Solarthermie für Mehrfamilienhäuser
Vor gut einem Jahr hat der Bauverein Breisgau sein ältestes Gebäudeensemble mit einer großen Solarthermieanlage ausgestattet, eingebunden in ein neues Mikrowärmenetz. Die jetzt ausgewerteten Betriebsdaten eines Jahres zeigen: Das von der Stadt Freiburg initiierte und vom Badenova Innovationsfonds geförderte Pilotprojekt sollte Nachahmer finden.
Solarthermieanlagen haben auch im Mehrgeschosswohnungsbau ihre Berechtigung und können dort einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten. Dies zeigt die aktuelle Auswertung von Betriebsdaten eines Solarthermie-Demonstrationsprojekts in Freiburg. Von der Stadt Freiburg initiiert und vom Badenova Innovationsfonds gefördert, hatte die Wohnungsgenossenschaft Bauverein Breisgau ihr erstes und ältestes Gebäudeensemble Ende 2015 mit einer großen Solarthermieanlage ausgestattet und diese in ein neu geschaffenes Mikrowärmenetz integriert.
Wissenschaftlich wurde das Projekt vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesystem ISE begleitet. Das Ergebnis nach dem ersten vollständigen Betriebsjahr kann sich sehen lassen: Die Anlage auf dem denkmalgeschützten Ensemble an der Emmendinger Straße hat im Jahr 2016 knapp 60 MWh Wärme produziert und damit der Atmosphäre mehr als zwölf Tonnen Kohlendioxid erspart. In den Sommermonaten lieferten die Kollektoren mehr als 60 % der von den 92 Wohnungen benötigten Wärmemenge. Über das gesamte Jahr 2016 gesehen konnte die Solarthermie rund zehn Prozent der Wärmeenergie bereitstellen.
Während vorher die meisten Mieter eine Gasetagenheizung nutzten oder sogar noch mit Einzelöfen heizten, wird die Wärme nun von einem innovativen Mikrowärmenetz in die Wohnungen geliefert. Neben der 191 m² großen Solaranlage speist dort auch ein Blockheizkraftwerk (BHKW) mit einer Leistung von 20 kW sowie ein gasbetriebener Spitzenlastkessel mit 450 kW Leistung Wärme ein. Um beim Wärmemanagement möglichst flexibel zu sein, sind in jedem der zehn Häuser Pufferspeicher mit einem Volumen von 1.200 bis 1.700 l installiert, die über das Wärmenetz miteinander verbunden sind.
Das Wärmemanagement ist so ausgerichtet, dass die Solarwärme vorrangig mittels der Unterstationen dezentral verbraucht wird und bei Überschüssen in die Ringleitung einspeisen kann. Da das BHKW vergleichsweise klein ausgelegt ist, kann es trotzdem fast ganzjährig Wärme und Strom produzieren. Im vergangenen Jahr lief das Kleinkraftwerk 6.150 Stunden und damit rund 70 % des Jahres unter Volllast. Der gemessene Gesamtwirkungsgrad des BHKW beträgt im Jahresmittel fast 97 % (30 % elektrisch und 67 % thermisch), ist also deutlich effizienter als zum Beispiel vom Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) in Baden-Württemberg gefordert.
Die sehr effiziente Arbeitsweise der Solar- und BHKW-Anlage wurde durch eine tiefe Rücklauftemperatur im Heizungsnetz von ca. 40 °C sichergestellt. Um dies zu erreichen, mussten die handelsüblichen Wohnungsübergabestationen des Herstellers Meibes System-Technik nach einer wissenschaftlichen Prüfung am Teststand werksseitig mit geringem Aufwand konstruktiv modifiziert werden. Ein weiterer Erfolgsfaktor war die vollständige regelungstechnische Vernetzung der Solarthermie, der BHKW- und Kesselanlage sowie des hydraulischen Netzes mit Pumpen, Ventilen und Fernüberwachungssystem. Die Kosten für das ganze System lagen bei rund 1,26 Mio. €, ca. 115.000 € davon schlugen für die Solarkollektoren und Solarstationen zu Buche, das BHKW mit etwa 62.000 €.
„Wir sind sehr zufrieden mit der neuen, innovativen Wärmeversorgung in unserem Gebäudeensemble in der Emmendinger Straße“, resümiert Michael Simon, Leiter der Bauabteilung beim Bauverein Breisgau gut ein Jahr nach Inbetriebnahme des Wärmenetzes. Auch der Verkauf des BHKW-Stroms an die Mieter hat sich ausgesprochen positiv entwickelt – obwohl das Thema Mieterstrom absolutes Neuland für die Wohnungsgenossenschaft war.
Das Tüfteln an einem passenden Modell jedenfalls hat sich gelohnt: „Bereits drei Viertel aller Mieter beziehen den preisgünstigen Strom aus eigener Herstellung“, zeigt sich Simon erfreut. Er könnte sich vorstellen, dass dieses Modell auch in anderen Gebäuden des Bauvereins zum Zuge kommt oder vielleicht bei anderen Gebäudeeigentümern Schule macht: „Ich würde mich freuen, wenn andere Wohnungsgesellschaften, Baugenossenschaften oder sonstige Eigentümer von Mehrfamilienhäusern unser Pilotprojekt zum Anlass nähmen und bei der Erneuerung ihrer Wärmeversorgung die Solarthermie und die Einbindung eines BHKW in Betracht zögen.“
Das wäre auch im Sinne der Stadt Freiburg: Sie möchte mit diesem Beispiel im Rahmen einer „Solarthermie-Initiative“ vor allem Besitzer von Mehrfamilienhäusern dazu anregen, über die Nutzung solarthermischer Anlagen nachzudenken. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäudeensemble des Bauvereins zeigt außerdem, dass auch der Denkmalschutz kein Hindernis sein muss.
Gerade bei Mehrfamilienhäusern im Bestand gibt es noch erhebliches Potential hinsichtlich der Solarthermie. Nur ein Bruchteil der Mehrfamilienhäuser ist mit solarthermischen Anlagen ausgestattet. „Das ist bedauerlich“, meint Gerda Stuchlik, Umweltbürgermeisterin der Stadt Freiburg, „Achtzig Prozent aller Mietwohnungen liegen in Wohnhäusern mit drei bis zwölf Wohneinheiten. Unser Ziel ist es, dass dieses Potential zukünftig stärker erschlossen wird. Denn nur, wenn die Solarthermie ihren Platz auch in der Wärmeversorgung von größeren Wohnhäusern findet, wird mittelfristig die Wärmewende gelingen können“, ist Stuchlik überzeugt.