Vernetzte Lebenswelten

Blaupause für integrierte Projektabwicklung

19 Gebäude, 1.700 Wohnungen und eine Vielzahl an Projektbeteiligten: Das Havelufer Quartier in Berlin-Spandau zählt zu den größten Bauprojekten Deutschlands. Mit sechs fertiggestellten Gebäuden ging Mitte Juli der erste Bauabschnitt des Großprojekts von PATRIZIA und KAURI CAB Development planmäßig zu Ende. Einen zentrale Rolle spielt dabei die integrierte Projektabwicklung, ein aus dem angelsächsischen Raum stammendes neuartiges Abwicklungsmodell.

Kostenüberschreitung, Terminverzug und Baumängel: Große Bauprojekte stehen in Deutschland seit Jahren unter keinem guten Stern. Die hohe Fragmentierung in Bauprojekten, die Vielzahl an Beteiligten und die Menge an Verträgen führt zu einer stetig steigenden Projektkomplexität. Hinzu kommen die wachsenden Herausforderungen durch die Digitalisierung, Rohstoffknappheit und Klimaziele. Das Ergebnis: Die Bau- und Immobilienbranche kommt mit den konventionellen Abwicklungsmodellen an ihre Grenzen.

Eine Abhilfe verspricht die aus dem angelsächsischen Raum stammende integrierte Projektabwicklung, kurz IPA. Das innovative Verfahren setzt auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten und bietet durch einen Mehrparteienvertrag besonders bei Großprojekten enorme Vorteile. Im Vergleich zu konventionellen Abwicklungsmodellen, die sich durch das vorwiegend bilaterale Vertragsverhältnis auszeichnen, unterschreiben bei IPA alle Schlüsselbeteiligten einen Mehrparteienvertrag. Zudem arbeiten sie ab einem sehr frühen Projektzeitpunkt eng zusammen, die klassische Trennung zwischen Auftraggeber, Planern und Bauausführenden gibt es nicht. Alle Vertragspartner verschreiben sich dem Erfolg des Gesamtprojekts, was dafür sorgt, dass alle an einem Strang ziehen, effizienter zusammenarbeiten und die Kosten- und Terminvereinbarungen präziser einhalten.

Integrierte Projektabwicklung für viele noch ein Neuland

Welche Projekte besonders gut für die Abwicklung im IPA-Verfahren geeignet sind, lässt sich durch die vom IPA Zentrum vorgegebenen Charakteristika bestimmen. Das Kompetenzzentrum für Integrierte Projektabwicklung wurde 2020 von rund 30 Unternehmen des Bausektors in Deutschland gegründet. Neben Mehrparteiensystem zählen zum Beispiel die frühzeitige Einbindung der Schlüsselbeteiligten, das gemeinsame Risikomanagement und der Einsatz kollaborativer Arbeitsmethoden zu Kernmerkmalen der integrierten Projektabwicklung.

In Deutschland ist das IPA-Modell noch wenig verbreitet. Der häufige Grund: Viele sehen in der Risikoteilung ein Warnsignal und beschäftigen sich erst gar nicht mit den eigentlichen Vorteilen des IPA-Modells. Dennoch ist die Tendenz steigend, denn immer mehr Bauherren und Projektentwickler erkennen die Potenziale des neuartigen Abwicklungsverfahrens. Aktuell gibt es laut dem IPA Zentrum mehr als 30 Projekte in der DACH-Region, die mit dem IPA realisiert werden oder sich in der Anbahnung befinden. Als Vorbild und erstes erfolgreich fertiggestelltes IPA-Hochbauprojekt in Deutschland geht der Mitte Juli erfolgreich abgeschlossene erste Bauabschnitt des Havelufer Quartiers voran.

Havelufer Quartier auf Erfolgskurs mit IPA

Das innovative Mischquartier wird vom Projektentwickler KAURI CAB und dem Investmentmanager PATRIZIA in Berlin-Spandau realisiert. Im ersten von vier IPA Projekten sind im Havelufer Quartier sechs Gebäude mit insgesamt 234 Mietwohnungen entstanden. Das auf die Bau- und Immobilienbranche spezialisierte Beratungsunternehmen Drees & Sommer SE/ www.dreso.de) begleitet die Quartiersentwicklung unter anderem als Projektsteuerer und im Bereich des IPA-Managements. Dabei werden alle vier Neubauprojekte im Havelufer Quartier im IPA-Verfahren abgewickelt. Das heißt: Alle Schlüsselbeteiligten wie Bauherr, Architekt, Planer und Bauunternehmer haben einen Mehrparteienvertrag unterzeichnet.

Im Vergleich zu Einzelverträgen teilen sich die Projektbeteiligten in einem Mehrparteienvertrag sowohl die Risiken und die Mehrkosten als auch die Einsparungen. Anreize schaffen statt Abmahnungen und Nachträge schreiben, ist hier die Devise. „Dank der integrierten Projektabwicklung konnten wir Verträge, Kapazitäten und Rohstoffe frühzeitig und vor allem langfristig sichern. Ohne einen Mehrparteienvertrag wäre das nicht möglich gewesen. Umso mehr freut es uns, dass unser erster Bauabschnitt als Blaupause für weitere IPA-Projekte in Deutschland dienen kann“, berichtet Luca Bauernfeind, Geschäftsführer der KAURI CAB Development Berlin GmbH. Das Projektteam geht davon aus, dass auch die restlichen drei IPA-Projekte im geplanten Zeit- und Kostenrahmen abgeschlossen werden.

Ein Quartier für mehr Gemeinschaft

Die zukünftigen Bewohner:innen und Mieter:innen des Havelufer Quartiers dürften sich über diesen Projektfortschritt auch freuen. Schließlich können sie pünktlich in ihr neues Zuhause einziehen. Rund 80 Prozent der Wohnungen in den fertiggestellten Häusern an der Streitstraße 5-19 ist schon vermietet. In den kommenden Monaten werden weitere Teilprojekte nach und nach fertiggestellt. Die Gesamtfertigstellung des Ensembles mit 19 Gebäuden und 1.700 Wohnungen ist für Dezember 2024 geplant. Besonders ist dabei nicht nur die Art der Projektabwicklung. Gemeinschaftliches Miteinander, individualisierbarer und bedarfsgerechter Wohnraum und digitale Vernetzung spielen ebenso eine zentrale Rolle wie auch Nachhaltigkeitsaspekte.

So entspricht das Quartier künftig dem DGNB Gold-Standard und deckt einen Großteil seines Strombedarfs CO2-frei und lokal über Photovoltaik auf den Dächern. Eine Quartiers-App unterstützt die Bewohner als smartes Tool und dient gleichzeitig als digitales Nachbarschaftsforum. Das Gemeinschaftsgefühl wird auch durch Restaurants, Läden und eine Vielzahl von Community-Flächen wie zum Beispiel Urban Gardening-Bereiche, eine anmietbare Profiküche und Co-Working Spaces gefördert und erlebbar. Insgesamt können im Havelufer Quartier nach der Fertigstellung etwa 4.000 Menschen leben.

Für vergleichbare Bauprojekte, die eine gewisse Größe und Komplexität aufweisen, ergeben sich mit der Integrierten Projektabwicklung neue Möglichkeiten, Projekte erfolgreich – also im Termin- und Kostenrahmen – zu realisieren. Zudem bietet die integrierte Abwicklung von Bauprojekten sowohl für private als auch für öffentliche Auftraggeber die Chance, neue Produkte, Technologieunternehmen oder neue Partnerschaften für die Zukunft zu schließen. Für die Bau- und Immobilienbranche liefert das IPA-Modell somit eine Lösung und die Chance, anspruchsvolle Projekte erfolgreich zu managen und sich selbst zu disruptieren.

x

Thematisch passende Artikel:

Konferenz von BMWSB und IPA Zentrum am 5. April: Partnerschaftliches und kooperatives Bauen

Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) veranstaltet am 5. April 2022 gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum für Integrierte Projektabwicklung (IPA Zentrum) in Berlin...

mehr

1.800 Wohnungen für „Enthusiasten“: Richtfest für das Berliner Havelufer-Quartier

2021 wurde der Grundstein gelegt, nun folgte das Richtfest. Der global agierende Investmentmanager PATRIZIA (www.patrizia.ag) und der Berliner Projektentwickler KAURI CAB (www.kauricab.com) errichten...

mehr
Ausgabe 03/2022 Elektromobilität

Aufladen für die Zukunft im Quartier Heidestrasse

Die Zahl der Elektrofahrzeuge steigt rasant. Bis zum Jahr 2030 sollen in Deutschland sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen sein. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg der...

mehr
Ausgabe 11/2010 Bischofsheim

Integrierte und nachhaltige Quartiersentwicklung

Mit dem Verkauf des denkmalgeschützten Rundlokschuppens schließt sich der Kreis der nachhaltigen Brachflächen-In-Wert-Setzung im Fördergebiet der Sozialen Stadt in Bischofsheim. Auf dem Gelände...

mehr
Gewofag gewinnt Preis „Stadt bauen. Stadt leben.“

Quartiersentwicklung am Piusplatz

Die Gewofag (www.gewofag.de) erhielt kürzlich in Berlin den Nationalen Preis für integrierte Stadtentwicklung und Baukultur 2012 „Stadt bauen. Stadt leben.“ Gewonnen hat sie mit einem Projekt zur...

mehr