Fassadengestaltung

Platzgewinnung: Sechs oben drauf

Als Antwort auf die Wohnraumknappheit in Hamburg wird ein Mietshaus aus der Nachkriegszeit um zwei Etagen mit sechs Wohnungen aufgestockt. Mit Fassadenplatten aus Faserzement gelingt eine kreative Fassadengestaltung, die außerdem die Brandschutzvorschriften der HBauO für Fassaden der Gebäudeklasse 5 erfüllt.

In beinahe allen größeren deutschen Städten fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Baugrundstücke sind in diesen schnell wachsenden Regionen kaum mehr verfügbar. Die wenigen noch vorhandenen freien Flächen reichen nicht aus, um den Bedarf zu decken. Der Mangel treibt Baukosten, Kaufpreise und Mieten in Rekordhöhen. Dabei könnten 2,3 bis 2,7 Millionen Wohnungen neu entstehen, wenn die vorhandenen innerstädtischen Bau-Potenziale intelligent und konsequent genutzt würden. Zu diesem Ergebnis kommt die „Deutschland-Studie 2019“ der TU Darmstadt und des Pestel-Instituts (Hannover). 

Dabei haben die Wissenschaftler vor allem die Dachflächen von Mehrfamilienhäusern und Nichtwohngebäuden in den Fokus genommen. Der Studie zufolge bietet die Dachaufstockung von Wohngebäuden ein Potential von bis zu 1,5 Mio. Wohneinheiten. Durch die Aufstockung von Büro- und Verwaltungsgebäuden könnten noch einmal zusätzlich 560.000 Wohneinheiten realisiert werden. Der besondere Charme dieser Lösung: Zusätzliches Bauland wird nicht benötigt, eine Aufstockung spart sowohl die Grundstücks- als auch die Erschließungskosten. Nicht nur die angespannten Wohnungsmärkte könnten so entlastet werden, vielmehr können bei entsprechend hoher architektonischer Qualität ganze Stadtviertel durch Aufstockungen aufgewertet werden.

Früh erkannt hat dies die Hansestadt Hamburg, die 2018 die Aufstockung von Gebäuden und den Ausbau von Dachgeschossen durch eine Reform der Landesbauordnung deutlich erleichtert hat. Nach einigen vergeblichen Anläufen wurde jetzt im Bezirk Altona ein viergeschossiges Wohngebäude um ein Vollgeschoss und ein Staffelgeschoss erweitert. Großzügige Mietwohnungen im Maisonette-Stil konnten so zusätzlich geschaffen werden.   

Für den langgestreckten Bau mit modernem WDVS (Wärmedämm-Verbundsystem) auf der Fassade ist dies bereits die zweite Aufstockung. Das Gebäude wurde in der frühen Nachkriegszeit in massiver Bauweise auf den Fundamenten von zerbombten Gründerzeithäusern zunächst mit Erdgeschoss, zwei Obergeschossen und Satteldach erstellt. Bereits in den 1960er Jahren ersetzte der Besitzer das Satteldach durch ein drittes Vollgeschoss mit sehr flach geneigtem Dach. Der im Rahmen eines Eigentümerwechsels 2012 gestellte Antrag auf eine weitere Aufstockung wurde jedoch von den zuständigen Stellen zunächst negativ beschieden. Erst vor dem Hintergrund zahlreicher Nachverdichtungen in der unmittelbaren Nachbarschaft hatte eine 2017 gestellte zweite Bauvoranfrage Erfolg. 

Hochwertige Mietwohnungen

Das hier realisierte Konzept von Architekt Dipl.-Ing. (FH) Simon Risse, Inhaber des Hamburger Büros Zugpferd Architektur, sieht die Aufstockung um ein weiteres Vollgeschoss sowie ein Staffelgeschoss mit insgesamt sechs Wohnungen in Größen von 100 bis 130 m² vor. Dabei sollte das vorhandene Dach unverändert erhalten bleiben. Für den Neubau wurde darüber eine neue Rohbetondecke installiert, die die aufgestockten Wohneinheiten trägt. Diese Betondecke überragt den Bestandsbau auf der Straßenseite um rund 30 cm, zur Gartenseite hin sogar um etwas mehr als einen Meter. Insgesamt konnten so 45 m² zusätzliche Fläche gewonnen werden. Alle Wohnungen, die in Maisonette-Bauweise ausgebildet sind, profitieren so von großzügigen Grundrissen mit intelligenter Raumaufteilung, die bei der Nutzung ein Höchstmaß an Flexibilität sicherstellt. Eine - bei manchen Wohnungen sogar zwei - Dachterrassen im Staffelgeschoss komplettieren das hochwertige Raumangebot. Den besonderen Ausblick über die Dächer von Hamburg gibt es gratis dazu.

Schwierige Statik

Die Fundamente des Gebäudes waren statisch nicht genau bestimmbar. Vor diesem Hintergrund entschied Architekt Risse, die Aufstockung mit einer leichten Konstruktion in Holzbauweise auszuführen. Die Außenwände erhielten ein hinterlüftetes Fassadensystem mit nachhaltig produzierten Fassadenplatten aus Faserzement des Baustoffherstellers James Hardie.

Neben der Lösung der statischen Problematik bot die Holzbauweise weitere Vorteile: Die Maßnahme konnte so in relativ kurzer Bauzeit bei geringem Baulärm durchgeführt werden. Ein schneller Baufortschritt war hier nicht nur aus Kostengründen geboten: Das Gebäude blieb während der gesamten Dauer der Maßnahme bewohnt. Für die Mieter bedeutete dies, dass sie sich mit den Nebeneffekten einer Großbaustelle arrangieren mussten.

Die Entscheidung für eine Aufstockung um zwei Etagen führte dazu, dass das Objekt nach § 2 (3) HBauO in die Gebäudeklasse 5 einzustufen ist. Diese Klasse umfasst Gebäude, bei denen die Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthalt möglich ist, mehr als 13 Meter über der Geländeoberfläche liegt. Trennwände zwischen den Wohnungen und tragende Wände wurden mit Holzmassivwänden F90-B ausgeführt. Die äußeren Wände, sofern sie nicht tragend sind, wurden als Holztafelwände F30-B erstellt. Für den entsprechenden Brandschutz sorgt eine Beplankung mit Gipsplatten.

Vorteil Trockenestrich

Vor dem Hintergrund der schwierigen Statik hatte der Planer für den Fußbodenbereich von Anfang an Trockenestrich-Systeme in den Fokus genommen. Sie punkten durch ein niedriges Flächengewicht, so dass keine statischen Probleme auftreten. Je nach Fabrikat, Aufbau und System sind in Trockenbauweise Flächengewichte ab 23 kg/m² möglich. Bei Zementestrichen zum Beispiel müssen dagegen je nach Dicke Flächengewichte von 100 bis 120 kg/m² berücksichtigt werden. Das entspricht etwa dem Unterschied zwischen einem Kleinwagen und einem Transporter oder - bei einer Fläche von 25 m² - einer Mehrbelastung von 1800 kg. Dabei ist die Belastbarkeit von Trockenestrichen durchaus mit herkömmlichen, massiven Estrichsystemen vergleichbar.

Hinzu kommen Sicherheit im Brandschutz (nicht brennbar, Klasse A2-s1 d0 nach EN 13501) sowie gute Trittschall- und Wärmedämmung. Da keine zusätzliche Feuchtigkeit in den trockenen Holzbau eingebracht wird, entfallen lange Trocknungszeiten. Zum Vergleich: Bei konventionellen Estrichen müssen hier durchaus Zeiträume von vier Wochen und mehr berücksichtigt werden. Nach der Verlegung von fermacell® Trocken-Estrichen jedoch kann fast ohne Zeitverzug weiter gearbeitet werden. Die Elemente sind sofort begehbar und unmittelbar nach dem Aushärten des Klebers voll belastbar; der gewünschte Oberbelag kann sofort aufgebracht werden. Dafür wird unter normalen Temperaturbedingungen im Raum eine Zeitspanne von lediglich 24 Stunden veranschlagt.

Architekt Simon Risse entschied sich für das fermacell® Estrich-Element 2E22. Es besteht aus zwei miteinander verklebten 12,5 mm dicken fermacell® Gipsfaser­Platten im Format 150 x 50 cm. Ein umlaufender 5 cm breiter Stufenfalz gewährleistet in Kombination mit dem handlichen Format und geringem Gewicht eine schnelle Verarbeitung. In diesem Fall besteht der Bodenaufbau aus 25 mm fermacell® Ausgleichschüttung mit darüber angeordneter 12 mm dicker Mineralwoll-Trittschalldämmung und dem darauf verlegten fermacell® Estrich-Element 2E22. Der Bodenaufbau erfüllt im Brandschutz die Anforderungen F90 und bietet den geforderten Trittschallschutz.

Fußbodenheizung im Bad

In den Badbereichen hatte der Architekt eine Fußbodenheizung vorgesehen. Zum Einsatz kam hier das neue Fußbodenheizsystem fermacell® Therm25 von James Hardie. Es besteht aus einer 25 mm dicken fermacell® Gipsfaser-Platte. Die Oberseite ist mit einer speziellen Fräsung mit Umlenknuten für die Verlegung der Fußbodenheizungsrohre versehen. Für besondere Grundrisse oder Türdurchgänge steht ergänzend das Element fermacell® Therm25 rund zur Verfügung. Das System wird ergänzt durch eine weitere 10 mm dicke fermacell® Gipsfaser-Platte, die als zusätzliche Lage auf den fermacell® Therm25 Fußbodenheizelementen verleimt und geschraubt bzw. verklammert wird. fermacell® Therm25 ist für die Verlegung von 16 mm dicken Verbund-Heizungsrohren geeignet und kann in allen Anwendungsbereichen eingesetzt werden. Das Rastermaß der Ausfräsung beträgt 167 mm. Dank der handlichen Formate von 500 x 1000 mm (fermacell® Therm25) bzw. 500 x 500 mm (fermacell® Therm25 rund) konnten auch die Fußbodenheizelemente ebenfalls schnell und einfach verarbeitet werden.

Nicht brennbare Fassade

Da das Gebäude gemäß § 2 (3) HBauO in die Gebäudeklasse 5 einzustufen ist, waren für die Außenwandbekleidung schwerentflammbare Baustoffe vorgeschrieben. „Wir haben uns letztlich für Hardie® Plank Fassadenbekleidungen aus Faserzement entschieden“, berichtet Architekt Simon Risse. Die Fassadenplatten mit täuschend echter Holzoptik erfüllen die Anforderungen der Baustoffklasse A2-s1, d0 entsprechend der EN 13501-1 (nichtbrennbar). Sie können somit für alle Gebäudeklassen verwendet werden. Das bedeutete, dass die hier bestehende bauaufsichtliche Anforderung „schwerentflammbar“ damit einfach und wirtschaftlich mit einer Unterkonstruktion aus Holz und nichtbrennbaren Mineralwollplatten gem. DIN EN 13162 realisiert werden konnte. Mit einer Aluminium-Unterkonstruktion wird die bauaufsichtliche Anforderung „nichtbrennbar“ erreicht.

Über den Brandschutz hinaus bewähren sich die Fassadenplatten aus Faserzement im Vergleich zu anderen mineralischen Baustoffen für die Fassade durch ihre hohe Witterungsbeständigkeit - auch wenn sie viele Jahre lang extremen Klimabedingungen ausgesetzt sind. Erreicht werden die Produkteigenschaften der Hardie® Plank Fassadenplatten durch eine klimaspezifische Faserzementtechnologie. Diese sogenannte Hardie Zone Technologie sorgt dafür, dass die Faserzementplatten jedem Wetter standhalten. Basis ist dabei die Kombination von individuellen klimatischen Variablen, mit denen die langfristige Leistung der Außenwandbekleidungen auf die verschiedenen Klimazonen der Welt angepasst werden kann. So sind etwa die Platten für den deutschen und europäischen Markt mit der HZ5TM-Technologie ausgestattet, die speziell auf das europäische Klima mit seinen Frost-Tau-Zyklen, extremen jahreszeitlichen Temperaturschwankungen sowie dem Regen/Sonne-Wechsel im Sommer abgestimmt wurde.

Hinzu kommt eine speziell entwickelte Beschichtungs- und Auftragsmethode, die sogenannte ColorPlus™-Technologie. Diese ist die Grundlage für die hohe Langlebigkeit und Strapazierfähigkeit der Farbbeschichtung und schützt vor Verblassen durch starke UV-Strahlung. Auch bei Verschmutzung ist kein Nachstreichen der Fassade erforderlich. Verunreinigungen lassen sich bei Bedarf mit Wasser und einem milden, lösungsmittelfreien Haushaltsreiniger ganz einfach säubern. Nicht zuletzt ist dem Architekten damit die Gestaltung einer Fassade mit trendiger Holzoptik gelungen, die nur einen geringen Wartungsbedarf erfordert. Einmal auf der Fassade montiert, ist keine aufwendige Pflege mehr nötig.

Kreative Fassadengestaltung

Der aufgestockte Gebäudeteil bezieht seine Wirkung aus der Kombination von horizontal und vertikal angeordneten Hardie® Plank Fassadenbekleidungen sowie aus einer Farbgebung, die mutige Akzente setzt. Architekt Simon Risse nutzte damit die Gestaltungsmöglichkeiten der Fassadenplatten. Für die großen Flächen zwischen den Fenstern und Türen wählte der Planer Paneele in edlem Anthrazitgrau aus, die vertikal montiert wurden. Zurückspringende Fassadenbereiche werden durch skandinavisches Rot betont. Ein horizontales Band in Kieselgrau trennt die beiden aufgestockten Etagen voneinander und bildet den oberen Abschluss. Den Übergang zum Bestandsbau markierte der Planer durch ein horizontales Band in Skandinavisch-Rot und Kieselgrau, das durch ebenfalls horizontal montierte Fassadenplatten in Anthrazitgrau nach unten abgeschlossen wird. Es kamen 700 m² Hardie® Plank Fassadenbekleidungen zum Einsatz.

Einfache Verarbeitung

Alle horizontal angeordneten Fassadenplatten wurden von den Mitarbeitern der C.H. Maak GmbH aus Tornesch in Stülpschalung, die vertikalen Flächen dagegen in Boden-Deckelschalung ausgeführt. Hardie® Plank Fassadenbekleidungen sind dünner (Dicke 8 mm, Länge 3600 mm, Breite 180 mm) und leichter (7,4 kg per Brett), gleichzeitig jedoch fester als die meisten alternativen Baumaterialien. Dies sorgte für eine einfache Montage. Die Handwerker befestigten die Elemente mit einem Nagelschussgerät auf der Unterkonstruktion. Alternativ können sie jedoch auch aufgeschraubt werden. Ein Vorbohren ist in jedem Fall nicht erforderlich. Für den Zuschnitt nutzten die Verarbeiter das Hardie™ Guillotin Schneidwerkzeug. Dies sorgte für perfekte Stöße an den Ecken. Sämtliche Schnittkanten wurden vor der Installation mit ColorPlus™ Kantenversiegelung nachbehandelt. Die Ausführung der Innen- und Außenecken gelang mit Hardie® NT3® Trim Zierleisten aus  Aluminium.

Fazit

In Hamburg ist es durch Aufstockung eines Bestandsbaus aus der Nachkriegszeit gelungen, sechs hochwertige Mietwohnungen im Maisonette-Stil zu schaffen. Aus statischen Gründen wurde die Aufstockung in Holzbauweise ausgeführt. Mit einer Fassade aus Hardie® Plank Fassadenbekleidungen konnten einerseits die Vorgaben der HBauO erfüllt werden, die für die Gebäudeklasse 5 Fassaden aus schwerentflammbaren Baustoffen vorschreibt und andererseits ein kreativer Look realisiert werden.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 04/2022 Fassadengestaltung

Geringere Wartungskosten: Faserzement statt Holz

Idyllisch am Ammersee gelegen, ist die oberbayerische Gemeinde Schondorf sowohl für Touristen als auch für Pendler aus München ein interessantes Ziel. Wohnraum ist hier knapp und teuer. Bei der...

mehr

Chancen auf dem Dach: Mehr Wohnraum durch Aufstockungen

Wohnraum, zudem bezahlbarer, ist in fast allen Städten knapp. Aufstockungen in Holzbauweise sind mit fermacell Gipsfaser-Platten eine relativ einfache, preiswerte und schnell zu realisierende Lösung...

mehr
Ausgabe 10/2023 Fassadengestaltung

Es muss nicht immer Holz sein

Oft sind Handwerker, Bauarbeiter und andere Berufstätige auf Unterkünfte angewiesen, wenn sie neue Aufträge übernehmen. Meist ist die Verweildauer vor Ort nur kurz – gerade so lang, bis ein...

mehr
Ausgabe 7-8/2023 Tafeln aus Faserzement

Eine gutaussehende Fassade, die sich auch noch rechnet

Mit der neuen Taxonomie-Verordnung der Europäischen Union, die anhand festgelegter Kriterien definiert, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist (Taxonomie), um damit...

mehr
Ausgabe 03/2023 Fassadenplatten

So schön wie Holz, ist es aber nicht!

Urlaub im eigenen Land wird offensichtlich immer beliebter. Den Umfrageergebnissen der Deutschen Tourismusanalyse der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen zufolge, planten im vergangenen Jahr rund 34...

mehr