Wohnungsbau

Holzhäuser: Nachhaltig für die Zukunft gebaut

Mit der Nutzung nachhaltiger Ressourcen steht ein Holzgebäude langfristig für Energieeffizienz, Natürlichkeit und Behaglichkeit. So auch das Projekt „NEST4“. Das in München-Schwabing erbaute viergeschossige Mehrfamilienhaus wurde mehrfach ausgezeichnet.

NEST4 heißt ein Mehrfamilienhaus, das auf 1.870 m² Gesamtwohnfläche 16 Einheiten mit Wohnflächen von 91 bis 148 m² zu bieten hat. Davon sind 25 % im München Modell – einem speziellen Förderprogramm der Stadt München – finanziert, die restlichen 75 % sind frei finanzierte Wohnungen. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Bauträgerverfahren hat der Münchner Bauträger NEST Solar Passivhaus GmbH & Co. KG mit dem angegliederten Planungsbüro NEST Architekten GbR die 16 Wohnungsgrundrisse ebenso wie das Wohnumfeld mit den zukünftigen Bewohnern und Wohnungseigentümern konzipiert.

Gebäudegestaltung mit bewährtem Baustoff

Durch die Leistungsfähigkeit des Baustoffes und die Verarbeitungsgenauigkeit im Holzbaubetrieb konnte man ein offenes und flexibles tragendes Holzbau-System verwenden. Die Zimmermeisterhaus-Manufaktur Bergmüller, Mitglied der deutschlandweit aktiven ZimmerMeisterHausGruppe, errichtete den Holzrohbau mit den in der Zimmerei vorproduzierten Holzbau-Elementen binnen vier Wochen. Der gesamte Rohbau ist aus Holz gefertigt, lediglich die Tiefgarage sowie die Treppenhaus- und Aufzugtürme wurden in Stahlbeton gebaut. Die Tiefgarage hat man als Untergeschoss ins Erdreich gesetzt.

„Für das Bauvorhaben war Brandschutz für die Gebäudeklasse 4 gefordert, also Feuerbeständigkeit für alle tragenden Wände, Pfeiler, Stützen und Decken“, berichtet Dipl.-Ing. Robert Bergmüller, Senior Chef der Fa. Bergmüller Holzbau. Die Holzbau-Elemente mussten also aufgrund der geforderten Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten mit einer K260-Kapselung für die tragenden Teile gefertigt werden.

Die Wände sind in bewährter Holzrahmenbaukonstruktion errichtet. Der Wandaufbau beginnt von außen nach innen mit einer hinterlüfteten Fassadenverkleidung, anschließend hat man eine Holzwerkstoffplatte aufgebracht, ergänzt einem 280 mm starken Riegelwerk. Dazwischen haben die Experten die Mineralfaserdämmung (Flammpunkt 1000 °C)  verlegt, auf der Innenseite schließt die Wand ebenfalls mit einer Holzwerkstoffplatte ab – darauf kam noch die Installationsebene mit Lattung und eine Gipskartonplatte als innere sichtbare Verkleidung.

Nach Bauvorschrift hat man die Decken mit einer Gesamtstärke von 468 mm gebaut. Die K260-Kapselung mit 2 x 18 mm Gipsfaserplatten wurden mit Federschienen abgehängt. Zwischen den Deckenbalken hat man eine Mineralfaserdämmung hohlraumfüllend ein-gebracht, über den Balken eine Holzwerkstoffplatte, dann eine Schüttung,  darauf eine Trittschalldämmung und darüber den Nassestrich. Den oberen Abschluss bildet ein Bodenbelag aus Parkettholz.

Die Dachkonstruktion wurde als Pultdach ähnlich wie die Balkenlagen mit Stehfalzdeckung gebaut. Für den Brand- und Schallschutz gab es jeweils vor der Ausführung ein Gutachten, das alle relevanten Anforderungen berücksichtigte. Die beiden Gutachter begleiteten die Arbeiten während der gesamten Bauphase. Nach Abschluss der Arbeiten wurden zusätzlich noch präzise Schallschutz-Messungen ausgeführt. „Als ausführender Holzbauer wurden wir von der TU München gemäß den gesetzlichen Anforderungen bei der Herstellung der hochfeuerhemmenden Decken, Wänden und Dächern und auch direkt bei der Ausführung vor Ort überwacht und die Bauarbeiten fortlaufend kontrolliert“, berichtet Robert Bergmüller.

Prägnant sind die umlaufenden Balkone, die den Anwohnern eine unmittelbare Kommunikation innerhalb des Gebäudes und in alle Richtungen ermöglichen. Alle Bewohner haben einen freien Blick zur Straße, zur umliegenden Bebauung und zu den eigenen Gartenbereichen. Die den Erdgeschoss-Wohnungen zugeordneten privaten Gärten ergänzen die beliebten Gemeinschaftsanteile. Gerade die gemeinschaftlich genutzten Flächen kommen bei allen Bewohnern gut an: man nutzt sie als Spielplatz, Grillplatz sowie Kräuter- und Obstgärten.

Das Gebäude überrascht mit ungewöhnlichen Gestaltungsmerkmalen. Hinter der strikten Struktur und dem Fassadenraster versteckt sich besonders viel Flexibilität. Alle Wohnungen haben einen großzügigen Balkon und sind dank der vielen großen Fenster besonders hell.

Das flexible Holzbau-System ermöglichte eine individuelle Grundrissgestaltung und – im Falle einer Nutzungsänderung – einen unkomplizierten und schnellen Umbau.

Vom Passiv- zum Plus-Energie Haus

Sämtliche innen liegenden Flure werden ausschließlich durch die Abwärme der Wohnungen mitbeheizt. Durch eine mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung in allen Wohnungen wird der Energieverbrauch weiter reduziert. Dieses System erreicht durch die hohe Dichtigkeit der Gebäudehülle einen besonders hohen Wirkungsgrad.

Das energetisch hocheffiziente Gebäude wurde vom Passivhaus zum Plus-Energie Haus weiterentwickelt und bietet den Bewohnern zukunftssichere, behagliche Wohnungen mit dauerhaft geringen Nebenkosten.

Den Primärenergiebedarf für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom konnte man so weit reduzieren, dass dieser im Saldo rechnerisch vollständig durch die eigenen Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien wie Photovoltaik gedeckt werden kann.

Ausgezeichnet

Idee und Umsetzung des ressourceneffizienten Gebäudes wurden bereits mit verschiedenen Auszeichnungen belohnt. Zum Beispiel hat der BFW Landesverband Bayern e.V. & Deutscher Werkbund Bayern e.V. das Bauvorhaben mit dem „Preis für Qualität im Wohnungsbau 2015“ ausgezeichnet. NEST4 überzeugte die Jury durch den „außerordentlich gelungenen Gleichklang ästhetischer, wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Qualitäten“. Außerdem ist das Haus mit dem „Ehrenpreis für guten Wohnungsbau 2015“ der Stadt München ausgezeichnet worden.

„Holz ist einer der wichtigsten Baustoffe der Gegenwart und Zukunft“, resümiert Robert Bergmüller. „Mit dieser durch und durch ökologischen Bauweise schaffen wir heute nachhaltige Holzgebäude, die alle Vorteile des Materials auf lange Sicht bieten und ein gesundes Wohnklima garantieren.“ Besonders gute Wärmedämmeigenschaften, angenehmes Raumklima, ein nachwachsender Rohstoff und somit ein ressourcenschonendes Bauen – all dies verbuchen Bauherren und Architekten auf der Plusseite von Holzgebäuden. Gute Voraussetzungen für zukunftsorientierte Bauten – auch innerstädtisch.

Die den Erdgeschoss-Wohnungen zugeordneten privaten Gärten ergänzen die Gemeinschaftsanteile

Das flexible Holzbau-System ermöglicht – im Falle einer Nutzungs-änderung – einen unkomplizierten und schnellen Umbau

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