Feldbegrenzungsfugen

Mechanisch befestigtes WDVS überzeugt in Feldversuch

Im Auftrag des Baustoffherstellers Saint-Gobain Weber wurden in einem zwei Jahre dauernden Feldversuch Putzverformungen und Feuchteeintrag bei Wärmedämm-Verbundsystemen untersucht. Dies war der erste Langzeitversuch unter realen Bedingungen zu der Frage: Was geschieht in einem WDVS nach dem Aufbringen? Drei Mietshäuser der Leipziger Wohnungsbaugesellschaft Kontakt e.G. dienten dabei als Grundlage.

Das Deutsche Institut für Bautechnik (DiBt) vergibt bauaufsichtliche Zulassungen bei neuen Systemen häufig nur mit Einschränkungen, da noch keine Erfahrungswerte vorliegen. So legte es beispielsweise ursprünglich fest, dass bei dickschichtigen, rein mechanisch befestigten WDVS auf größeren Fassadenflächen jeweils nach 6 Metern eine so genannte Feldbegrenzungsfuge eingefügt werden muss.

Feldbegrenzungsfugen ermöglichen kontrollierte Bewegungen im System und helfen so dabei, größere Risse im Putz auszuschließen. Häufig greifen die verantwortlichen Ingenieurbüros bei der Verortung der Dehnungsfugen auf die Expertise der Systemhersteller zurück. In der Praxis macht dieses Vorgehen die Verarbeitung von Wärmedämm-Verbundsystemen jedoch aufwändiger und die Optik weniger attraktiv. Denn die Fassadenfläche wird dafür in Abschnitte aufgeteilt, die mit Profilen getrennt werden müssen.

Groß angelegter Feldversuch bringt neue Erkenntnisse

In einem zwei Jahre dauernden Feldversuch konnte der Hersteller Saint-Gobain Weber nun beweisen, dass sich rein verdübelte vollmineralische WDV-Systeme hinsichtlich Verformungen und Feuchteeintrag nicht signifikant von verklebten Systemen unterscheiden und somit eine Änderung der DiBt-Vorgaben für sein recyclingfähiges System weber.therm circle erwirken. Gleichzeitig wurden wichtige Erkenntnisse über das Verhalten von Wärmedämm-Verbundsystemen im Abbindeprozess sowie unter verschiedenen Witterungsbedingungen gewonnen.

Eine Objektmessung in diesem Umfang wurde erstmalig in Deutschland durchgeführt. „Wir leisten hier Grundlagenforschung“, kommentiert Projektingenieurin Antje Proft, die das Projekt seitens des Ingenieurbüros Sahlmann und Partner GbR betreute. „Die Frage ‚Wie verhalten sich unterschiedlich befestigte Wärmedämm-Verbundsysteme bei gleicher Beanspruchung und gleichem Aufbau?‘ wurde noch nie in Form von Feldmessungen an großen Flächen geklärt – bis jetzt.“

Sensoren maßen Bewegungen und Feuchte im System

Im Rahmen des Versuchsaufbaus wurden an drei identisch ausgerichteten und jeweils 190 m² großen Giebelflächen von Mietshäusern der Leipziger Wohnungsbaugesellschaft Kontakt e.G. drei vollmineralische, dickschichtige WDV-Systeme, alle mit gleichem U-Wert, aufgebracht. Am ersten Giebel wurde das System weber.therm A 100 aufgebracht, bei dem die Dämmplatten herkömmlich geklebt und verdübelt werden, bei den anderen beiden kam das innovative recyclingfähige System weber.therm circle zum Einsatz. Um einen sortenreinen Rückbau zu ermöglichen, werden die Dämmplatten bei diesem WDVS lediglich verdübelt. Im Versuchsaufbau geschah dies beim zweiten Giebel auf herkömmliche Art und am dritten Giebel mit erhöhtem Anpressdruck.

Beim Aufbringen der Systeme wurden auf jedem Giebel 17 Sensoren in die Putzschicht eingebaut. Die Messtechnik wurde eigens von der Materialprüfungsanstalt (MFPA) Leipzig für die spezifischen Anforderungen der Studie entwickelt. Als Grundlage diente dabei Technik zur Bewegungsmessung bei konstruktiven Ingenieurbauten. Neben Verformungen an den Rändern und der Fläche wurde außerdem die Feuchte innerhalb der Systeme gemessen. Zusätzlich wurde die Fassade in regelmäßigen Abständen mit einem Hubwagen abgefahren und kontrolliert, ob sich die Quadranten relaxiert, also entspannt, hatten. Aufschluss darüber gaben feine Fissuren, die üblicherweise beim Trocknen und Entspannen des Putzes entstehen. Das Armierungsgewebe sorgt dafür, dass sie gleichmäßig auf der Fläche verteilt werden und keine größeren Risse entstehen.

Messung unter exakt gleichen Bedingungen

Beim Versuchsaufbau kam ein dickschichtiges Putzsystem mit einer Aufbauhöhe von 27 mm zum Einsatz. Um vergleichbare Ergebnisse zu erzielen, mussten alle drei Giebel an einem Tag armiert und verputzt werden. Nur so konnte sichergestellt werden, dass die Schwindung unter den gleichen Witterungsbedingungen erfolgte. Gleichzeitig musste aber die Messtechnik im handwerklichen Prozess passgenau eingesetzt und vor Beschädigungen geschützt werden.

Die sorgfältige Ausführung lohnte sich: Kein einziger Messpunkt ging während des Versuchsaufbaus verloren, alle lieferten im Lauf von 24 Monaten zuverlässig umfangreiche Messdaten zu horizontaler und vertikaler Bewegung sowie zur Feuchtigkeit in den drei Systemen.

Belastbare Erkenntnisse zu Bewegungen im WDVS

Die These, dass eine rein mechanische Befestigung zu mehr Verformungen oder gar zu einem leichten Abrutschen des Systems führen würden, wurde nicht bestätigt. Die Putzscheiben konnte sich im horizontalen wie im vertikalen Bereich frei bewegen und wiesen sogar weniger Fissuren auf als bei den verklebten Systemen. Wurde bei Montage der Dämmplatten ein stärkerer Anpressdruck verwendet, verringerte sich die ohnehin geringe Verformung zusätzlich. Insgesamt bewegten sich die Unterschiede hinsichtlich der Verformung der verschiedenen Systeme im Bereich von wenigen Drittel Millimetern. „Die Unterschiede der Verformungen der Systeme waren so gering, dass zu keinem Zeitpunkt ein Risiko für die Standfestigkeit bestand“, bestätigt Antje Proft. „Generell wurden innerhalb des mechanisch befestigten Wärmedämm-Verbundsystems, insbesondere in vertikaler Richtung, weniger Verformungen festgestellt als vermutet. Es traten an keiner der drei Flächen Risse im Putz auf, die über die üblichen Fissuren hinausgingen.“

Qualitätsnachweis bringt Erleichterungen für die Praxis

Auf Basis der Ergebnisse hat das DiBt bei seiner Tagung im November 2023 die Auflagen für das innovative recyclingfähige WDV-System weber.therm circle deutlich gelockert und die Feldgröße erweitert. Künftig müssen Feldbegrenzungsfugen bei weber.therm circle lediglich alle 25 Meter in der Breite und 22 Meter in der Höhe vorgesehen werden – eine sehr auskömmliche Größe, die die Realisierung großer, fugenloser Flächen mit diesem System ermöglicht. Und auch hinsichtlich der Langlebigkeit von WDV-Systemen liefert der Versuchsaufbau wichtige Erkenntnisse: Die Tatsache, dass die Verformungseffekte innerhalb der Systeme geringer ausfielen als erwartet, legt nahe, dass auch Schätzungen zur durchschnittlichen Lebensdauer von Wärmedämm-Verbundsystemen bislang zu niedrig angesetzt waren.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 05/2015

Wärmeschutz mit System – Dämmstoffe im Vergleich

Vor dem Hintergrund der Energiewende und der Anforderungen durch die Energieeinsparverordnung (EnEV) wird heute kaum noch ein Gebäude ohne Wärmedämmung ausgeführt. Wie die Praxis zeigt, sorgt eine...

mehr

Saint-Gobain Weber und Bauverlag: Webinar zu sortenrein rückbaubarem WDVS

Angesichts fortschreitender Rohstoffverknappung ist besonders die Baubranche in der Verantwortung. Auch die Industrie ist in der Pflicht, nachhaltige Systeme für die Kreislaufwirtschaft zu...

mehr
Ausgabe 7-8/2012 Energetisch Sanieren

Natürliche Wärmedämm-Verbundsysteme

Dämmplatten aus Holzfasern bilden den Kern des Inthermo WDVS. Die klassische Holzfaserdämmplatte Inthermo HFD-Exterior Solid besteht aus mehreren, jeweils etwa 2?cm dicken Lagen. Diese Lamellen...

mehr

WDVS: Schlitzen statt Rückbau

Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) der ersten Generation mit Kunstharzputz wurden während der 1970er und 80er Jahre in großer Zahl an deutschen Hausfassaden verarbeitet. Heute zeigen sich einige...

mehr

WDVS: Damit dem Specht die Lust am Klopfen vergeht

Mineralische WDV-Systeme sind erste Wahl, wenn es um hohen Brand-, Schall- und Schlagschutz geht. Die Dämmplatten aus Mineralwolle werden auf Basis von Steinwolle gefertigt und verfu?gen u?ber...

mehr