Immobilien: Heute hui – morgen pfui?

Unsere Ansprüche an das Wohnen verändern sich mit unseren Lebensumständen. Damit Wohngebäude hier Schritt halten können, bedarf es zukunftsorientierter Entwicklungsstrategien für den Bestand, die dessen Potenziale ausschöpfen.

Vorbei die Zeiten, als ein Badezimmer ohne Weiteres klein und innenliegend sein durfte – heute träumt die Mehrheit von einer Wellness-Oase. Dafür scheint das Esszimmer angesichts des Wunsches nach großzügigen Wohnküchen schon fast zum Anachronismus geworden zu sein. Unsere Anforderungen an Wohnraum unterliegen offenbar Trends und Moden. Hinzu kommt der gesellschaftliche Wandel, der in Zeiten von Digitalisierung, Energiewende und Migration an Fahrt gewinnt. Hieraus resultieren ebenfalls immer neue Vorstellungen davon, wie man leben möchte oder sollte. Jedoch handelt es sich bei Immobilien um ein langlebiges Wirtschaftsgut. Das heißt, Wohnungsgesellschaften können nicht einfach so Neubauten errichten, um den veränderten Erwartungen ihrer Mieter gerecht zu werden. Um effizient zu wirtschaften, müssen sie stattdessen im Bestand arbeiten. Es stellt sich somit die Frage, was man tun kann (oder auch tun muss), damit Bestandsobjekte zukunftsfähig sind.

Potenziale im Bestand heben

Aus diesem Grund hat die CalCon-Gruppe ein softwarebasiertes Instrument zur Potenzialanalyse für Bestandsimmobilien entwickelt. Dieses 3-Ebenen-Modell weicht in einem maßgeblichen Punkt von der klassischen Portfoliobetrachtung ab: Es geht nicht vorrangig darum zu entscheiden, welche Immobilien man verkaufen oder zukaufen sollte, um die höchste Rendite zu realisieren. Vielmehr ist das Ziel, die im Bestand ruhenden Potenziale zu erkennen und die vorhandenen Immobilien auf dieser Grundlage durch entsprechende Investitionsmaßnahmen effizient weiterzuentwickeln.

Zu diesem Zweck betrachtet die Potenzialanalyse die folgenden drei Säulen:

– Eigentümerperspektive:

Hier werden die heutigen Pflichten des Wohnungsunternehmens, also politische/gesellschaftliche Vorgaben wie die EnEV, ebenso abgebildet wie dessen ökonomische Situation, beispielsweise hinsichtlich des aktuellen Stands der Mieterträge oder der Instandhaltungskosten pro m² BGF.

– Nutzerperspektive:

Diese stellt die heutigen Anforderungen aus Sicht des Mieters dar und berücksichtigt Aspekte wie die bautechnische Qualität des Gebäudes, die Gesundheit (z.B. Lärmbelastung), die Ausstattungsqualität (z.B. thermischer Komfort) oder die ÖPNV-Anbindung als Bewertung zum Mikrostandort.

– Zukunftsfähigkeit:

Die dritte Säule zeigt dann die zukünftigen Anforderungen an die Immobilie auf, welche die sogenannten Mega-Trends – etwa der demografische Wandel mit Barrierefreiheit und altersgerechtem Wohnen oder der Klimawandel mit der Nutzung von erneuerbaren Energien – mit sich bringen werden.

Zukunftsfähigkeit bewerten

Jede dieser drei Säulen setzt sich aus mehreren Bewertungskriterien zusammen, die wiederum über diverse Indikatoren definiert werden. So besteht etwa das Kriterium „Vermietungssituation“, das zur Säule „Eigentümerperspektive“ gehört, aus den Indikatoren „Leerstandsquote“, „Fluktuation“, „Mietflächenerhöhung“ und „Mieterzufriedenheit“. Die Qualität dieser Indikatoren wird mit Hilfe eines Notensystems bewertet, das von eins (sehr gut) bis vier (sehr schlecht) reicht. Befindet sich die Fluktuationsrate für ein Gebäude, die sich aus der Anzahl der Mieterwechsel pro Jahr geteilt durch die Anzahl der Mieteinheiten des Gebäudes berechnet, zwischen 0 und 10 %, entspricht dies der Note eins. Bei der Ausgestaltung des Modells – in das die Erfahrung der CalCon-Gruppe in der strategischen Immobilienbestandsentwicklung eingeflossen ist – wurde darauf geachtet, dass wenige Daten manuell eingegeben werden müssen. Die Informationen zur Ausstattungsqualität und zum baulichen Zustand liefert die epiqr® Gebäudeanalyse, die kaufmännischen Daten können hingegen aus dem ERP-System importiert werden.

Sowohl auf Ebene der Kriterien als auch der Indikatoren erfolgt eine Gewichtung der einzelnen Elemente des Modells: Jedem Kriterium und jedem Indikator lässt sich also ein eigener Prozentsatz zuordnen, vorausgesetzt deren Summe ergibt immer 100 %. Betrachtet man die Säule „Nutzerperspektive“, so kommt zum Beispiel dem Kriterium „Mikrostandort“ mit einer Gewichtung von 15 % im Vergleich zum Kriterium „Ausstattungsqualität“ mit 25 % eine geringere Bedeutung zu.

Dieses Referenzmodell kann im epiqr® Portfoliomanager mit geringfügigem Aufwand sofort angewendet werden. Aber natürlich besteht zudem die Möglichkeit, es – etwa hinsichtlich der Gewichtung – unternehmensindividuell anzupassen. Das Ergebnis der Potenzialanalyse wird für jedes erfasste Gebäude übersichtlich aufbereitet. In einer Listenansicht lassen sich alle Daten im Detail analysieren. Hier ist für sämtliche Indikatoren der Eingabewert mit der zugehörigen Einheit hinterlegt – wie der Wasserverbrauch in l/Person oder die Geschwindigkeit des Internetzugangs in Mbits/s. Außerdem wird für jeden Parameter seine Benotung angezeigt, die entsprechend der hinterlegten Gewichtung dann für die drei Säulen jeweils zu einer Gesamtnote für das Gebäude aggregiert wird.

Frühzeitig handeln

Die Darstellung im epiqr® Portfolioanalyse-Diagramm macht indessen auf einen Blick deutlich, in welchen Bereichen die Stärken und Schwächen der einzelnen Immobilie liegen: Je länger der abgebildete Balken, desto schlechter die Benotung des Kriteriums beziehungsweise Indikators – beide Ebenen werden zur besseren Übersicht getrennt dargestellt. Erkennt man folglich im allgemeineren Überblick über die Indikatoren beispielsweise, dass im Bereich der Zukunftsfähigkeit das Thema „Demografischer Wandel“ besonders schwach abschneidet, lässt sich im nächsten Schritt anhand der Indikatoren ablesen, woran dies genau liegt. Also ob beim barrierefreien Gebäudezugang oder der barrierefreien Gebäudenutzung Nachholbedarf besteht, oder altersgerechte Wohnungen fehlen. Somit ist auch klar, an welchen Stellen nachgerüstet oder modernisiert werden müsste, um Abhilfe zu schaffen.

Außerdem erfolgt eine Auswertung über den Gesamtbestand. Zu diesem Zweck segmentiert das System diesen und bildet das Ergebnis in einer anschaulichen 8-Segmente-Matrix ab. Je nach Positionierung lässt sich daraus ablesen, inwiefern die Gebäude die aktuellen Erwartungen ihrer Eigentümer beziehungsweise Nutzer erfüllen, wie es um die Soll-Anforderungen von Zukunftsthemen bestellt ist und welche Handlungspotenziale vorhanden sind. Während Objekte, die in Segment I liegen, in jeder der drei Säulen über positive Bewertungen verfügen, schneiden Objekte in Segment III zwar bezogen auf die Ist-Situation ebenfalls gut ab, haben aber Probleme, was ihre Zukunftsfähigkeit betrifft. Um die strategische Entscheidung zu unterstützen, ist für jedes dieser Segmente eine Strategie zur Realisierung identifizierter Handlungspotenziale hinterlegt, aus denen sich konkrete Maßnahmenpakete ableiten lassen (siehe Grafik).

Auf Basis dieses Überblicks über die Handlungsbedarfe je Segment lassen sich mit Hilfe der Bewertung der Kriterien und Indikatoren auf Gebäudeebene dann konkrete Maßnahmenpakete schnüren, um passend zur Strategie bedarfsgerecht zu investieren oder zu desinvestieren. In Bereich der Barrierefreiheit würde dieses Maßnahmenpaket beispielsweise den Einbau einer Rampe, die Nachrüstung von Aufzügen und die Installation von behindertengerechten WCs umfassen. Durch die Anbindung an die epiqr®-Gebäudeanalyse liefert epiqr automatisch die Kosten für die Umsetzung dieser geplanten Maßnahmen.

Die Analyse zeigt also, dass für Immobilien, bei denen aus heutiger Sicht alles passt – demnach sowohl die Eigentümerrendite als auch die Mieterzufriedenheit positiv bewertet wird – die langfristige Perspektive dennoch negativ ausfallen kann; etwa weil das Umnutzungspotenzial gering, der Energieverbrauch zu hoch ist, es an Aufzügen mangelt, oder die Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik veraltet ist. Deshalb ist es wichtig, sich bereits heute mit den Themen von morgen auseinanderzusetzen und Strategien zu entwickeln, um die Potenziale im Bestand zu heben. Die Potenzialanalyse bietet hierfür eine zukunftsorientierte Entscheidungsgrundlage, die bei der Priorisierung von Maßnahmen zur Objektoptimierung unterstützt. So werden Wohngebäude durch gezielte Investitionen für zukünftige Herausforderungen fit gemacht. Wohnungsunternehmen stellen damit auch dauerhaft ihre Wettbewerbsfähigkeit sicher.

Eine Potenzialanalyse hilft dabei, Investitionen in die Zukunft von Wohngebäuden ganz gezielt zu tätigen.

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