Nachverdichtung

Lörrachs erstes Holzhaus

Besondere Lösungen beim mehrgeschossigen Bauen mit Holz erlauben, dass der Baustoff trotz hoher Brandschutzauflagen größtenteils sichtbar bleibt. Das zeigt das Beispiel eines Fünfgeschossers in Lörrach: Hier setzte die Städtische Wohnbaugesellschaft auf ein Nachverdichtungskonzept, das dank natürlicher Bau- und Dämmmaterialien hohen Wohnkomfort bietet und Maßstäbe setzt in Südbaden.

An der Haagener Straße in Lörrach, in einem typischen Zeilenbaugebiet der 1950er und 1960er Jahre, entsteht mit dem neuen Mehrfamilienhaus eine hochwertige bauliche Nachverdichtung und neue Adresse. Während die Zeilen senkrecht zur Straße stehen, ist die Erweiterung als Kopfbau ausgebildet und bietet auf gut 450 m² Platz für bezahlbaren Wohnraum. Mit einer eleganten Putzfassade und großen vorgesetzten Balkonen fügt sich der Neubau in das von der Wohnbau Lörrach qualitätsvoll sanierte Quartier ein und rundet es städtebaulich ab.

Zunächst in Massivbauweise konzipiert, überzeugte die Holzbau Bruno Kaiser GmbH die Projektbeteiligten mit einem schlüsselfertigen, kosten- und terminsicheren Konzept in Holzbauweise. Großer Vorteil dabei: Mit vorfabrizierten Elementen in Holz konnte die Nachverdichtung zügig und mit minimaler Belastung der Bewohner des Quartiers erfolgen. In nur fünf Monaten war das Gebäude komplett fertiggestellt.

Zudem liegt Lörrach in der Erdbebenzone 3, der höchsten Gefahrenklasse in Deutschland. Bei dynamischen Belastungen punktet der Holzbau gegenüber Mauerwerks- oder Stahlbetonkonstruktionen aufgrund seiner Möglichkeit zur Energiedissipation, das heißt, die aus dem Untergrund eingetragene kinetische Energie zu dissipieren, zu zerstreuen. Lediglich der Keller ist als Massivbau ausgebildet. Entkoppelte Stahlkonstruktionen für Balkone sowie das außenliegende Treppenhaus schaffen Bezüge zur Architektur des Quartiers und sichern die brandschutztechnisch sichere Erschließung und die Rettungswege.

Vor Ort wurden alle Maßnahmen sauber und präzise vorbereitet und gut koordiniert ausgeführt. Das Ergebnis überzeugt in Konstruktion und Gestalt. „Die Zusammenarbeit funktionierte von Anfang bis zur Übergabe zu unserer vollsten Zufriedenheit. Wir haben positive Erfahrungen gemacht. Die Holzbauweise hat uns überzeugt und ist für weitere vergleichbare Objekte in Zukunft sicherlich wieder eine Option“, erklärt Thomas Bast, Architekt, Projektkoordinator und Prokurist der Wohnbau Lörrach zufrieden.

Herstellerübergreifende Abstimmungen machen’s möglich

Auch beim Thema Brandschutz griff ein Rädchen ins andere: Hier wurde ein brandschutztechnisches Prüfzeugnis zum Wandaufbau gemeinsam zwischen GUTEX, Fermacell und dem Holzbaubetrieb abgestimmt. „Mehr System wäre besser“, so Herbert Duttlinger, Geschäftsführer bei Holzbau Bruno Kaiser. Ihm wäre es sehr recht, wenn noch mehr Aufbauten zwischen Herstellern und über Firmengrenzen hinweg prüftechnisch abgestimmt werden würden.

So konnte das Mehrfamilienhaus der Gebäudeklasse 4 nach gültiger Landesbauordnung von Baden-Württemberg gebaut werden. Die Umsetzung der einzelnen Bauteile wurde durch die gutachterliche Stellungnahme der MFPA Leipzig bezüglich des Wandaufbaus und des Brandschutzes möglich. Hierbei wurde folgende Holzständerkonstruktion mit einer Feuerwiderstandsdauer von 60 Minuten (REI 60) bewertet:

- 12,5 mm Fermacell-Platten,

- Installationsebene,

- 12,5 mm Fermacell-Platten,

- 200 mm GUTEX Thermofibre Holzfaser-Einblasdämmung im Gefach der Holzständerkonstruktion,

- 60 mm GUTEX Thermowall-gf Holzfaser-Putzträgerplatte auf dem Holzständer, mit geeignetem Putzsystem beschichtet.

Stimmige Gesamtkonstruktion

Da im Holzrahmenbau die Wände vergleichsweise schlank ausführbar sind, konnte der Neubau mit einem Wandaufbau von 285 Millimeter Dicke bei gleichem Dämmstandard mit bis zu 8 % bzw. 20 qm mehr Wohnfläche gegenüber einer vergleichbaren mineralischen Massivbauweise verwirklicht werden. Das verbaute Holz sowie die eingesetzten Holzfaserdämmstoffe gleichen aufgrund des nach außen diffusionsoffenen Aufbaus die Raumfeuchte aus und schaffen damit ganz automatisch ein angenehmes Raumklima.

Auch bei den Decken wurden Holzprodukte eingesetzt. Die Brettsperrholz-Rippendecken  von Lignotrend sind mit ihrer astfreien Sichtholzoberfläche aus Weißtannenholz optisches Highlight aus Sicht der Innenarchitektur und können dank modifizierter LBO in Baden-Württemberg ohne brandschutztechnisch wirksame Bekleidung verwendet werden. Ihr Feuerwiderstand ist durch Zusatzlagen im Element gegeben.

Hinsichtlich der in Mehrfamilienhäusern essentiellen Schalldämmung sind die Bauteile optimiert, um erhöhte Anforderungen nach DIN 4109, Beiblatt 2, zu erfüllen. Auch bei der besonders sensiblen Trittschallthematik wurde die Schallübertragung über Normvorgaben hinausgehend im tieffrequenten Bereich optimiert: Die Wahrnehmung von Gehgeräuschen aus den Obergeschossen ist minimiert – im Holzbau ein wichtiger Komfortfaktor. Die Gesamtkonstruktion ist also bauphysikalisch, statisch und brandschutzrechtlich stimmig. 

Mehrgeschossiger Wohnungsbau aus einer Hand

Die Spezialisten von Holzbau Bruno Kaiser stemmen als Generalunternehmer regelmäßig auch umfangreiche Projekte im mehrgeschossigen Wohnungsbau aus einer Hand. Dabei setzt das 80 Mann starke Team darauf, einen möglichst großen Anteil der Bauteilfertigung bereits in der witterungsunabhängigen Vorproduktionshalle vorzunehmen. So wurde die lose Holzfaserdämmung hier mit modernster Technik in die Bauteilgefache eingeblasen. Die Bauteile können auf einem speziellen Tisch per Knopfdruck gewendet und zuerst auf einer Seite mit aussteifenden Holzwerkstoffplatten beplankt und nach dem Einblasvorgang auf der anderen Seite mit Holzfaserdämmplatten geschlossen werden.

GUTEX Thermofibre eignet sich durch eine verbesserte Fließfähigkeit insbesondere auch für die industrielle Einbringung in der Vorfertigung. Hier ist auf eine höhere Verdichtung zu achten, da durch die Bewegung der Bauteile über lange Strecken oder Erschütterungen beim Verladen eine höhere Setzungssicherheit erforderlich wird (garantiert ab 38 kg/m3).

Das in der Grundfläche 10 x 10 Meter große Gebäude mit 5 Geschossen wurde in nur fünf Monaten komplett erstellt. Das Aufrichten des Holzbaus inkl. regendicht geschlossener Gebäudehülle und Fenster war innerhalb von neun Tagen möglich. Die Vorelementierung in Bernau dauerte drei Wochen. Abschließend wurde die Dämmplatte GUTEX Thermowall-gf, wesentlicher Bestandteil des Wärmedämmverbundsystem GUTEX Thermowall, weiß verputzt und die Fassade mit einer vorvergrauten Weißtannen-Schalung zwischen den Fenstern und am Attikageschoss elegant akzentuiert.

Mit vorfabrizierten Elementen in Holz konnte die Nachverdichtung zügig und mit minimaler Belastung der Bewohner des Quartiers erfolgen.

Energieverbrauchsdaten


• Endenergiebedarf 61,2 kWh/m² a
• Jahres-Primärenergiebedarf 16,1 kWh/m² a
• Jahres-Heizenergiebedarf 15.147 kWh/a
• Beheiztes Gebäude-Volumen 1.531 m³
• Gebäudenutzfläche 490 m²
• Wärmeversorgung: Nahwärme-Heizwerk, Biomasse

Bautafel


Bauherr: Städtische Wohnbaugesellschaft Lörrach mbH, Lörrach
Architektur: wilhelm und hovenbitzer Freie Architekten BDA, Lörrach
Generalunternehmer, Holzbau, Planung: Holzbau Bruno Kaiser GmbH, Bernau im Schwarzwald, www.holzbau-bruno-kaiser.de
Holzfaserdämmung: GUTEX Holzfaserplattenwerk, www.gutex.de
Brettsperrholz-Rippendecken: Lignotrend Produktions GmbH, www.lignotrend.com
Baujahr: 2016/2017
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