Neu und doch wie früher
Die Südfassade des Corbusierhauses in Berlin, das zur Internationalen Bauausstellung 1957/58 entstand und seit 1996 unter Denkmalschutz steht, wurde bei weitgehendem Erhalt der Originalsubstanz und denkmalgerechter Rekonstruktion des Originalerscheinungsbildes wiederhergestellt.
Die Idee stammt aus den 1920er Jahren des vorigen Jahrhunderts: Bereits auf der Weltausstellung 1925 in Paris stellte der französisch-schweizerische Architekt Le Corbusier einen Gebäudeentwurf für ein Mehrfamilienhaus vor, der durch ein hohes Maß an Standardisierung beliebig oft an den unterschiedlichsten Orten gebaut werden konnte und dabei gleichzeitig ein hohes Maß an Wirtschaftlichkeit erreichte.
Für die Versorgung der Bewohner sollte im funktionellen Erdgeschoss die Infrastruktur einer kleinen Stadt realisiert werden: Hier plante Le Corbusier Arztpraxen und diverse Ladengeschäfte ein. Sogenannte ‚Rues intérieurs‘ (Innenstraßen oder innere Straßen) in jeder Etage führen zu den einzelnen Wohnungen.
Erst 1947 wurde die Idee als Unité d‘Habitation (Wohnmaschine) zunächst in Marseille und später an drei weiteren Orten in Frankreich realisiert. 1957 reichte der Star-Architekt seinen Entwurf zur Interbau Berlin ein. Mit 530 Wohnungen war das 141 m lange, 23 m breite und 53 m oder 17 Stockwerke hohe Projekt jedoch zu groß für das vorgesehene Gelände im Berliner Hansa-Viertel.
Da man im kriegszerstörten Berlin mit seiner Wohnungsnot aber kaum auf einen Wohnkomplex in dieser Größenordnung verzichten konnte und dies auch gar nicht wollte, wurde schließlich in der Nähe des Olympiastadions ein geeignetes Gelände für die Realisierung der insgesamt fünften Unité d‘Habitation zur Verfügung gestellt. Entstanden ist ein Bau, der gleichermaßen durch seine Größe sowie durch die farbige Fassadengestaltung zum Blickfang geworden ist.
Mittlerweile ist der einst als wegweisend für die moderne Stadtarchitektur gelobte Bau in die Jahre gekommen und weist massive Schäden auf. Bereits 1974 fand eine erste Instandsetzung des in Ziegelsplittbeton erstellten Gebäudes statt, bei der sämtliche Sichtbetonflächen eine Oberflächenschutzbeschichtung erhielten. Eine zweite Sanierung mit dem Schwerpunkt auf Brüstungen und Fußbodenaufbau schloss sich Mitte der 1980er Jahre an. Zuletzt wurde die Instandsetzung der Südfassade abgeschlossen. Bis 2020 sollen die Nordfassade sowie die beiden großen Flächen auf der Ost- und Westseite nachfolgen.
Umfassende Bauwerksuntersuchung
Das Berliner Architekturbüro Jochen Beer wurde von der WEG Corbusierhaus beauftragt, ein Betoninstandsetzungskonzept für die Südfassade zu erstellen. Um das tatsächliche Ausmaß der Schäden festzustellen, veranlasste das Büro zunächst eine Bauwerksuntersuchung. Dazu wurden die 15 eingeschossigen und 35 zweigeschossigen Loggien zunächst einer visuellen Untersuchung unterzogen.
Ergänzend kamen zerstörungsfreie und zerstörende Prüfungen der Bausubstanz durch das Barg Baustofflabor hinzu. In Kombination mit Informationen, die aus noch vorhandenen Bauunterlagen gewonnen werden konnten, lieferten die Ergebnisse der visuellen Untersuchung sowie die Prüfung der Bausubstanz die Grundlage des Instandsetzungskonzeptes.
Schadensbilder
Bereits bei oberflächlicher Betrachtung ist auf den Loggienrandbalken sowie an den Lisenen und Loggiawänden die abblätternde Betonschutzbeschichtung der früheren Instandsetzungsmaßnahme mit unterschiedlich intensiv ausgebildeten Ausblühungen und leichter Rissbildung zu erkennen. Nur in geringem Umfang stellten die Gutachter freiliegende, korrodierte Bewehrungseisen sowie Betonabplatzungen bzw. Hohlstellen fest.
Die Substanzuntersuchung im Baustofflabor ergab zusätzlich, dass die Bewehrung teilweise, manchmal aber auch vollständig im carbonatisierten Beton liegt. Damit ist ein ausreichender Korrosionsschutz nicht mehr gegeben. Zudem stellten sie im Bereich der Randbalken eine stark schwankende, im Bereich der Lisenen eine relativ geringe Betondeckung fest.
Instandsetzungskonzept
Die detaillierte Erhebung des Ist-Zustandes war Grundlage für die Erarbeitung eines Instandsetzungskonzeptes, das den aktuellen Schadensmechanismus nicht nur stoppen, sondern auch zukünftige Schädigungen weitgehend ausschließen soll. Grundlage des Instandsetzungskonzeptes ist die DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ Teile 1 bis 4 (Instandsetzungs-Richtlinie 2001-10). Planung und Ausführung sollten zusätzlich von einem Tragwerksplaner begleitet werden.
Da der Bau 1996 auf Initiative seiner Bewohner unter der Bezeichnung ‚Unité d’Habitation Typ Berlin‘ in die Denkmalschutzliste des Landes Berlin aufgenommen wurde, mussten die Instandsetzungsmaßnahmen außerdem auf die Vorgaben der Unteren Denkmalschutzbehörde des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf abgestimmt werden. Zwar erteilte die Behörde die Genehmigung für die Sanierung der Südfassade auf der Grundlage des Denkmalpflegeplanes von 2007, machte jedoch zur Bedingung, dass abschließend die denkmalgerechte Farbgebung des Denkmalpflegeplanes umgesetzt wird.
Unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen und denkmalpflegerischen Gesichtspunkten entschieden sich die Architekten für eine Instandsetzung gemäß dem Instandsetzungsprinzip W (Korrosionsschutz durch Begrenzung des Wassergehaltes im Beton). Im Hinblick auf die Bausubstanz aus Ziegelsplittbeton planten sie in Anlehnung an die Instandsetzungs-Richtlinie und nach Abstimmung mit der Denkmalpflege die partiellen Reprofilierungsarbeiten mit Leichtmörtel (M1) statt PCC-Mörtel (M2/3) auszuführen. Ziel war, eine Angleichung der E-Modulwerte zu erreichen. Für die Beschichtung der Betonoberflächen empfahlen sie ein Oberflächenschutzsystem mit der Rissüberbrückungsklasse B (OS 5a) einzusetzen.
Ausführung der Arbeiten
Voraussetzung für eine fachgerechte Instandsetzung ist vor allem die richtige Vorbereitung des Untergrundes. Entsprechend haben die Mitarbeiter des ausführenden Unternehmens, der abakon Baukonzept GmbH aus Berlin, ein Mitglied der Güteschutzgemeinschaft Betoninstandsetzung Berlin und Brandenburg, das auf den gesamten Bereich der Instandsetzung und Sanierung von Stahlbetonbauwerken spezialisiert ist, zunächst durch Feststoffstrahlen die Altbeschichtungen der vorangegangenen Instandsetzungen vollständig entfernt.
Alle losen Betonteile und Hohlstellen wurden durch behutsames Stemmen mit leichten Elektrohämmern bzw. durch Strahlen bis auf den festen Kern entfernt. Nicht korrodierter Bewehrungsstahl bzw. Bewehrungsstahl, der nur auf der Vorderseite korrodiert war, wurde dabei im vorhandenen Altbeton eingebunden erhalten. Bewehrungen dagegen, die rundherum korrodiert waren, legten die Mitarbeiter von Geschäftsführer Thomas Wacker und Kristian Hofer vollständig frei. In Abhängigkeit vom Durchmesser der Bewehrungsstähle trugen sie dazu den Beton bis auf eine Tiefe von maximal 10 mm bzw. 15 mm hinter dem Bewehrungsstahl ab.
Die freigelegten Flächen behandelten die Instandsetzungsspezialisten anschließend durch Strahlen mit festem Strahlmittel nach. Die systemgerechte Entrostung (Reinheitsgrad Sa 2½) der freigelegten bzw. freiliegenden Stähle erfolgte mechanisch unter Beachtung der Vorgaben der DIN EN ISO 12 944-4 „Beschichtungsstoffe – Korrosionsschutz von Stahlbauten durch Beschichtungssystem – Teil 4: Arten von Oberflächen und Oberflächenvorbereitung (ISO 12 944-4:1998) sowie der deutschen Fassung EN ISO 12 944-4:1998“.
Die entrosteten Bewehrungsstähle beschichteten die Fachkräfte der abakon Baukonzept GmbH anschießend in zwei Arbeitsgängen mit einer einkomponentigen mineralischen Korrosionsschutzbeschichtung der Beanspruchbarkeitsklasse M2/M3 nach DAfStb-Instandsetzungsrichtlinie. Zur Reprofilierung der Schadensstellen wurde wegen des eingesetzten Ziegelsplittbetons ein kunststoffmodifizierter, faserverstärkter Leichtmörtel mit integriertem Haftvermittler ausgesucht. Risse wurden mittels Epoxidharz-Injektion (EP-I) gemäß der Instandsetzungs-Richtlinie gefüllt.
Anschließend trugen die Verarbeiter vor Ort auf allen vorbereiteten Flächen ein mehrlagiges diffusionsoffenes, carbonatisierungsbremsendes Oberflächenschutzsystem (OS 5a) auf, das wegen seiner hohen Elastizität und Schichtdicke besonders bei oberflächennahen Betonrissen ausgeführt wird. Im Instandsetzungskonzept war ein System gefordert, das der Rissüberbrückungsklasse B2 entsprechen muss.
Die abschließende denkmalgerechte Farbgestaltung erfolgte in den Sonderfarben des Denkmalpflegeplans. Sie orientierte sich am originalen Fassadenplan von 1956, der ein grünstichiges Schwarz, ein gelbliches Weiß, Rot, Naturbeton, ein kräftiges Grün, Hellblau und Gelb vorgab.
Qualitätssicherung
Insgesamt konnte durch die Entfernung des geschädigten Betons, die systemgerechte Entrostung der Bewehrungen und die Reprofilierung von Fehlstellen sowie durch den flächigen Auftrag eines Oberflächenschutzsystems die Südfassade des Corbusierhauses in Berlin denkmalgerecht bei weitgehender Erhaltung der Originalsubstanz instandgesetzt werden. Gleichzeitig ist es gelungen, das Originalerscheinungsbild wiederherzustellen und zusätzlich Vorsorge zur Vermeidung künftiger Schäden zu treffen.
Umfangreiche und gründliche Vorbereitungen der Arbeiten durch eine umfassende Bestandsaufnahme und ein darauf basierendes Instandsetzungskonzept waren die Grundlage für die hohe Qualität der Arbeiten. Um die weitere Dauerhaftigkeit zu gewährleisten, wurde nach Abschluss der Maßnahme durch einen sachkundigen Planer ein Instandsetzungsplan mit detaillierten Vorgaben zu planmäßigen Inspektionen und Wartungen aufgestellt.
Die fachgerechte Ausführung der Arbeiten wird zusätzlich durch die Eigen- und Fremdüberwachung sichergestellt. Bedingung bei der Auftragsvergabe war, dass das ausführende Unternehmen seine Eignung für die ordnungsgemäße Ausführung, Überwachung und Dokumentation der Arbeiten über eine qualifizierte Führungskraft und einen entsprechend qualifizierten Bauleiter nachweist. Zusätzlich musste das Unternehmen sicherstellen, dass ein geschulter und entsprechend ausgebildeter Fachmann mit einschlägigen beton- und baustofftechnischen Kenntnissen sowie den notwendigen praktischen Erfahrungen ständig vor Ort ist.
Unternehmen, die sich um die Auftragsvergabe bewarben, mussten außerdem nachweisen, dass ihre Mitarbeiter mindestens alle drei Jahre über Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen geschult werden und damit über das nötige Know-how verfügen. Die Eigenüberwachungen gemäß der Instandsetzungs-Richtlinie mussten während der gesamten Dauer der Maßnahme durch den Bauleiter oder seinen Vertreter kontinuierlich und überprüfbar durchgeführt und dokumentiert werden. Die Erfüllung der in der Instandsetzungs-Richtlinie geforderten personellen und gerätetechnischen Voraussetzungen wurde dem ausführenden Unternehmen mit dem Eignungsnachweis entsprechend der Bauprodukte- und Bauarten-Verordnung (BauPAVO) bzw. der Hersteller- und Anwenderverordnung (HAVO) bescheinigt.
Die Fremdüberwachung auf Grundlage der Instandsetzungs-Richtlinie wurde durch die vom Deutschen Institut für Bautechnik Berlin dafür bauaufsichtlich anerkannte Prüf- und Überwachungsstelle der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken mit positiver Beurteilung durchgeführt.
Das Corbusierhaus ist gleichermaßen durch seine Größe sowie durch die farbige Fassadengestaltung zum Blickfang geworden.