Neue Kriterien
für barrierefreie Bäder
Altersgerechte Immobilien müssen den individuellen Wünschen und persönlichen Bedürfnissen der Bewohner gerecht werden. Hierfür sind nachhaltige Konzepte wichtig.
Angesichts des demografischen Wandels werden Bäder immer häufiger barrierefrei neu gebaut oder modernisiert. Doch nicht immer ist sofort ersichtlich, was ein barrierefreies Bad überhaupt ausmacht – die denkbaren Anforderungen an die sanitären Einrichtungen sind schließlich so vielfältig wie die altersbedingten Beschwerden selbst. Um ein aufwändiges Nachrüsten im Fall der Fälle zu vermeiden, empfiehlt es sich, von vorneherein die Vorgaben der neuen Norm DIN 18040 Teil 1 und 2 zu beachten. Die Norm verbessert die Orientierung für Architekten und Planer in Sachen Barrierefreiheit erheblich. Es werden Schutzziele formuliert und die Anforderungen von Menschen mit sensorischen und kognitiven Einschränkungen dokumentiert.
Die DIN 18040 ist zweigeteilt und ersetzt die bislang gültigen Normen für barrierefreies Bauen und Modernisieren. Teil 1 gilt dabei für öffentlich zugängliche Gebäude und tritt an die Stelle der DIN 18024-2, während Teil 2 für Wohnungen gilt und die DIN 18025 Teil 1 und 2 ersetzt. Ein Grundgedanke der neuen Norm ist die Erkenntnis, dass Barrierefreiheit weit über rollstuhlgerechtes Bauen hinausgeht. Altersgerechte Immobilien müssen vielmehr den individuellen Wünschen und persönlichen Bedürfnissen der Bewohner gerecht werden. Hierfür sind nachhaltige Konzepte wichtig, die die verschiedenen Lebenszyklen des Menschen im Blick haben und bis ins Detail durchdacht sind. Was sich zunächst komplex anhört, lässt sich mit den Vorgaben der neuen DIN ganz konkret umsetzen und ist dank staatlicher Förderung auch finanzierbar.
Die DIN 18040 in der Praxis
Ein Auszug aus der DIN Norm, Beuth-Verlag: „Barrierefreie Sanitärräume sind so zu gestalten, dass sie von Menschen mit motorischen Einschränkungen bzw. Rollstuhlnutzer als auch blinden und sehbehinderten Menschen zweckentsprechend genutzt werden können.“ Die DIN 18040 erweitert die Anforderungen an barrierefreie Bäder also in Hinblick auf Menschen mit sensorischen und kognitiven Einschränkungen. Sie formuliert neue Schutzziele für die Bewohner und wartet zudem mit Beispiellösungen auf, welche die Umsetzung der Vorgaben vor Ort erleichtern. Da ein Unterschied der Anforderungen zwischen barrierefrei und rollstuhlgerecht definiert sind, sind die für Rollstuhlfahrer relevanten Vorgaben in Teil 2 der Norm mit einem großen „R“ gekennzeichnet. Solche Anforderungen beinhalten immer eine größere Bewegungsfläche – hier ist ein Bewegungsradius von 1,50 x 1,50 m anstelle der sonst ausreichenden 1,20 x 1,20 m erforderlich. Zulässig sind aber auch Überlagerungen der Bewegungsflächen. Die Einführung der DIN in die Liste der Technischen Baubestimmungen steht in den einzelnen Bundesländern noch aus, wird aber noch für das laufende Jahr erwartet.
Konkrete Maßnahmen
Von der Dusche bis zur Fliesenfarbe sind zahlreiche Details bei der Modernisierung oder dem Neubau des Bades zu beachten. Die folgenden Maßnahmen sorgen dafür, dass das Bad auf alle Eventualitäten vorbereitet ist.
Bodengleiche Dusche
Damit Duschplätze mit Rollatoren oder Rollstühlen benutzt werden können, müssen sie bodengleich angeordnet sein. Wenn dafür ein Niveauausgleich von maximal 2 cm erfolgen muss, empfiehlt es sich, diesen schräg auszubilden und dabei rutschhemmende Bodenbeläge gemäß R 9 nach BGR 181 einzusetzen. Eine Nachrüstmöglichkeit für einen Duschklappsitz in der Höhe von 46 bis 48 cm sollte berücksichtigt werden. Gleiches gilt für hochklappbare Stützgriffe, deren Oberkante 28 cm über der Sitzhöhe liegt. Die Fläche des Duschplatzes darf eine Neigung von maximal 2 % aufweisen und kann als Bewegungsfläche mit genutzt werden. Dafür muss sie mindestens 150 x 150 cm betragen. Die Bewegungsfläche zum Umsetzen auf den 45 cm tiefen Duschklapptisch orientiert sich – ebenso wie die Anordnung der Stützklappgriffe – an den Vorgaben für die Bewegungsfläche am WC. Die Handhabung der Ausstattungselemente sollte einfach sein und wenig Kraftaufwand erfordern. Eine Einhebel-Duscharmatur muss im Sitzen erreichbar sein, und zwar in 85 cm Höhe über Oberfläche Fußboden (OFF). Der Hebel sollte nach unten weisen, um die Verletzungsgefahr insbesondere von Blinden und Sehbehinderten zu minimieren.
Der Waschtisch
Ein unterfahrbarer Waschtisch mit einer maximalen Einbauhöhe von 80 cm sollte inzwischen zum Standard gehören. Hierbei ist vor allen zu beachten, dass ein ausreichender Knie- und Fußfreiraum vorhanden ist – einen Flachaufputz-, bzw. Unterputzsiphon schreibt die neue Norm indes nicht mehr zwingend vor. Sollten sich bezüglich des Freiraums Probleme ergeben, ist es ratsam, den Durchlauferhitzer an einer anderen Stelle anzuordnen, um den Freiraumbereich für die Knie von mindestens 35 cm von OFF zu erreichen.
Die Waschtischtiefe sollte 55 cm betragen, für Handwaschbecken sind 45 cm ausreichend. Damit die Armaturen problemlos zu erreichen sind, sollte ihr Abstand von der Vorderkante des Waschtisches nicht mehr als 40 cm betragen, ratsam ist zudem ein nach außen gewölbtes Waschbecken. Für die Armaturen selbst kommen Einhebel- oder berührungslose Varianten in Frage, wobei berührungslose Armaturen nur in Verbindung mit einer Temperaturbegrenzung eingesetzt werden dürfen. Um ein Verbrühen zu vermeiden, ist die Wassertemperatur an der Auslaufarmatur auf 45° C zu begrenzen. Für sehbehinderte Menschen sind berührungslose Armaturen nicht zu empfehlen, da sie oft nicht erkannt werden und das Ertasten schwierig ist. Anstelle eines Kippspiegels empfiehlt die neue DIN einen Spiegel von maximal 1 m Länge, damit Rollstuhlfahrer ihre Wirbelsäule nicht zusätzlich beanspruchen müssen.
Das WC
Aufgrund neuer ergonomischer Erkenntnisse sieht die Norm eine Sitzhöhe von 46 bis 48 cm vor, die das Sich-Setzen und Aufstehen erleichtert. Um eine ausreichende Bewegungsfläche vor dem WC sicherzustellen, sollte die Beckenvorderkante mindestens 70 cm von der rückwärtigen Wand entfernt sein. An der Zugangsseite sollten noch mindestens 90 cm Platz sein und an der gegenüberliegenden Seite mindestens 30 cm für Hilfspersonen. Der lichte Abstand zwischen den Stützhaltegriffen muss 65 bis 70 cm betragen. Hier wurde auf die bisher starre Vorgabe von 70 cm verzichtet, um mehr Flexibilität bei der Auswahl von Produkten zu ermöglichen. Die Oberkante der Stützhaltegriffe muss 28 cm über der Sitzhöhe liegen. Günstig ist es, wenn der Toilettenpapierhalter gleich im Stützgriff integriert ist. Außerdem sollten sich die Stützhaltegriffe mit wenig Kraftaufwand bedienen lassen.
Für die Rückenstütze gilt ein Abstand von
55 cm hinter der Vorderkante des WC-Beckens. Der WC-Deckel allein ist als Stütze ungeeignet, allerdings ergibt sich bisweilen das Problem, dass der Spülauslöser durch eine Rückenstütze verdeckt wird.
Kontraste und Sensorik
Die Augen gelten als wichtigstes Sinnesorgan des Menschen. Nimmt die Sehfähigkeit stark ab, steigt gerade im Bad – auf feuchten Fliesen und an harten Kanten – die Verletzungsgefahr. Daher ist die optische Gestaltung von Fliesen und sanitären Anlagen ein wichtiger Aspekt in Sachen Barrierefreiheit. Optisch wahrgenommen werden Helligkeit, Farbe, Bewegung, Abstand und Gestalt. Für die Badgestaltung sind neben der Farbe und dem Reflexionsgrad der verwendeten Materialien vor allem die Helligkeitsunterschiede (Leuchtdichtekontraste) entscheidend. Wichtig sind dabei ausgewogene Helligkeitsunterschiede, also keine scharfen Schwarz-Weiß-Kontraste, die zur Ermüdung des Augenmuskels führen.
Die Helligkeitsdifferenzierung kann Farbfehlsichtigkeiten wie die Rot-Grün-Schwäche kompensieren und ist hilfreich, wenn die Sehkraft einer Person auch von einer Brille nicht zu 100 % ausgeglichen wird. Generell sollten Fliesen gewählt werden, die sich von der Sanitärkeramik farblich deutlich unterscheiden. Leuchtdichtekontraste sind für jeden von Vorteil und daher immer zu berücksichtigen. Wenn Glastrennwände oder -türen zum Einsatz kommen, sind diese mit 80 mm breiten Streifen bei einer Höhe von 40 bis 70 cm sowie 1,20 bis 1,40 m zu kennzeichnen. Die Badezimmertür sollte von außen zu öffnen sein und nach außen aufschlagen. Gerade für Hörgeschädigte und Gehörlose ist das Zwei-Sinne-Prinzip wichtig, demzufolge die Wahrnehmbarkeit über mehrere Wege sicher gestellt sein soll. Zum Beispiel empfiehlt sich ein Notrufknopf, um eine zusätzliche visuelle Wahrnehmung zu erreichen.
Die Wohnungswirtschaft in der Pflicht
Die Wohnungswirtschaft muss ihren Bestand nachhaltig sanieren, wenn sie dem demografischen Wandel gerecht werden will. Besonders in den Wohnungsbeständen der 1950er bis 1980er Jahre ist dies allerdings nicht immer einfach, da in diesem Zeitraum sehr schnell und kostengünstig Wohnraum geschaffen wurde. Häufig sind die Bäder auch in Wohnungen von 50 bis 60 m² schlauchförmig angeordnet, wodurch nur kleine Veränderungen möglich sind – wenn nicht gleich der Grundriss des Bades in einem aufwändigen Verfahren verändert werden soll. Ein weiteres Problem: Die Unterkonstruktion vieler Duschen ist nicht auf die bodengleiche Absenkung der Duschfläche ausgelegt. Die Bodenkonstruktion ist oft zu niedrig für den Einbau einer bodengleichen Dusche. Hierfür gibt es zwar fertige Duschbodenelemente mit einer geringen Einbau- und Bodenablaufhöhe, der Umbau stellt aber nach wie vor eine Herausforderung dar. So können Untergründe aufgrund verschiedener Bauweisen aus ganz unterschiedlichen Baustoffen bestehen, wodurch das Fliesenlegen schnell zur Herausforderung wird. Hinzu kommt, dass zusätzliche Schutzmaßnahmen gegen Feuchtigkeit nötig sind, wenn zum Beispiel die neue Dusche größer als die alte ist und dadurch Nässe in einem größeren Radius anfällt.
Die Industrie ist auf alles vorbereitet und bietet auch dafür Lösungen. So sind u. a. etwa die PCI Pecibords genannten Unterbauelemente des Herstellers PCI Augsburg GmbH gut für die Sanierung geeignet. So erstellte Bodenflächen halten große Gewichte aus und können auch von Rollstühlen problemlos befahren werden. Dabei sind sie in individuellen Größen erhältlich. „Neue technische Standards ermöglichen es uns in der Produktentwicklung immer mehr, hohen Komfort und technische Sicherheit mit ästhetischem Design zu verbinden“, erläutert Dr. Oliver Schippel, Leiter Produktmanagement bei PCI. Trotzdem gibt es in Bestandsbauten immer wieder den Fall, dass ein Einbau nicht zu realisieren ist, da die Badgrundrissfläche dies nicht ermöglicht. Bei Neubauten stellen sich diese Probleme nicht, hier lassen sich alle Wohnungen von Beginn der Planungen an barrierefrei gestalten. Wobei rollstuhlgerechte Wohnungen nur einen Teil der Wohneinheiten ausmachen sollten, was je nach Landesbauordnung (LBO) auch vorgeschrieben ist. In Eigentumswohnungen kann das Bad auch gerne mal zur Wellness-Oase werden, wenn die Höhe der Baukosten nicht zur Diskussion steht.
Finanzierung
Nachdem das Auslaufen der Programme „Altersgerechtes Umbauen“ und „Zuschüsse“ heftige Kritik ausgelöst hat, gibt es ab April 2012 nun doch wieder das Programm „Altersgerechtes Umbauen“ sowie als weiteres Programm „Altersgerechtes Haus“. Während Ersteres Einzelmaßnahmen wie zum Beispiel die Modernisierung des Bades fördert, so ist das zweite Programm als Komplettmaßnahme mit der Zielvorgabe eines vollständig barrierefreien oder –reduzierten Hauses zu sehen.
Behelfslösungen
Die Zuschuss-Variante (Programm 455) wurde leider eingezogen. Dennoch lässt sich zumindest durch einige Hilfsmittel – etwa Haltestangen, Toilettenaufsatz oder kontrastreiche Gestaltung – eine Wohnwertverbesserung erzielen. Wenn es sich realisieren lässt, sollte die Tür nach außen aufschlagen, damit im Notfall schnelle Hilfe gewährt werden kann. Das Schloss sollte so konstruiert sein, dass es sich auch ohne Schlüssel, beispielsweise mit einer Münze, für den Notfall auch von außen öffnen lässt.
Die Einführung der DIN in die Liste der Technischen Baubestimmungen steht in den einzelnen
Bundesländern noch aus, wird aber noch für das
laufende Jahr erwartet.
Die optische Gestaltung von Fliesen und sanitären Anlagen ein wichtiger Aspekt in Sachen
Barrierefreiheit.
Weitere Informationen rund ums Badezimmer
Das PCI Wellness-Programm