohnungsneubau nicht ausreichte, um den Ersatzbedarf zu befriedigen, geschweige denn den Neubaubedarf für energetisch nicht sanierbare Objekte zu decken. Auch ein möglicher Wachstumsbedarf war überhaupt nicht eingerechnet.

Wir machten die Politik auf den steigenden Bedarf in den Städten aufmerksam und darauf, dass die Quartiere in den neuen Bundesländern und auf dem Land schrumpfen würden. Doch die Politik hat uns nicht geglaubt. Dann überlagerten die energetische Diskussion und Themen wie die Sanierung der Gebäude und die KfW-Programme den notwendigen Ersatzbedarf und die Gesamtversorgung trat in den Hintergrund.

Herr Ibel, Sie werden der neue Präsident des BFW. Wie sieht die Situation jetzt aus?

Andreas Ibel: Wir stehen derzeit vor anderen, aber nicht minder gewaltigen Herausforderungen. Die Diskussionen in Berlin erwecken den Eindruck, der Wohnungsbau, vor allem der Mietwohnungsbau, hätte überhaupt keine Bedeutung für die gesellschaftspolitische Entwicklung. Die Rahmenbedingungen, unter denen Wohnungsbau möglich ist, werden allerdings völlig verkannt. Es herrscht die Meinung, dass nur einige regulative Eingriffe in den Markt vorgenommen werden müssten, um die Grundprobleme zu lösen.

Welche Grundprobleme meinen Sie konkret?

Andreas Ibel: Wir haben aufgrund von staatlichen Eingriffen in den letzten Jahren nicht genügend Wohnungen gebaut. Die Politik hat permanent Vorschriften und  Anforderungen erhöht und damit für steigende Baukosten gesorgt. Die Realeinkommen haben sich aber kaum verändert. In der Praxis bedeutet das, dass die Wohnungswirtschaft zusätzlich zu ihrer ureigensten Aufgabe, Wohnraum zu schaffen auch noch die Folgen der Energiewende bezahlen soll. Es macht sich niemand Gedanken darüber, dass das auch Folgen für die Mieter hat. Es geht nicht, dass der Staat uns immer weitere Vorschriften macht und gleichzeitig erwartet, dass die Mietpreise so bleiben, wie sie sind.

Was wären aus Sicht des BFW ideale Rahmenbedingungen?

Andreas Ibel: Wir müssen gemeinsam den echten Wohnungsbedarf ermitteln und darüber diskutieren, welche Möglichkeiten es gibt, damit die Baukosten nicht noch weiter steigen. Außerdem benötigen wir höhere Abschreibungsmöglichkeiten. Denn nur da­­durch werden die tatsächlichen Wertverluste adäquat kompensiert.

Walter Rasch: Verzicht auf die Deckelung der Mieten, denn damit entsteht keine einzige zusätzliche Wohnung. Wir müssen sehen, dass wir die Kosten senken und einen Anreiz schaffen, verbilligten, wirtschaftlich sinnvollen Wohnraum zu erstellen. Wenn Verluste produziert werden, kann keiner bauen. Die Automobilindustrie baut ja auch keine Autos, die sie nicht verkaufen kann.

Herr Rasch, was war für Sie die größte Herausforderung in Ihrer Amtszeit?

Walter Rasch: Zwei Dinge eigentlich. Die erste Herausforderung war die realistische Reaktivierung des Verbandes und die Stärkung der Landesverbände, um die Schlagkraft zu erhöhen und unsere Kompetenzen sichtbar zu machen. Das haben wir, glaube ich, geschafft. Unser Verband hat in den letzten zehn Jahren sehr viel Kompetenz dazu ge­­wonnen und sich auch neu aufgestellt, so dass wir heute ein fairer und natürlich interessensbezogener Berater der Politik sind.

Die zweite Herausforderung ist im Zusammenhang mit der Debatte über die Energiewende zu sehen. Es geht darum, bei dieser Energiewende mitzuwirken und sie vernünftig zu gestalten. Das ist bislang nicht optimal geglückt. Unter anderem deswegen, weil wir in der Bestandssanierung zu viel auf Leuchtturmprojekte gesetzt und die Bevölkerung zu wenig mitgenommen haben. Vor allem Privateigentümer stoßen mit der Finanzierung an ihre Grenzen. Bislang ist die Gewährung von Fördergeldern abhängig von der Erfüllung von Maximalstandards. Wir plädieren dafür, die Förderung umzustellen, in die Breite zu gehen. Jeder, der etwas tut, kriegt etwas. Wer mehr tut, kriegt mehr.

Welches ist aus Sicht des BFW der größte Stolperstein, den die Politik der Wohnungswirtschaft in den Weg legen will?

Walter Rasch: Der größte ist ohne Zweifel die Mietpreisbremse, weil das ein Eingriff in den freien Markt ist und die Marktwirtschaft außer Kraft setzen soll. Wie dies sich tatsächlich auswirkt, können wir nicht sagen. Auf alle Fälle wird die Investitionsbereitschaft sinken. Geld ist scheu und seine langfristige Anlage ist ein besonders sensibles Thema.

Welche Vorhaben der Bundesregierung begrüßt der BFW?

Andreas Ibel: Im Koalitionsvertrag sind ja auch noch andere Punkte beschlossen worden. Dazu zählen neben der Mietpreisbremse Investitionsanreize und soziale Wohnungsbauprogramme. Das bedeutet, dass gerade die Bundesregierung für neue Fördermittel verantwortlich ist. Im Moment sieht es eher danach aus, dass nur gefordert wird, aber nicht gefördert. Wir warten mit großem Interesse auf den Beitrag der Regierung für den Wohnungsneubau in Deutschland.

Walter Rasch: Die Zusammenführung der KfW-Programme für energetisches Sanieren und altersgerechtes Wohnen. Dafür haben wir jahrelang plädiert, denn wenn man schon umbaut, dann kann man doch idealerweise bauliche Maßnahmen oder Quartiersregelungen zu­­sammenführen. Das sind alles keine Vollkostenfinanzierungen, aber es sind Anreize. Ansonsten lässt uns der Bund jetzt sozusagen allein. Es heißt zwar, wir wollen ein Bündnis für das Wohnen schaffen. Doch da kann ich mich nur amüsieren. Vor Jahren haben wir zusammen mit dem Mieterbund, der IG Bau und weiteren Verbänden die Aktion „Impulse für den  Wohnungsbau“ gegründet und die Rahmenbedingungen für mehr Wohnungsbau, Wohnungsneubau usw. definiert Der Bund bräuchte diese Überlegungen nur anzunehmen, dann hätten wir ein wunderbares Programm. Es liegt bereits alles auf dem Tisch.

Andreas Ibel: Wir alle müssen in den Mietwohnungsbau und in den Wohnungsbau investieren, weil sich unsere gesellschaftlichen und politischen Umstände verändert haben. Wir haben andere Arten von Haushalten, andere Arten von Energieversorgung, eine Art der Freizügigkeit, ein anderes Wohnverhalten in den Städten und auf dem Land. Wir von der Immobilienwirtschaft möchten auf all diese Veränderungen eingehen und den Menschen die Wohnungen anbieten, die zu ihren Lebensumständen passen. Aber die Politik muss uns in diesem Veränderungsprozess Rahmenbedingungen bieten, in denen wir handlungsfähig sind. Aber derzeit tut sie das nicht. Sie denkt kurzfristig und nur in Wahlperioden. Ideal wäre eine Politik, die – wie die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft – langfristig denkt und plant.

Herr Rasch, was werden Sie ohne BFW-Präsidentschaft machen?

Walter Rasch: Das Leben etwas mehr genießen. Außerdem bin ich ja noch Unternehmer und habe noch weitere Ehrenämter. Zudem werde ich mich mit den Themen beschäftigen, mit denen ich mich bislang nicht beschäftigen konnte.

Herr Ibel, was ist Ihr persönliches Ziel für Ihre Präsidentschaft?

Andreas Ibel: Ich möchte die Themen, die Walter Rasch erfolgreich initiiert hat, weiter vorantreiben. Natürlich werde ich die politischen Diskussionen in Berlin immer aktuell verfolgen und mich als Stimme der Wohnungswirtschaft einmischen. Ein Augenmerk werde ich auch auf die Neuanwerbung von Mitgliedern legen. Das heißt, ich werde Menschen davon überzeugen, wie wichtig unser Verband als Interessenvertretung ist. Und ich werde auch dafür sorgen, dass regionale Eigenheiten der Wohnungsmärkte berücksichtigt werden. Schließlich kann man nicht alle Bundesländer über einen Kamm scheren. Und im Norden haben wir da in den letzten Jahren mit einem eigenen Bündnis für das Wohnen viele positive Erfahrungen gesammelt.

Herr Rasch, Herr Ibel, ich danke Ihnen für das Gespräch.

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