Photovoltaik am Balkon

In der Schweinfurter Gartenstadtstraße wurden 66 Balkone mit Photovoltaik ausgerüstet. Der Bauverein Schweinfurt eG hat es mit dem Architekturbüro Perleth und dem Gesamtdienstleister für Balkone, der Balco AB, geschafft, die Häuser technisch und optisch aufzuwerten.

Wie ein Mosaik aus Glas wirken die neuen Balkonbrüstungen in der Schweinfurter Gartenstadtstraße. Unterschiedliche Lichtbedingungen lassen die außergewöhnliche Konstruktion immer wieder neu erscheinen. Erst auf den zweiten Blick offenbart sie die Raffinesse ihres Inhalts: In die Brüstungsflächen des Balkons sind funktionsfähige, farbige polykristalline Solarzellen eingearbeitet. Die Wohnanlage wurde im Zeitraum von April 2010 bis März 2012 mit Fördermitteln aus dem bayerischen Modernisierungsprogramm energetisch saniert. Das Investitionsvolumen betrug rund 4 Mio. €.

Entstanden sind die Balkone in ihrer heutigen Form als Kooperationsarbeit. Der Bauverein Schweinfurt eG hatte als Bauherr die Vorstellung von lebendigen Farben, die dem tristen Straßengrau ein wenig Freundlichkeit zurückgeben. Es wurde nach alternativen Materialien gesucht, da der Einsatz von farbigem Glas für ein vorangegangenes Bauvorhaben in der Sonnenstraße in Schweinfurt bereits erfolgt war. „Es gab ein recht enges Zeitkonzept und die Entscheidungen mussten schnell getroffen werden,“ erläutert Günter Schmidt, technischer Vorstand des Bauvereins Schwein­­furt. Die Idee kam in Zusammenarbeit mit dem baubegleitenden Ar­­­­chitekturbüro Perleth (www.architekt-perleth.de ) und dem Balkonhersteller Balco zustande. Das Farbkonzept basiert auf drei verschiedenen Farben der Photovoltaikmodule – hellblau, gelbgrün und bräunlich. Diese Farbkomposition ist Grundlage des Farbkonzeptes der ganzen Wohnanlage ge­­worden. Die Anordnung der verschieden co­­lorierten Module ist keineswegs zufällig. Sie folgt einem streng angelegten geometrischen Muster und scheint doch willkürlich. Die Idee, Photovoltaikelemente in das Material der Brüstungsverkleidung zu integrieren, entstand in der Planungsphase. Zunächst war das Ziel, die Zellen vor die Brüstung zu setzen. Währenddessen entwickelte sich der Wunsch nach einer integrierten Lösung, die technische und gestalterische Vorteile miteinander vereint. In diesen Prozess waren der Modulhersteller Böhm Solar Equipment Technology GmbH, Dipl.-Ing. Christian Faller-Bertram, IBRF GmbH und Balco als Gesamtdienstleister für die Balkone integriert. „Für uns ist es das erste Projekt dieser Art und die Ergebnisse sind sehr positiv. Die Nutzung von vorhandenen Brüstungsflächen für die Photovoltaikelemente ist sinnvoll. Sie bieten ausreichend Platz und sind der Fassade zugehörig.“ erklärt Linus Ralling, Geschäftsführer von Balco in Deutschland.

Brüstungselemente sind absturzsicher

Die 66 verglasten Balkone in der Gartenstadtstraße haben eine durchschnittliche Größe von 9,20 m2. Die Brüstungsflächen sind in vier Felder aufgeteilt. Das Solarpaneel besteht aus zwei miteinander im Laminierprozess verklebten Glasscheiben mit integrierten Photovoltaikelementen in Evasky-Folie. Die ­Ge­­samtdicke entspricht 8,1 mm. Gemäß der „Technischen Regeln für die Verwendung von ab­­sturzsichernden Ver­­glasungen“ (TRAV) war zur Gewährleis­tung der Absturz­sicherheit die Über­­prüfung mit einem Pendelschlagversuch not­­wendig. Im Frühjahr 2010 erhielt die Materialprüfanstalt in Braunschweig den Auftrag, den Pendelschlagversuch an einem fertigen Modul durchzuführen. Die Ergebnisse erfüllten alle Anforderungen für die Kategorie C2 der TRAV.

 

Ertrag über den Erwartungen

Seit November 2011 ist die Anlage am städtischen Netz und der gewonnene Strom wird eingespeist. Der Zeitraum für eine Auswertung ist jedoch zu kurz, die ersten Er­­gebnisse gibt es Ende des Jahres. Dann kann eine Aussage über die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen getroffen werden. Schon in den ersten Monaten lag der Stromertrag ca. 20 % über den Erwartungen. Selbst bei diffusem Licht erzeugt die Anlage Strom. Ersichtlich ist dies über eine Software des Netzanschlussbetreibers. Der Bauverein Schweinfurt eG hat jederzeit die Möglichkeit, sich online über die Aktivität der Anlage zu informieren. Über einen Verteiler erhalten die Interessierten einen täglichen Auszug der Erträge. Angegeben werden die Leistung in kW, der Tagesertrag in kWh, die Vergütung und die CO2-Einsparung.

Im Unterschied zu schwarzen Solarelementen ist der Ertrag der bunten Zellen geringer. Auch der Neigungswinkel der Solarmodule beeinflusst den Ertrag. Unbestritten ist, dass auch die optimale Ausrichtung der Module – 180° Süd mit einer Neigung von 30° in unseren Breitengraden – den besten Ertrag ge­­währleistet. In der Gartenstadtstraße sind die Module mit einer südsüdwestlichen Ausrichtung und einer Neigung von 90° gut positioniert. Die am Objekt verbauten Photovol­taikelemente haben den Vorteil, von Pris­menglas umgeben zu sein. „Dies lenkt die Licht­­quellen in die zerklüftete Oberfläche der Solarzellen. Die Oberfläche unserer Elemente hat Ähnlichkeit mit der Struktur des Grand Canyon, wenn man diese unter einem Mikroskop betrachtet. Das Licht wird aufgenommen und bleibt hängen,“ erklärt Frank Radatz, Ge­­schäftsführer der Böhm Solar Equipment Technology GmbH. Zusätzlich wird der Ertrag durch die geringe Bebauung der gegenüberliegenden Straßenseite gefördert. Nur wenige Bäume und Häuser beschatten die Solarmodule an den Balkonen.

Mehr Wohnkomfort

Die Stromgewinnung durch die Balkone war nicht Hauptanliegen des Bauvereins Schweinfurt eG. Vorrangiges Ziel war, die Häuserreihe, die in den Jahren 1930 bis 1935 errichtet wurde, durch Modernisierungsmaßnahmen an heutige Standards anzupassen. Dies ist in zweierlei Hinsicht gelungen. Die großzügigen, verglasten Balkone haben den weiteren Effekt, eine Pufferzone zwischen der Hauswand und der Außenwelt zu bilden. Energie wird eingespart und die Mieter können ihren Balkon ca. 10 Monate im Jahr nutzen.

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