Serielle und modulare Bauweise

Wie nachhaltig ist Bauen mit Holz wirklich?

Als schnell und billig galt früher der serielle und modulare Wohnungsbau. Heute setzen Anbieter immer mehr auf Nachhaltigkeit. Holz gilt als besonders ökologisch. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen plädiert dafür, sich beim nachhaltigen Wohnungsbau differenziert mit unterschiedlichen Materialien auseinanderzusetzen. 

Deutschlands derzeit größte zusammenhängende Siedlung in Holzbauweise mit insgesamt rund 570 Wohnungen steht im Münchner Stadtteil Oberföhring auf einem ehemaligen Kasernengelände. Realisiert haben die unterschiedlichen, bis zu siebengeschossigen Häuser die städtischen Wohnungsbaugesellschaften GEWOFAG und GWG, gemeinsam mit vier Baugemeinschaften und zwei Genossenschaften. Die meisten Holzbauteile wurden industriell in Werken vorgefertigt, zur Baustelle transportiert und dort montiert. Mit dem Modellprojekt will die bayerische Landeshauptstadt den modernen Holzbau etablieren und Maßstäbe für Klimaschutz und eine nachhaltige Stadtentwicklung setzen.

Industrieller Wohnungsbau mit Holz nimmt seit einigen Jahren an Fahrt auf. Die Akzeptanz der Holzbauweise ist hoch, der Diskurs rund um Klimaschutz und Schonung von Ressourcen gibt ihr Rückenwind in Politik, Gesellschaft und Medien. Holz ist nicht nur ein nachwachsender Rohstoff, es gilt auch als klimaneutral. Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wird der Wald in Deutschland heute naturnäher bewirtschaftet denn je. Kontinuierlich wächst mehr Holz nach, als genutzt wird. Bei der Holzverwendung im Gebäudebau bleibt der Kohlenstoff gebunden. Die Nutzung von Holz ersetzt außerdem fossile Energieträger wie Öl, Gas oder Kohle. Weil der Holzbau zudem einen hohen Vorfertigungsgrad bietet, besteht zusätzlich die Option des seriellen Bauens und die Chance, in relativ kurzer Zeit neuen Wohnraum zu schaffen.

Nachhaltiges Bauen schließt weitere Faktoren mit ein

Den Vorteil eines hohen Vorfertigungsrades und daraus resultierenden kurzen Bauzeiten haben auch Systemteile aus Beton und Stahl. Doch die Renaissance des Holzbaus ist inzwischen auch bei Generalübernehmern angekommen, deren Kernkompetenz bislang im Bauen mit Beton und Stahl liegt. 400.000 Kubikmeter Beton und 147.000 Tonnen Stahl – zum großen Teil recycelt – kann etwa Goldbeck jährlich in zehn eigenen Werken verarbeiten. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Bielefeld baut auf Basis industriell gefertigter Systemelemente neben Gewerbeimmobilien, Schulen und Parkhäusern auch Wohnungen. „Wir kommen zwar aus dem Stahl- und Betonbau, doch wo es sinnvoll ist, arbeiten wir auch mit Holz, da gibt es keine Berührungsängste“, sagt Frank-Thomas Kronsbein, Produktmanager Wohngebäude bei Goldbeck. Der Ingenieur beobachtet, dass öffentliche Diskussionen um Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Verbindung mit Wohnen häufig emotional geführt werden. „Intern betrachten wir diese Themen nüchtern, schauen auf Fakten und Argumente.“ Holz könne etwa als Trägerelement aus Brandschutzgründen ein sinnvoller und wirtschaftlicher Baustoff sein. Es ist zwar entflammbar, aber die entstehende Holzkohleschicht bietet zusätzlichen Schutz und verzögert den Abbrand.

Geht es darum, wie nachhaltig ein Gebäude ist, schließt Kronsbein neben dem Baumaterial weitere Faktoren ein: zum Beispiel Müllvermeidung, sichere Arbeitsbedingungen und vor allem das Energiekonzept einer Immobilie. Gesamt betrachtet sei eine Systembauweise im Vergleich zur konventionellen Bauweise deutlich ressourcenschonender. Bei der Wahl zwischen Holz oder Beton kann auch, so der Produktmanager, eine Kombination beider Stoffe in Form von Hybridbauten die richtige Wahl sein. Im Wesentlichen komme es darauf an, Baustoffe projektspezifisch auszuwählen. Dabei dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, was mit dem Material passiert, wenn Gebäude am Ende ihres Lebenszyklus abgerissen werden. „Viele Holzständermodule bestehen zu großen Teilen aus Gips, Verklebungen und Abdichtungen, die sich nach einem Rückbau nicht gut trennen und recyceln lassen.“ Wichtig sei daher, dass Baustoffe trennbar sind und ihre Ökobilanz transparent ist.

DGNB veröffentlicht Positionspapier Holzbau

Auch bei der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) ist das Thema Holzbau aktuell, zeigt ein im August veröffentlichtes Positionspapier: „Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, kann Kohlenstoff speichern und schafft ein angenehmes Raumklima – damit bringt es wertvolle Eigenschaften für eine nachhaltige Bauweise mit sich“, sagt Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführende Vorständin der DGNB. Dass diese Potenziale zu einem ganzheitlich nachhaltigen Ergebnis führen, hänge jedoch von der Planung und einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Material ab. Dazu gehöre auch, die Materialwahl nicht vor die Bauaufgabe zu stellen oder per se auf einen Baustoff zu setzen. „Um Zukunftsaufgaben zu lösen, müssen wir uns faktenorientiert mit allen Kriterien einer nachhaltigen Architektur auseinandersetzen“, so Lemaitre.

Würden etwa Holz-Komposite verbaut, die zu Abfällen werden oder ein Holzhaus schon nach wenigen Jahren wieder abgerissen und thermisch verwertet, sei von der  CO2-senkenden Wirkung nicht mehr viel übrig. Eine Kernaussage des Positionspapiers ist deshalb, den Baustoff mit dem darin gespeicherten Kohlenstoff so lange wie möglich in der Gebäudenutzung zu halten. Die DGNB ruft unter anderem dazu auf, robuster zu bauen, Langlebigkeit zu fördern, das Recyclingpotenzial auf Bauteilebene anzuschauen und mit lösbaren Fügungen eine Material-Trennbarkeit sicherzustellen. Die Stärken einzelner Bauweisen und Materialien sollen erkannt, intelligente Hybridlösungen gefördert werden. An Planer, Bauherren, Investoren und Projektentwickler geht der Appell, die Vorteile unterschiedlicher Werkstoffe im Sinne der Nachhaltigkeit zu kombinieren. Als Lösungsansätze nennt das Positionspapier einfaches und robuste Bauen sowie eine integrale Planung.

Hybridbauweise kann eine ideale Lösung sein

Unterschiedliche Werkstoffe kombiniert sind auch in der eingangs erwähnten Münchner Mustersiedlung: Neben Holz- wurden auch Holzhybridbauweisen umgesetzt, heißt es in einer Mitteilung des Referats für Stadtplanung und Bauordnung. Die Errichtung der Gebäude variiere von einer Stahlbetonskelettbauweise mit einer Holzrahmenfassade bis zu massiven Brettsperrholzkonstruktionen – inklusive der Treppenhäuser und Aufzugsschächte. Die energetischen Kennwerte der Gebäude reichen vom einzuhaltenden Mindeststandard nach dem ökologischen Kriterienkatalog der Landeshauptstadt bis hin zum Passivhausstandard. Bei der überwiegenden Anzahl der Gebäude wurde KfW-55 oder ein höherer Energiestandard realisiert.

Den größten Holz-Hybridwohnbau der Siedlung mit 181 Wohneinheiten und einer Kindertagesstätte hat B&O als Generalunternehmen mit vorgefertigten Teilen in Systembauweise errichtet. Der fünfgeschossige, teilweise höhengestaffelte Wohnbau mit Loggien und einer Lärchenholzfassade besteht aus einem L- und einem U-förmigen Baukörper. Um die gewünschte Flexibilität der Grundrisse wirtschaftlich umzusetzen, wurde ein Stahlbetonskelett mit Außenwänden in Holzbauweise kombiniert. Die nicht tragenden Außenwände sind hochgedämmte Holztafelbauelemente. „Die Kombination aus Stahlbeton und Holzbau bot für dieses Bauvorhaben eine ideale Lösung“, ist in einer Veröffentlichung des Unternehmens zu lesen.

Die Akzeptanz der Holzbauweise ist hoch, der Diskurs rund um Klimaschutz und Schonung von Ressourcen gibt ihr Rückenwind.

Bei der Wahl zwischen Holz oder Beton kann auch eine Kombination beider Stoffe in Form von Hybridbauten die richtige Wahl sein.

Mit integraler Planung zu nachhaltigen Gebäuden

Die integrale Planung umspannt den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, macht Abhängigkeiten transparent und optimiert sie zu einem ganzheitlichen Konzept. Zentrales Element ist das Einbeziehen aller für die Planung notwendigen Experten. Ein Werkzeug der vernetzten Planung ist Building Information Modeling (BIM). Mit dieser Methode lassen sich alle archetektonischen, technischen, physikalischen und funktionalen Eigenschaften eines Gebäudes digital in einem zentralen Datenmodell abbilden.

Sämtliche Informationen, von der Planung über die Errichtung und den Betrieb einer Immobilie bis hin zum Abriss werden erfasst, laufend aktualisiert und dokumentiert. Laut DGNB kam ein Forschungsprojekt des Fraunhofer Institut für Bauphysik zu dem Ergebnis, dass alle für eine Nachhaltigkeitszertifizierung eines Gebäudes notwendigen Informationen direkt und automatisiert aus einem BIM-Modell entnommen werden können.

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