Nachgefragt bei
Monika Böhm, Klaus Weise (Vorstände der Wohnungsgenossenschaft 1904, Hamburg) und Holger Westphal (Technischer Leiter der Wohnungsgenossenschaft 1904, Hamburg)
Der soziale Gedanke steht bei Ihrer grundsätzlichen Arbeitsweise im Vordergrund. Worauf basiert diese Idee?
Klaus Weise: Die Idee entstand, als 87 Postbedienstete in Hamburg im Jahr 1904 sich aus der damals herrschenden großen Wohnungsnot heraus zusammengeschlossen und unsere Genossenschaft gegründet haben. Wir führen gern bis heute diesen Gedanken fort, Wohnraum für Menschen zu bieten, die nicht oben an der Gehaltsspitze sind, sondern sich weniger leisten können. Unsere Durchschnittsmieten lagen im letzten Jahr bei 5,64 €. Dazu im Vergleich: Der Mittelwert des Hamburger Mietenspiegels lag 2011 bei 7,15 €.
Monika Böhm: Der solidarische Gedanke ist zentral. Denn so unterscheiden sich Genossenschaften von Gesellschaften. Unsere Mitglieder sind unsere Miteigentümer und machen „die 1904“ aus. Wir wollen das honorieren, sie einbeziehen und gemeinsam ein lebenswertes Wohnumfeld schaffen. Natürlich mit baulich angenehmen Wohnungen auf dem aktuellsten technischen Stand. Doch auch mit sozialen Angeboten wie Nachbartreffs, Gästewohnungen und – für uns unerlässlich – einer guten Informationspolitik.
Natürlich müssen Sie auch die Wirtschaftlichkeit im Auge haben.
Monika Böhm: Ökonomisches Handeln verstehen wir ebenfalls als Teil unserer Verantwortung. Doch auch das geht solidarisch und sozial verträglich. Ein Beispiel: Wir planen, in Hamm-Horn 160 Wohnungen abzureißen. Wir haben von Anfang an unsere Mitglieder in unsere Überlegungen einbezogen und sie informiert. Die Bewohner können im Bestand zu gleichen Mieten umziehen – mit einer Vorlaufphase von ca. sieben Jahren.
Klaus Weise: Über 50 % der Mieter sind bereits problemlos umgezogen. Die meisten von ihnen möchten innerhalb des Quartiers bleiben. Die Wohnungsgenossenschaft 1904 bezahlte übrigens sogar die Umzüge.
Was passiert über die Jahre mit den freigewordenen Wohnungen?
Monika Böhm: Die meisten Wohnungen vermieten wir mit Zeitmietverträgen an Studenten. Damit wollen wir gewährleisten, dass die Mitglieder, die noch nicht umgezogen sind, sich nicht alleine gelassen fühlen.
Ist Neubau in Hamburg ein Thema?
Klaus Weise: Unbedingt! Zurzeit sind 296 Wohnungen in den Stadtteilen Winterhude, Farmsen, Langenhorn, Eilbek und Rahlstedt bei uns in der Planung. Mehr als die Hälfte der Flächen, auf denen wir neu bauen, haben wir von privat gekauft.
Welche Investitionen stehen bei Ihnen in den kommenden Jahren an?
Monika Böhm: In unserem 10-Jahres-Plan sind 117 Mio. € veranschlagt. Diese werden in Grunderwerb, Neubau, Modernisierung und Instandhaltung investiert. Nachhaltigkeit ist dabei ein großes Thema – ob es um familienfreundliche oder seniorengerechte Wohnungen im Neubau geht, die energieeffiziente Modernisierung oder das Bauen mit zukunftsweisenden Konzepten und Materialien.
Wie sehen Sie die technischen Entwicklungen der Industrie?
Holger Westphal: Ich sehe sie auf einem guten Weg – in Technik und Service. Zum einen profitieren wir heute von der Vielzahl maßgeschneiderter Lösungen, die früher die Ausnahme waren. So arbeiten wir beispielsweise im Bereich der Wärmedämmung in allen Bauphasen, von der Ausschreibung über das Farbkonzept bis zu allen Details der Umsetzung mit Brillux zusammen. Das ist eine große Hilfe. Zum anderen freut uns die Innovationskraft der Industrie. Ich informiere mich regelmäßig über die Neuerungen auf dem Markt. Wir bauen zwar Gebäudekörper für 80 bis 100 Jahre, die Gebäudetechnik hingegen muss regelmäßig erneuert werden.
Wie gehen Sie beispielsweise mit dem schwierigen Thema Lüftung um? Denn das beste System ist obsolet, wenn der Mieter ein negatives Lüftungsverhalten hat.
Holger Westphal: In unseren Neubauten setzen wir auf die Komfortlüftung. Sie sorgt für regelmäßigen Luftaustausch ohne Energieverlust und verhindert damit Feuchteschäden, Schimmel- und Bakterienbildung – selbst dann, wenn die Mieter die empfohlenen Stoßlüftungsempfehlungen nicht einhalten oder zeitlich nicht einhalten können.
Sie arbeiten im Rahmen einer Sanierung oder eines Neubaus mit der Industrie zusammen. Wie läuft das Zusammenspiel mit den Partnern?
Klaus Weise: Wir machen bei jeder Investition eine neue, herstellerneutrale Ausschreibung.
Holger Westphal: Entscheidend dabei ist aber nicht nur der Preis, sondern die Qualität. Gerade im Bereich der Fenster ist das sehr anspruchsvoll, weil es so viele Anforderungen an Wärme- und Lärmschutz gibt.
Zum Thema Modernisierung im Bestand. Was sind zurzeit Ihre wichtigsten Baustellen?
Monika Böhm: Wichtige Projekte waren in den letzten Jahren unsere Bauten aus den 1920er- und 1930er-Jahren, wie in der Gustav-Falke-Str. Da lag der Schwerpunkt der Modernisierungsarbeiten im energetischen Bereich. Und dann gibt es natürlich noch unser erstes Haus von 1908 aus der Gründerzeit, das wir komplett saniert haben. Hier wurden sämtliche Wohnungen von innen modernisiert, die Nachtspeicherheizung durch eine moderne Heizanlage ausgetauscht, die Außenwände gedämmt, Balkone angebracht und Mietergärten angelegt. In Zukunft werden wir uns mehr den Bauten der 1950er-Jahre widmen.
Wie viele altengerechte Wohnungen haben Sie in Ihrem Bestand?
Klaus Weise: Wir haben eine altengerechte Wohnanlage in Wandsbek und bauen jetzt eine zweite. Dann sind 150 barrierefreie Wohnungen in unserem Bestand.
Monika Böhm: Die Nachfrage ist hoch: Zurzeit gibt es 97 Vormerkungen für die zweite Anlage.
Herzlichen Dank für dieses Gespräch.
„Ökonomisches Handeln verstehen wir ebenfalls als Teil unserer Verantwortung. Doch auch das geht solidarisch und sozial verträglich.“
„Wir profitieren heute von der Vielzahl maßgeschneiderter Lösungen der Industrie, die früher die Ausnahme waren.“