Building Information Modeling

Effizienter Wohnungsbau
mit BIM

Die digitale Planungsmethode Building Information Modeling, kurz BIM, funktioniert nicht nur bei Großprojekten, sondern auch im Wohnungsbau – trotz (oder gerade wegen) knapper Budgets. Wie das möglich ist, zeigt der Bau von zwei Wohnhäusern an der Senftenberger Straße im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf.

Digitale Planungs- und Baumethoden sind längst im Projekt
alltag angekommen. Auch wenn der eine oder andere noch immer 2D-CAD-Pläne in seinen Projekten zeichnet oder die Hürden für den Einsatz der modellbasierten BIM-Planung, vor allem in der Umsetzung auf der Baustelle, noch hoch erscheinen: Die Digitalisierung in der Baubranche schreitet unaufhaltsam voran.

Dies belegt beispielsweise der von BauinfoConsult und Drees & Sommer herausgegebene „BIM-Monitor 2022/2023“. Von den für die Studie befragten 300 Unternehmen aus Planung und Ausführung setzte 2022 jedes fünfte auf modellbasiertes Planen. Knapp ein Drittel ihres Jahresumsatzes erwirtschafteten sie mit BIM-Projekten. Bei mehr als 40 % dieser Bauprojekte wurde parallel zur Ausführung ein digitaler Zwilling erstellt und über die Hälfte aller BIM-Planungen waren Open-BIM-Projekte, bei denen hersteller- und softwareunabhängig Daten- und Planungsinformationen zwischen den Projektbeteiligten ausgetauscht wurden.

Effizienz und Qualität trotz Kostendruck und

Sparzwang – wie geht das?

Natürlich, wenn aktuell nur jedes fünfte Unternehmen BIM einsetzt, gibt es noch „viel Luft nach oben“. Doch der bisher sanfte Druck auf Planungs- und Baubeteiligte, modellbasiert zu planen und zu bauen, wächst. Denn es herrschen Wohnungsmangel, Sparzwang und Kostendruck, Fachkräftemangel und Baukosten-Explosion. Qualitativ hochwertiges und gleichzeitig kostengünstiges Bauen wird unter diesen Bedingungen in Zukunft noch schwieriger als bisher. Ohne eine effiziente Digitalisierung des Planungs-, Genehmigungs- und Bauprozesses, ohne Vorfertigung und typisiertes Bauen und ohne die überfällige Vereinfachung eines überregulierten Bauprozesses in Deutschland wird das aber nichts.

Dabei ist festzustellen, dass nicht nur Leuchtturm- oder Großprojekte von der Anwendung der BIM-Methode profitieren. Auch bei der Schaffung kostengünstigen Wohnraums ist BIM sinnvoll. Ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz modellbasierter Planung ist die Wohnbebauung „Senftenberger Straße“ der STADT UND LAND Wohnbauten-Gesellschaft in Berlin-Hellersdorf. In dem Stadtteil im Osten Berlins konnte ein soziales Wohnungsbauprojekt mit insgesamt 150 Wohnungen durch die Verbindung von 3D-Planung, modularer Bauweise und Vorfertigung schnell, kostengünstig und dennoch qualitativ hochwertig realisiert werden.

BIM im kostengünstigen Wohnungsbau? Nicht nur möglich, sondern sinnvoll

Das Berliner Projekt entstand in einer Kooperation von Studio MARS aus Berlin mit dem mittelständischen Bauunternehmen OTTO WULFF, das als Generalunternehmen den Neubau schlüsselfertig errichtete. Die beiden L-förmigen, fünfgeschossigen Wohnhäuser an der Senftenberger Straße 12-22 wurden im Frühjahr 2023 fertiggestellt. Sie liegen verkehrsgünstig in unmittelbarer Nähe zum U-Bahnhof Hellersdorf. Die 2- bis 6-Zimmer-Wohnungen bieten flexible und barrierefreie (50 %) Grundrisse und sind alle mit einem Balkon oder einer Terrasse ausgestattet.

Der optimale Einsatz digital unterstützter Planungs- und Bautechniken erfordert eine transparente und lösungsorientierte Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten. Was selbstverständlich klingt, ist jedoch längst nicht der Standard. Das betont auch Thomas Riedel, BIM-Manager und Bauinformatiker bei OTTO WULFF: „Es gab eine sehr enge Abstimmung zwischen uns und dem beteiligten Projektteam, bestehend aus dem Auftraggeber STADT UND LAND, Studio MARS, den Tragwerksplanern Lossen Ingenieure und dem TGA-Fachplanungsbüro Janowski Ingenieure. Alle haben viel Eigeninitiative gezeigt und Zeit investiert, voneinander gelernt! Das war absolut wichtig, um den Zeitplan und die Kosten einzuhalten.“

Ein Beispiel für diese gelungene und koordinierte Zusammenarbeit der Fachplanungsbüros war die Schlitz- und Durchbruchsplanung, bei der Gebäudetechnik- und Tragwerksplanung eng mit der Architekturplanung abgestimmt wurden. Das Team von Studio MARS erstellte sein Architekturmodell mit der BIM-Planungssoftware Archicad von Graphisoft; für die Kollisionsprüfungen mit den Fachmodellen und die regelbasierte Qualitätskontrolle der Fachplanungen kam Solibri zum Einsatz. In einem durchgängig digitalen Abstimmungsprozess, unterstützt durch Koordinationssitzungen mit den Beteiligten und gesteuert durch BIM-Manager Thomas Riedel, entstanden präzise sowie maßhaltige Durchbruchspläne. Diese flossen anschließend in ein koordiniertes Bauwerksmodell ein.

Der Vorteil dieser strukturierten Arbeitsweise: Unvorhersehbare Kollisionen, zum Beispiel von Wänden und Decken mit notwendigen Schächten und Rohrdurchführungen für die Ver- und Entsorgung wurden a) frühzeitig erkannt und konnten b) bereits in der Planungsphase zügig behoben werden. Dies minimierte die Nacharbeit später auf der Baustelle. Denn jeder Durchbruch, der vor Ort neu hinzukommt oder aufwendig angepasst werden muss, ist teuer und verzögert vor allem den Baufortschritt.

Das Tragwerksmodell bildete die Grundlage für die Modulfertigung

Darüber hinaus sind viele Bauteile als Halbfertigteile in Form von Modulen vorgefertigt worden. Auch für das Betonfertigteilwerk war die modellbasierte Planung hierbei von großem Nutzen: Das Tragwerksmodell der Senftenberger Straße wurde in ihre Planungsdatei integriert und diente als Grundlage für die anschließende Modulfertigung. „Der konsequente Einsatz von BIM führte insgesamt zu einer Effizienzsteigerung in der Bauteilplanung und -fertigung von über 50 % – im Vergleich zu einer konventionellen, 2D-basierten Planung“, betont Thomas Riedel. Die Einsparungen kamen beiden Partnern zugute. Denn das von OTTO WULFF gelieferte 3D-Modell hatte die notwendige Qualität, um daraus mit überschaubarem Aufwand eine exakte, ebenfalls 3D-basierte Fertigungsplanung im Betonfertigteilwerk zu entwickeln.

Für das Tragwerksplanungsbüro erwies sich der koordinierte BIM-Prozess des Projekts ebenfalls als vorteilhaft. Die Bereitstellung des Rohbaumodells durch das Architekturbüro im Vorfeld beschleunigte die Arbeit des Tragwerksplaners erheblich. Denn er nutzte das Modell direkt für seine statischen Berechnungen und entwickelte vorab kein ein eigenes Tragwerksmodell, wie es bei konventionellen Planungen oft der Fall ist. BIM-Manager Thomas Riedel: „Durch die Prozessoptimierung konnten wir schneller und besser bauen. Ein weiterer Aspekt: Alle Beteiligten gingen die Probleme, die in einem Projekt zwangsläufig auftreten, gemeinsam an. Zentrales Austauschformat war das herstelleroffene IFC-Format. Open BIM war damit gesetzt – auch wegen der Vielfalt der verwendeten Programme. So arbeiteten die Architekten in ihrer Planung mit Archicad, das Tragwerksplanungsbüro nutzte Revit und Sofistik als Plugin. Die Modellprüfung wiederum erfolgte mit Solibri. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.“

Das Ergebnis entscheidet. Nicht die Technologie

Für STADT UND LAND als Bauherrin an der Senftenberger Straße war die Entscheidung für BIM und für Vorfertigung keineswegs von vornherein gesetzt. Sie schreibt in ihren Projekten bisher nicht vor, welche Werkzeuge, Methoden und Technologien ihre Auftragnehmer einsetzen, betont STADT UND LAND-Geschäftsführer Ingo Malter. Die Entscheidung für die Umsetzung als BIM-Projekt lag somit allein bei Studio MARS und OTTO WULFF, die für Planung und schlüsselfertige Ausführung verantwortlich waren. Dennoch zeigt die Wohnbebauung in der Senftenberger Straße eindrucksvoll, dass BIM auch im kostengünstigen Wohnungsbau erhebliche Vorteile bietet.

Einen entscheidenden Beitrag dazu leistet die Umsetzung als in jeder Hinsicht optimiertes „Typenhaus“. Das Prinzip des Typenhauses entwickelte Studio MARS bereits im Jahr 2016 für STADT UND LAND. Es basiert auf verschiedenen Planungsmodulen, die in den Bauprojekten immer wieder neu eingesetzt und kombiniert werden können und setzt auf Flächenoptimierung sowie kostengünstiges, schnelles Bauen. Erklärtes Ziel ist es, in kurzer Zeit möglichst viel Wohnraum zu einem günstigen Mietpreis anzubieten. Wohnqualität, Vielfalt und eine hohe Identifikation mit dem neu geschaffenen Lebensraum bleiben dabei laut Studio MARS oberste Prämisse.

Studio MARS-Geschäftsführer Jan-Oliver Kunze: „Für uns war es schon damals enorm wichtig, eine typisierte Planung zu entwickeln, die flexibel ist und Vielfalt möglich macht. So ließen sich die Forderungen der Bauherrin nach gutem, aber dennoch kostengünstigen Wohnungsbau umsetzen. Ziel war es, einen Planungskatalog zu erarbeiten, in dem wesentliche Parameter erfüllt sind: Barrierefreiheit, Zuschnitte der Grundrisse. Das war wie ein Anforderungskatalog an die Wohnbebauung und Ausstattung. Damit liegt der Bauherrin ein Baustein- oder auch Modulkatalog vor, mit dem sich immer wieder neue Gebäude und optimale Zuschnitte entwickeln lassen. Das funktioniert sehr gut und wurde inzwischen in verschiedenen Projekten erfolgreich umgesetzt.“

Modularisierte Wohngebäude: wirtschaftlich,

individuell und qualitätsvoll

Nach Abschluss des Projekts Senftenberger Straße kann die STADT UND LAND nur ein vorläufiges Resümee ziehen: Das Vorhaben wurde im Zeit- und Kostenrahmen sowie in der vorgegebenen Qualität realisiert. Die kurze Nutzungsphase seit Sommer 2023 lässt aber noch kein abschließendes Fazit zu. Inwieweit ein digitaler Zwilling bzw. die BIM-Methode zukünftig im laufenden Betrieb helfen wird, Betriebskosten einzusparen, ist ebenfalls nicht absehbar. In verschiedenen Typenhausprojekten wurde jedoch bereits nachgewiesen: Die Realisierung als modular erstelltes Wohngebäude ist deutlich kostengünstiger als vergleichbare konventionell erstellte Gebäude.

STADT UND LAND Geschäftsführer Ingo Malter: „Im Vergleich zu konventioneller Stahlbeton- oder Mauerwerksbauweise bei anderen Projekten haben wir sowohl Zeit- als auch Kostenvorteile. Die Vergabezeiträume konnten beispielweise mit Hilfe einer Rahmenvereinbarung erheblich verkürzt und die Planung schneller und kostengünstiger realisiert werden. Bei der Realisierung der Typenhaus-Projekte liegen die Kosten um einige hundert Euro pro Quadratmeter unter denen von Individualplanungen.“

Digitale Arbeitsprozesse bieten Chancen für die Zukunft

Im Zusammenspiel von Architekturbüro und Generalunternehmen war der Schlüssel zum gemeinsamen Erfolg die Partnerschaft „auf Augenhöhe“. Sowohl für OTTO WULFF als auch Studio MARS war die Umsetzung als BIM-Projekt – bei einer Projektgröße von insgesamt 15.800 m² Bruttogeschossfläche und über 10.400 m² Wohnfläche – das größte modellbasierte Wohnbauprojekt in ihrer langjährigen Partnerschaft. Hinzu kommt, dass die Komplexität jedes Bauvorhabens in den letzten Jahren durch die Flut immer neuer Bauvorschriften und gestiegener Anforderungen an Energieeffizienz, Brand- und Schallschutz nochmals gewachsen ist.

Vor diesem Hintergrund sieht Jan-Oliver Kunze in der durchgängig digitalen Arbeitsweise seines Büros, gemeinsam mit den angeschlossenen Fachplanungen, eine große Chance für die Zukunft: „Trotz der vielfach gestiegenen Anforderungen, sind wir viel effizienter als früher und können als kleineres Büro mit 15 Mitarbeitern mit den großen Playern mithalten. Es gibt zentrale Aspekte in Entwurf und Planung, bei denen uns die modellbasierte Arbeitsweise unterstützt. So lässt sich der Planungs- und Abstimmungsprozess optimal kontrollieren; wir haben eine nachvollziehbare, transparente Publikationsstruktur hinter unseren Planungen. Korrekturen können in Archicad schnell eingearbeitet und anschließend in neuen Revisionsplänen zügig ausgegeben werden. Und zwar mit zeitlich geringem Aufwand. Sagen wir einmal, wir haben sieben notwendige Änderungen, die in ein Modell einfließen. Damit sind vielleicht 30 neue Pläne erforderlich. Dieses Volumen ließe sich analog, mit händischer Korrektur, nicht umsetzen. Der Planungsprozess, vom 3D-Modell im Entwurf bis zum fertigen Revisionsplan für die Baustelle, lässt sich mit digitalen Werkzeugen besser und effizienter abbilden.“

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