Holzbausiedlung: Stadt auf dem Land

Das einst schrumpfende Montabaur im Westerwald konnte durch eine schnelle Infrastruktur – ICE-Anbindung und Glasfaser-Internet – neu belebt werden. Günstige Preise locken Unternehmen und Menschen aus den überfüllten und teuren Ballungsräumen an. In städtebaulich attraktiver Lage bietet jetzt eine mehrgeschossige Holzbausiedlung urbanes Leben im ländlichen Raum.

Die Entwicklung zum verdichteten Bauen hat auch den ländlichen Raum erreicht. In Zeiten knapp werdender Flächen, sinkender Zahlen an zahlungskräftigen EFH-Bauherrn und kleineren Baugrundstücken bedarf es neuer Strategien. Dabei spielt nicht nur die Bauweise eine Rolle, sondern auch die sogenannte ‚zweite Miete‘ der Wohnnebenkosten sowie die infrastrukturelle Erschließung des Standortes. Der Fertighaushersteller Huf Haus hatte sich frühzeitig ob veränderter Rahmenparameter Gedanken gemacht, und darauf eine holzbauliche Antwort am richtigen Standort gefunden.

Das ländliche Montabaur im Westerwald bot hier ein ideales Terrain. Seit dem Anschluss an die ICE-Hochgeschwindigkeitstrasse Köln – Frankfurt im Jahr 2002 verzeichnet die damals schrumpfende Kommune sukzessive einen wachsenden Zuzug von Unternehmen, Einwohnern sowie Ein- und Auspendlern aus den genannten Metropolen. Der 300 km/h schnelle ICE verbindet Montabaur mit den beiden Oberzentren Köln und Frankfurt und deren internationalen Großflughäfen in knapp 30 Minuten. Dazu kommt eine Internetverbindung auf Glasfaserbasis, da der Gründer einer namhaften Internetfirma aus Montabaur stammt und dafür gesorgt hat, dass die Datenautobahn hier mit Höchstgeschwindigkeit befahren werden kann. Letztlich bildet diese zeitgemäße, infrastrukturelle Erschließung die Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Entwicklung Montabaurs, der sogar schon Dienstleister aus den genannten Oberzentren gefolgt sind, die sich aufgrund des weitaus günstigeren Preisniveaus im ländlichen Westerwald niedergelassen haben.

Seitdem hat Montabaur seine Gewerbesteuereinnahmen von 8,8 Mio. € (2005) auf über 20,9 Mio. € (2014) mehr als verdoppeln können. Im Zuge dieser Entwicklung hat die Stadt auf dem stillgelegten Gleisbett des alten Bahnhofs ein Mischquartier in bester Lage erschlossen. Auf der einen Seite eine ländliche Szenerie mit dem Schloss Montabaur, auf der anderen Seite, nur drei Fußminuten entfernt, der ICE-Bahnhof mit dahinter verlaufender A3. Gründe genug für Georg Huf, hier die erste mehrgeschossige Prototypsiedlung der Unternehmensgeschichte mit dem Namen ‚Huf City Living‘ zu bauen, die sich an eine urbane Klientel richtet, die die Vorzüge des Landes mit der Infrastruktur einer Stadt verbinden möchte.

Auf dem als Aubachviertel bezeichneten Areal, das als Bindeglied zwischen der Kernstadt und dem ICE-Park fungiert, bildet die Holzbausiedlung auf 4900 m² Fläche das größte Einzelprojekt. Das Mischgebiet führt dabei die Grunddaseinsfunktionen ‚Arbeiten‘ (40 % der Fläche) und ‚Wohnen‘ (60 % der Fläche) logischerweise wieder zusammen, die der Individualverkehr nach dem Krieg einst sinnloserweise getrennt hatte. Diese städtebauliche Verzahnung, die sowohl den Verkehr als auch den Lärm, Abgase wie auch Feinstaubemissionen signifikant reduziert, drückt sich auch in den bewusst gering gehaltenen PKW-Parkflächen aus – im Aubachviertel fährt man mit der Bahn oder geht zu Fuß.

Im Idealfall wird im Erdgeschoss gearbeitet und in den Obergeschossen gewohnt. Dabei präsentiert sich das neue Stadtviertel urban. Die Gebäude, welche flächensparend eng beieinander stehen, erreichen gemäß Bebauungsplan eine maximale Höhe von 14,60 m. So auch die viergeschossigen Holzbauten der Huf-Siedlung, die mit ihren turmähnlichen Gebilden eine Art Kleinsiedlungscharakter entfalten. Die Gebäudeeinheiten gruppieren sich um einen zentralen, begrünten Innenhof, der als Sozialraum der Begegnung und des Austauschs fungiert. Die im KfW-55-Standard errichteten 44 Mietwohnungen – die meisten davon barrierefrei – in Größen zwischen 60 und 130 m², verfügen über 48 optional anmietbare PKW-Stellplätze in der Tiefgarage, die unter dem Bauplatz angelegt wurde.

Hybridkonstruktion

Die Konstruktion besteht im Wesentlichen aus zwei Materialien: Holz und Beton. Auf eine tragende Drainageschicht aus Basaltschotter wurde der Keller aus vorproduzierten Stahlbeton-Wandelementen platziert, während die Kellerdecke mit den Unterzügen vor Ort gegossen wurde. Darauf setzte man einen Huf-Skelettbau mit geschosshoher Verglasung, die rahmenlos direkt in der Konstruktion sitzt, wobei sämtliche Glas- und Giebelelemente im eigenen Werk fertig vorproduziert wurden und über außenliegende, elektrische Jalousien verschattet werden. Der Aufbau der 25 cm dicken Geschossdecken aus Stahlbeton erfolgte mehrschichtig, um die komplexen Ringleistungssysteme der untereinander vernetzten Gebäudeeinheiten aufgrund der Energieverteilung über den zentralen Eisspeicher unterbringen zu können. Auf im firmeneigenen Werk vorgefertigte Beton-Filigranplatten, die zugleich als Schalung dienen, wurde auf der Baustelle eine zusätzliche, obere Betonschicht gegossen. Darauf platzierte man eine EPS-Trittschalldämmung, gefolgt von einem Estrich, auf den das finale Eichenparkett verklebt verlegt wurde. Die Haustechnik (Deckenheizung + Lüftung) befindet sich in der nach unten abgehängten Decke. Brandschutzbedingt wurde die Tiefgarage in F90 ausgeführt, während es vom Erd- bis zum 3. Obergeschoss nur noch F60 bedurfte, wobei man die Brettsperrholz-Elemente (BSP) kapselte, während für das 4. Obergeschoss F30 genügte. Zudem umsäumt sämtliche Gebäudeeinheiten auf jeder Geschossebene ein Brandriegel.

Außenwände, Treppenhäuser und Aufzugsschächte aus Brettsperrholz

Die Gebäudehülle besteht aus vorgefertigten BSP-Elementen aus Hunsrücker Fichte (EG bis 3. OG). Innenseitig mit einem Silikatputz auf doppelten Gipskartonplatten abgeschlossen, folgt auf die 11,5 – 14,5 cm dicken BSP-Elemente nach außen ein EPS-WDVS von 14 cm mit einem Armierungsgewebe, das einen mit Algiziden und Fungiziden versehenen, in weiß gehaltenen Kunstharzputz trägt, der der Veralgung vorbeugen soll. Alternativ dazu erzeugt eine waagerechte Beplankung aus witterungsresistentem, dunklen Accoyaholz einen vitalen Fassadenkontrast. Die BSP-Wände steifen die Konstruktion aus und übernehmen zugleich den Lastabtrag, wobei jede Gebäudeeinheit aus Gründen eines verbesserten Schallschutzes einzeln ausgesteift wird. Hervorzuheben ist, dass auch die Treppenhäuser und Aufzugsschächte aus BSP-Elementen errichtet wurden und sich dabei selbst abtragen. Die nicht tragenden Innenwände bestehen aus einem mineralisch gedämmten Leichtbau-Stahlständersystem. Das abschließende 4. Obergeschoss wurde als zurückgesprungenes Staffelgeschoss in Holzrahmenbauweise errichtet. Dabei wird die kleinere Wohnfläche durch eine großflächige Rundum-Verglasung, hohe Decken bis unter das Pultdach (BSP-Element/ Dampfsperre/ EPS-Dämmung/ Abdichtungsbahn) und einen umlaufenden Balkon kompensiert, die den Dachgeschosswohnungen Weite verleihen. Zudem generieren die Staffelgeschosse der elf Türme einen erhöht wirkenden Abschluss, der den urbanen Charakter des Bauvorhabens verstärkt.

Latent-Eisspeicher

Die Holzbausiedlung wird von einem sogenannten ‚kalten Nahwärmenetz‘ energetisch versorgt. Hierfür arbeiten in den einzelnen Gebäudetrakten 14 Sole-Wasser-Wärmepumpen mit einer Heizleistung von 150 kW und einer Entzugsleistung von 113 kW. Sie speisen gemeinsam einen zentralen Latent-Wärmespeicher aus Wasserbasis, auch als Eis-Energiespeicher bezeichnet, über den sowohl die Wärmeversorgung als auch die Kühlung des Objektes ganzjährig geregelt wird. Zudem wird nicht nur das Erdreich, sondern auch die solare Einstrahlung sowie die Umgebungsluft als Energiequelle genutzt. Dieses dreistufige Versorgungsmosaik wird über eine elektronische Wärmequellen-Schnittstelle gesteuert, die das Zusammenspiel vom Solar-Luftabsorber, den Wärmepumpen und dem Eisspeicher permanent abgleicht, Energie speichert oder einspeist.  Einspeisung und Speicherung erfolgen dabei nahezu verlustfrei auf einem relativ niedrigen Temperaturniveau. Der Clou liegt in der Nutzung der Kristallisationsenergie, die beim Wechsel vom flüssigen Wasser- in den festen Eiszustand und umgekehrt freigesetzt wird. In diesem Phasenübergang wird pro Kubikmeter so viel Energie frei, wie benötigt wird, um Wasser von 0°C auf 80°C zu erwärmen – und umgekehrt.

Hybridkollektoren auf Pultdächern

Die Betriebsenergie kommt dabei entweder direkt von den PV-Modulen der elf Pultdächer oder aus dem Speicher selbst. Die auf den nach Süd-Westen ausgerichteten, 12° geneigten Pultdächern installierten, 450 solaren Doppelmodule mit 108 kWp installierter Leistung erzeugen sowohl PV-Strom als auch Solarthermie-Wärme. Sie bestehen aus einem unten liegenden Solar-Absorber für die Solarthermie, der solare und Umgebungswärme aufnimmt, sowie den darüber befindlichen PV-Modulen (Solarstrom). Durch diese Hybridkollektoren wird der energetische Flächenertrag optimiert, zumal die PV-Module aufgrund der Aufnahme der Strahlungswärme und der Energie der Umgebungsluft durch die Absorber höhere Erträge liefern. Die Wärmeenergie der Absorber, die auch im Winter bei tiefen Lufttemperaturen Erträge liefern, dienen zum einen der Regeneration des Latent-Eisspeichers, und können zum anderen direkt für den Betrieb der Wärmepumpen genutzt werden. Ferner werden auch im Sommer die niedrigeren Nachttemperaturen über die Solar-Luftabsorber in den Eisspeicher geleitet, um die Siedlung zu kühlen.

Aus der Geschichte lernen

Das Beispiel in Montabaur zeigt auf, wie der aktuell personell und strukturell ausblutende, ländliche Raum als Lebens-, Siedlungs- und Wirtschaftsraum revitalisiert werden kann. Dazu braucht es systemimmanent moderne, zeitgemäße Infrastrukturen, wie eine Hochgeschwindigkeits-Bahnverbindung die in hoher Taktung fährt, und eine Internetverbindung auf Glasfaserbasis in jedes Gebäude (Fibre to the building). Die derzeitige Situation, bei der die Agglomerationen sprichwörtlich auf mehrstöckigen, achtspurigen Autobahnen und von mehreren Anbietern fürstlich versorgt multimedial vernetzt fahren, während die ruralen Gebiete auf steinzeitlichen Lehmpfaden ohne jede Anbindung zu Fuß laufen, wird in einem so kleinen und dicht besiedelten Land wie Deutschland mit seiner grundsätzlich gesunden, dispersen Siedlungsstruktur auf Dauer nicht zielführend sein. Die Städte ächzen unter dem stetig steigenden Siedlungsdruck, bezahlbarer Wohnraum fehlt allerorten. Dem entsprechend sind die Flächen knapp und teuer und der als Lösung erkorenen Nachverdichtung und Aufstockung sind systemische Grenzen gesetzt. Zudem ist die Luftqualität in den Ballungsräumen, insbesondere durch die hohe Verkehrslast und die täglichen Stauaufkommen, schlecht, und die Lärmbelästigung hoch. Wie schon Professor Fritz Voigt in seinen grundlegenden Werken ‚Verkehr‘ hat belegen können, ist die volkswirtschaftliche Entwicklung Deutschlands im 19. und 20 Jahrhundert insbesondere auf die Ausbreitung der Eisenbahn und des Straßennetzes in der Gesamtfläche zurückzuführen. Er konnte belegen, dass ein effizientes Verkehrssystem auch dann volkswirtschaftliche Impulse einleiten und ökonomische wie soziale Prosperität in entlegenen Räumen hervorbringen kann, wenn einzelne Strecken defizitär arbeiten. Die Bereitstellung zeitgemäßer Infrastrukturen sei grundlegend für jedwede volkswirtschaftliche Entwicklung und müsse als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden. Ein Börsengang der Bahn gehört nicht dazu. Ebenso wenig das Aussterben des ländlichen Raums.

Im Idealfall wird im Erdgeschoss gearbeitet und in den Obergeschossen gewohnt.

Die Holzbausiedlung

wird  von einem kalten

Nahwärmenetz emissionsfrei energetisch versorgt.

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