Aufzugsnachrüstung: Treppenauge clever genutzt

Als das Dorf List 1891 in die Stadt Hannover eingemeindet wurde, setzte ein Bauboom ein: Rund um den Lister Platz entstanden Häuser im Gründerzeitstil. Eines davon wurde jetzt mit einer raumeffizienten Aufzugsanlage ausgestattet.

Seit Mitte der 1960er Jahre werden Gebäude mit mehr als drei Vollgeschossen mit Aufzügen ausgestattet. In Wohnimmobilien, die vor dieser Zeit entstanden, trifft man sie hingegen selten an. Auch im Haus an der Podbielskistraße, das 1911 erbaut wurde, fehlte der Aufzug. Dabei hat ein Großteil der Bewohner das 60. Lebensjahr bereits überschritten. Einige von ihnen wohnen schon seit Jahrzehnten hier. Wie Axel Rolser, der mit seiner Ehefrau Elke 1981 eine Wohnung in der zweiten Etage des Hauses erwarb und seitdem hier lebt. 2013 ergriff der Architekt im Ruhestand die Initiative, die zum nachträglichen Aufzugeinbau führte. „Treppen steigen hält zwar fit, aber es wurde höchste Zeit für eine Alternative“, so der 75-Jährige, der eine Bauvoranfrage stellte.

Einbau des Aufzugs nur im Haus

Die Stadt Hannover erlaubte den Aufzugeinbau – allerdings nur im Inneren des Gebäudes, da die Fassade unter Denkmalschutz steht. Nachdem Rolser das Treppenauge ausgemessen und maßstabsgetreue Zeichnungen angefertigt hatte, holte er bei verschiedenen Aufzugfirmen ers­­te Angebote ein. „Davon sagte uns keines so recht zu“, erinnert sich Rolser. „Lösungen mit Ma­­schinenraum schieden aus Platzgründen aus, Anlagen mit Hy­­drauliktechnik hätten ein Durchbrechen der Bodenplatte im Erdgeschoss erfordert, um den Hydraulikstempel im Keller zu installieren.“ Eine Lösung zeigte sich mit dem Kone ProSpace, denn „das recht große Treppenauge bot eine gute Grundsituation für seinen Einbau“, erklärte Alexander Diemert, Modernisierungsverkäufer bei Kone.

Der Aufzug passte gleich in mehrerer Hinsicht gut zum Haus an der Podbielskistraße: Die Anlage ist sehr raumeffizient, die Differenz zwischen den Außenmaßen   der Schachtkonstruktion und den Innenmaßen der Kabine beträgt gerade einmal 20 cm. Weitere Vorteile: Die Schachtgrube benötigt nur eine Tiefe von 10 cm und mit 2,5 m ist ein verkürzter Schachtkopf möglich. Ein Maschinenraum ist nicht notwendig, denn der Antrieb sitzt auf dem Dach der Anlage. Für den gewählten Aufzug sprach weiterhin, dass die Installation nur zwei bis drei Wochen in Anspruch nehmen sollte und nur geringe Eingriffe in die Bausubstanz des Hauses notwendig wurden.

Nachdem die Stadt Hannover die Baugenehmigung erteilt hatte, begannen die vorbereitenden Arbeiten. Für die Schachtgrube mussten 10 cm an der Deckenplatte des Erdgeschoss abgetragen werden. „Hierzu haben wir den Terrazzoboden im Treppenauge behutsam ausgestemmt“, erklärt Bauingenieur Stefan Boltes vom Planungsbüro Isernhagen. „Unter der Erdgeschossdecke haben wir zudem eine Stahlrahmenkonstruktion im Keller eingebaut, um Druck, Zug und Schub des Aufzuges ins Fundament abzuleiten. Glücklicherweise trägt sich das Schachtgerüst quasi selbst, der Aufzug bringt nur geringe Kräfte ins Haus.“

Messungen mit einem Laser bestätigten, dass das Treppenauge nicht lotrecht war. „Die Kabine sollte so groß wie möglich ausfallen, damit ein Rollstuhlfahrer, eine Begleitperson sowie Einkäufe ohne Probleme befördert werden können. Ich habe deshalb um jeden Zentimeter gekämpft“, sagt Rolser. Wo nötig, wurden die Treppenstufen daher eingekürzt. Im Ergebnis entstand ein lotrechtes Treppenauge mit einer Grundfläche von 1,2 mal 1,9 m, das eine 1 mal 1,75 m große Aufzugkabine ermöglichte. Zum Vergleich: Die DIN EN 81-70 fordert bei der Zugänglichkeit von Aufzügen für Personen mit Behinderungen Fahrkorbmaße von 1 mal 1,25 m.

Nachdem die exakten Maße feststanden, bestellte das Planungsbüro Isernhagen im September 2014 die Anlage und verhandelte den Einbautermin mit dem Hersteller. „Die Lieferzeit sollte sechs bis acht Wochen betragen, der Einbau im Anschluss bis zum Jahresende 2014 erfolgen“, so Boltes. Dadurch, dass alle Bauteile des Aufzugs optimal aufeinander abgestimmt, klein und kompakt sind und sich einfach im Gebäude transportieren lassen, ging der Einbau zügig und reibungslos vonstatten: Die Monteure bauten das Schachtgerüst auf und installierten die Kabine sowie die Haltestellentüren. Bevor die Installation fertiggestellt und die Anlage in Betrieb genommen werden konnte, waren Tischlerarbeiten gefragt: Um Platz für Haltestellen und Aufzugtüren zu schaffen, musste das Treppengeländer in den Etagenpodesten unterbrochen werden. Die an den Unterbrechungen angebrachten Handlaufblenden hat Rolser entworfen – nur eines von vielen Details, die der Architekt im Ruhestand zum Projekt beisteuerte. Insgesamt nahmen die Installation des Aufzugs sowie die bauseitigen Leistungen nur drei Wochen in An­­­spruch. Nach dem Anschluss ans Stromnetz, einigen Probefahrten und der Abnahme durch den TÜV ging der Aufzug Anfang 2015 in Betrieb.

Mobilität und Immobilienwert erhöhen

Wer den Aufzug sieht, würde nicht denken, dass die Anlage erst kürzlich eingebaut worden ist. Selbst die Bewohner können sich kaum erinnern, wie ihr Treppenhaus vorher ausgesehen hat. Denn die Schachtkonstruktion aus weiß lackierten Stahl- und Glaselementen sorgt dafür, dass sich die Anlage optimal integriert, das Treppenhaus transparent und hell bleibt. „Man könnte fast denken, dass der Aufzug schon immer da war“, sagt Elke Rolser. Die 68-Jährige benutzt nach wie vor und so oft es geht die Treppe. „Aber wenn ich mit Einkäufen nach Hause komme, freue ich mich schon sehr, dass ich jetzt den Aufzug nehmen kann.“

„Treppen steigen hält zwar fit, aber es wurde höchste Zeit für eine ­Alternative.“

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