Zukunftsfähiger Wohnungsbau mit BIM

Die digitale Planungsmethode Building Information Modeling, kurz BIM, hält nun auch in Deutschland in der Baubranche Einzug. Für zukunftsorientierte Wohnungsunternehmen stellt sich daher die Frage, wie sie die Methode in ihren Projekten einsetzen können. Als eine der ersten kommunalen Wohnbaugesellschaften in Deutschland realisiert die HOWOGE ein Hochhausprojekt in Berlin-Lichtenberg mit Unterstützung von BIM.

Für Wohnungsbaugesellschaften und Bauherren der öffentlichen Hand wird es vor dem Hintergrund der wachsenden Nachfrage nach Wohnungen und steigender Komplexität der Bauprojekte immer wichtiger, die Planungs-, Bau- und Bewirtschaftungsprozesse auch mit Unterstützung von digitalen Daten und deren Verfügbarkeit so effizient wie möglich zu gestalten. Mit voranschreitender Digitalisierung wächst auch das Portfolio an unterstützenden Tools. Eines davon ist das Building Information Modeling (BIM).

Diese Methode ermöglicht es, Gebäude zunächst digital zu planen und virtuell zu bauen und dann erst real. Der Mehrwert liegt auf der Hand: Mögliche Fehlplanungen und Risiken, die sich sonst erst während des Bauprozesses herausstellen, können so frühzeitig identifiziert werden. Zudem versteht sich BIM als kollaborative Arbeitsmethode, die alle Beteiligten einbezieht und Prozesse transparent darstellt, die so besser auch bei höherer Komplexität besser koordiniert werden können. Diese Vorteile will nun auch die HOWOGE nutzen, um ihr Vorhaben im vorgesehen Qualitäts-, Termin- und Kostenrahmen sicher zu realisieren.

Die HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft mbH ist eine der sechs städtischen Wohnungsbauunternehmen des Landes Berlin. Sie verfügt über einen Wohnungsbestand von rund 60.000 Wohnungen. Bis 2026 will die HOWOGE ihr Portfolio durch Zukauf und Neubau insgesamt auf ca. 75.000 Wohneinheiten vergrößern, was einem Investitionsvolumen von circa zwei Milliarden Euro entspricht.

Damit erfüllt das Unternehmen unter anderem die Vorgabe des Senats, nach der alle sechs Wohnungsbaugesellschaften 6.000 Wohnungen jährlich fertigstellen sollen. Das Hauptziel ist es, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. So werden 50 Prozent der Wohnungen als geförderter Wohnraum errichtet und zu Einstiegsmieten ab 6,50 Euro pro Quadratmeter vermietet, die übrigen für durchschnittlich unter 10 Euro pro Quadratmeter.

Moderner Nutzungsmix

Das Neubauprojekt der HOWOGE mit dem Namen „Q 218“ wird auf einem 4.600 Quadratmeter großen Grundstück zwischen der achtspurigen Frankfurter Allee, dem Bahnhof Lichtenberg und einem ehemaligen Büro-Plattenbau, der mittlerweile zu einem großen Wohngebäude umgebaut und umgenutzt wurde, realisiert. Mit bis zu 21 Obergeschossen und einem Untergeschoss wird das Hochhaus über rund 390 Mietwohnungen verfügen.

Die Entscheidung, ein Wohnhochhaus zu bauen, hat die Bauherrin aufgrund der großen Anzahl entstehender Wohnungen, des geringen Verbrauchs der knappen Ressource Baugrund sowie der besonderen Eignung des Standortes am Bahngelände am Eingang zum Bezirk Lichtenberg getroffen. Ein positiver Bauvorbescheid liegt bereits vor.

Neben klassischen Wohnungen wird das rund 64 Meter hohe Gebäude weitere Wohnformen wie studentisches Wohnen, Wohngemeinschaften und altengerechtes Wohnen umfassen. In den Sockelzonen sind neben einem Eingangsfoyer mit Concierge-Service auch Nutzungen mit wohnungsnahem Gewerbe geplant. Durch zusätzliche Gemeinschaftsflächen und Coworking-Zonen soll insgesamt ein innovativer Nutzungsmix entstehen, der die Bildung eines eigenen Kiezes im Gebäude und somit die Identifikation der Bewohner mit dem Haus fördert.

Die richtige BIM-Strategie wählen

Für das anspruchsvolle Wohnbauprojekt werden die Leistungen Planung und Bau öffentlich ausgeschrieben. Man befindet sich derzeit in der Angebotsphase des Vergabeverfahrens zur Findung eines Generalübernehmers. Die Vergabe erfolgt in Form einer in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A-EU § 3a) beschriebenen Innovationspartnerschaft. Die Anwendung dieses Vergabeverfahren auf Wohnhochhäuser wurde in enger Abstimmung zwischen der HOWOGE, GSK Stockmann und Drees & Sommer entwickelt. Am Verfahren beteiligen sich Teams aus Generalunternehmern/Generalübernehmern, Architekturbüros und Fachplanern.

An den kurzen Vergabeprozess schließt sich eine Partnering-Phase an, in der die Planung gemeinsam mit dem Team des Generalübernehmers optimiert wird, um ein bestmögliches Ergebnis hinsichtlich Qualität, Architektur und gesetztem Baukosten-Benchmark zu erreichen. Ziel ist es, am Ende einen Pauschalfestpreis zu vereinbaren.

Durch dieses innovative Vergabeverfahren, welches bisher für vergleichbare Bauvorhaben noch nicht zur Anwendung kam, wird auf die komplexe Aufgabenstellung des Wohnhochhausbaus und die angespannte Marktsituation im Bereich der Generalunternehmer Baurealisierung reagiert. Nach Abschluss der Partnering-Phase sollen im Frühjahr 2019 die Bauarbeiten beginnen.

Um Mehrwerte für die Planung, Realisierung, und insbesondere für den Baubetrieb und die lange Bewirtschaftungsphase zu schaffen, hat sich die HOWOGE entschieden, das Projekt mit der BIM-Methode umzusetzen. Dafür galt es in erster Linie, eine geeignete BIM-Strategie zu entwickeln und diese in Einklang mit der Unternehmensstrategie zu bringen und mit den Kompetenzen und Erfahrungen am Markt zu spiegeln. Die Entscheidung fiel dabei auf die sogenannte Open-BIM-Strategie, bei der die Planer unter der Führung des beim Projektmanagement angesiedelten BIM-Managements jeweils ihre eigene Software benutzen können.

Als Projektsteuerer und BIM-Experte stand Drees & Sommer der Wohnungsbaugesellschaft von Beginn an beratend zur Seite. In gemeinsamen Workshops mit der Bauherrin definierte das Expertenteam Ziele und Maßnahmen für die BIM-Anwendung. Darüber hinaus gehört zu den Aufgaben der Drees & Sommer-Experten unter anderem die Projektsteuerung, die Erstellung einer funktionalen Leistungsbeschreibung, die beratende Betreuung des Vergabeverfahrens, die Steuerung der Partnering-Phase sowie das Controlling während der Bauphase.

Die Arbeit mit Building Information Modeling stellt eine digitale Projektabwicklung mit vielen Beteiligten dar. Insbesondere Unternehmen, die erstmals mit der digitalen Planungsmethode arbeiten, stellt dies oft vor Herausforderungen. Neben der richtigen Plattform und Regelungen des Zutritts und Zugriffs auf Plattform und Modell müssen die Datenverfügbarkeit sowie der richtige Informationsgehalt der Planungsmodelle und Dokumente in der Datenbank sichergestellt werden. Mithilfe von projektspezifischen BIM-Dokumenten wurden Leistungsbilder und Zuständigkeiten klar definiert, sowie Prozesse für den digitalen Austausch strukturiert – alles mit dem Ziel ein effektives Arbeiten zu ermöglichen und die Datenredundanz zu vermeiden.

Beim Hochhaus-Neubau der HOWOGE wurden deshalb bereits in dieser frühen Projektphase die gewerkespezifische Detaillierung und der Informationsgrad der Bauelemente – die sogenannten LOD (Level of Detail) und LOI (Level of Information) – festgelegt. Darüber hinaus wurden alle definierten BIM-Modellanwendungen ausführlich beschrieben und den jeweils Verantwortlichen zugeordnet.

So soll ein planungsbegleitendes Raumbuch zur Erfassung sämtlicher raumbezogener und betriebsrelevanter Informationen dienen und eine strukturierte Übergabe aller Dokumente, wie Zertifikate oder Gebrauchsanleitungen, an den Betrieb sicherstellen. Vom Auftragnehmer wird zusätzlich zur konventionellen Dokumentation auch ein „as-built“-Modell – das digitale Bauwerksmodell für die Abbildung des tatsächlich ausgeführten Zustands – angefordert.

Mithilfe der für die Ausschreibung erstellten BIM-Unterlagen wird somit ein klarer Rahmen für die Zusammenarbeit mit dem Generalübernehmer in der Entwicklungs-, Planungs-, Bau-, Inbetriebnahme- und Monitoring-Phase geschaffen.

Auch innerhalb des Unternehmens setzt das Projekt Impulse. Parallel zur Projektabwicklung erfolgt bei der HOWOGE ein interner BIM-spezifischer Kompetenzaufbau. Ansprechpartner für BIM sollen mit dem erworbenen praxisorientierten Know-how in zukünftigen Projekten des Unternehmens Informationsanforderungen zur modellbasierten Planung an Planer und andere Projektbeteiligte kommunizieren können. Darüber hinaus lässt sich durch die Anwendung der digitalen Planungsmethode die Vermietung der errichteten Wohnungen attraktiver gestalten – BIM-Modelle können für Vermietungsprozesse oder die Visualisierung von Wohnungskonfigurationen eingesetzt werden.

Zusätzlich strebt die HOWOGE als langfristiger Bestandshalter auch eine modellbasierte Dokumentation mit verknüpften Gewährleistungs- sowie Instandhaltungs- und Wartungszyklen für ihre anstehenden Neubauprojekte an.

Die Fertigstellung des Wohnhochhauses ist für Frühjahr 2021 vorgesehen.

Um Mehrwerte für die Planung, Realisierung, und insbesondere für den Baubetrieb und die lange Bewirtschaftungsphase zu schaffen, hat sich die HOWOGE entschieden, das Projekt mit der BIM-Methode umzusetzen.

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