Schlaue Technik beugt brenzligen Situationen vor
Jedes Jahr kommt es in Deutschland zu etwa 200.000 Wohnungsbränden mit über 350 Brandtoten und rund 3.500 Brandverletzten. Zudem verursachen sie Sachschäden in Milliardenhöhe. Kann Smart Home-Technik helfen, etwaige Gefahrenquellen zu reduzieren? Mit Weitblick geplant durchaus, meinen Experten.
Die Bilder des brennenden Grenfell Tower in London vor sieben Jahren sind vielen wahrscheinlich noch in Erinnerung. 72 Menschen kamen bei der Feuerkatastrophe ums Leben. Auslöser war ein defekter Kühlschrank. Wie die „Ursachenstatistik Brandschäden 2002 – 2022“ des Kieler Instituts für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Versicherer zeigt, ist Strom im Kontext mit Wohnungsbränden eine nicht zu unterschätzende Gefahr: Brandrisiko Nummer Eins ist Elektrizität (32 Prozent), gefolgt von menschlichem Fehlverhalten (19 Prozent) und Überhitzung (9 Prozent).
In Geräten und hinter Wänden lauern demnach potenzielle Feuerteufel, die erst zu Tage treten, wenn die Situation bereits kritisch ist. Mit dem Fortschreiten des digitalen Zeitalters werden sie jedoch immer weniger Chancen haben, Unheil anzurichten. Denn mithilfe intelligenter Technik lassen sich Brandrisiken minimieren.
Smarte Helfer für die Prävention
Intensiv mit innovativen Brandschutzmaßnahmen beschäftigt sich Reinhard Eberl-Pacan, Inhaber des Büros Eberl-Pacan Architekten GmbH und seit 2007 als Planer und Sachverständiger für den vorbeugenden Brandschutz in Berlin tätig. „Ein- und Mehrfamilienhäuser sind insbesondere durch die Einführung der Rauchwarnmelderpflicht gut geschützt. Personenschäden werden dadurch deutlich reduziert. Luft nach oben gibt es im Bereich Sachschäden, wo Vernetzung und geräteintegrierter Brandschutz durch Smart Home sicher einen Beitrag leisten können“, so der Fachmann.
Für den Wohnungsbau seien Rauchwarnmelder interessant, die sich in Smart Home-Systeme integrieren lassen, damit gerade bei Abwesenheit der Bewohner, schnellere Alarmierungen erfolgen und dadurch eventuell entstehende Sachschäden minimiert werden können. Zusätzliche Sicherheit lieferten automatisierte Mini-Feuerlöscher (sogenannte AMFE - Automatic Miniature Fire Extinguisher) wie die E-Bulb, die direkt in Haushaltsgeräte – neben Brandstiftung die Hauptverursacher von Wohnungsbränden – integrierbar und vernetzbar wären.
Aus dem Stand fluchtbereit
Profunde Erfahrung mit der Integration von Smart Home-Technik in die Elektroinstallation von Wohngebäuden hat die Q-Data Service GmbH. Brandschutz ist zwar kein Thema, weshalb sich Architekten, Immobilienentwickler und private Bauherren in ihrem großzügigen Showroom unweit der Hamburger Innenstadt in Sachen Hausautomation beraten lassen. Aber wenn Elektrotechniker Björn Nohdurft die unterstützenden Funktionen erklärt, die vernetzte Rauchwarnmelder im Ernstfall auslösen, wird verständlich, warum es sinnvoll ist, sie in ein Smart Home-System mit einzuplanen: „Zu den Klassikern gehört die Koppelung von Licht an und Jalousien hoch, oft kombiniert mit dem automatischen Entriegeln von Türen und Fenstern, damit das Haus oder die Wohnung fluchtbereit ist“, erläutert er.
Ergänzen lässt sich die „Flucht-Szene“ mit einer Aufweckfunktion per Vibration am Bett für Personen mit Hör- und Sehbeeinträchtigung. Außerdem ist das Senden einer Push-Nachricht möglich, die direkt auf dem Handy eines zuvor definierten Empfängers erscheint, damit dieser reagieren kann.
Beim Neubau von Eigenheimen und elektrotechnisch modern ausgestatteten Eigentumswohnungen kämen schlaue Rauchwarnmelder im Zuge einer Smart Home-fähigen Elektroinstallation durchaus öfters zum Einsatz, berichtet der Spezialist. Als Grund nimmt er das zusätzliche Sicherheitsgefühl an, das die Technik den Kunden gibt. In Mietwohnungen wären sie hingegen nicht gebräuchlich. Dort würden vorschriftsgemäß zwar fernauslesbare Geräte mit Funktechnologie verbaut, die für gewöhnlich aber nicht vernetzbar seien.
„Zu beachten ist, dass Smart Home-Technik als Ergänzung zu einem gesetzlich vorgeschriebenen Brandschutzkonzept zu sehen ist,“ betont Nohdurft explizit. Viele Hersteller professioneller Smart Home-Systeme (z. B. Bosch, Busch-Jaeger, eQ-3, Gira) haben vernetzungsfähige Rauchwarnmelder in ihrem Portfolio, die die Anwendungsnorm DIN 14676 erfüllen. Der Preis für ein Set, bestehend aus einem Controller und drei Geräten, variiert je nach Anbieter zwischen 200 und 300 Euro. (Zum Vergleich: Ein qualitativ guter konventioneller Rauchwarnmelder ist für rund 25 Euro erhältlich.) Hinzu kommen die Kosten für die Planung eines entsprechenden Systems sowie für dessen Umsetzung und Inbetriebnahme.
Weniger Kabel, geringere Brandlast
Auf einen weiteren Aspekt weist Smart Home-Berater Reinhard Heymann hin, der über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Elektroplanung vernetzter Wohngebäude verfügt: „Generell kann man sagen, wenn Elektroinstallationen in Wohngebäuden heute vorausschauender geplant würden, könnten Kabel sicherlich an diversen Stellen eingespart werden. Weniger verlegte 230-Volt-Kabel, etwa zu Schaltern, vermindert die Brandlast.“ Das funktioniert, wenn Geräte mit sicheren Funkstandards (wie EnOcean und ZigBee, die auch die Industrie nutzt) verwendet werden, für die nur noch wenige oder gar keine per Schwachstrom betriebenen Steuerleitungen nötig sind, sagt er.
Auch Frank Schröder, Leiter des Facility Managements bei der PHOENIX CONTACT Electronics GmbH, kennt das Problem: „Herausforderungen sind oft die Medienstraßen und Kabelbühnen durch die Gebäude, gerade wenn man durch unterschiedliche Brandabschnitte verlegen muss. Jedes Kabel, welches ich nicht ziehen muss, verringert sowohl im Technikraum als auch in der Medienstraße die Brandlast.“ Durch Building-IoT (Anwendungen und Produkte für Gebäude im Internet der Dinge) könne man die Verkabelung um 20 bis 30 Prozent reduzieren, somit auch die Brandlast minimieren. Zudem ermöglicht IoT-basierte Gebäudetechnik eine sogenannte „Smart Rescue“, bei der die Brandmeldeanlage mit einer Sprachalarmierung und einer dynamischen Fluchtwegslenkung verknüpft ist, so dass die Nutzer schnell und sicher aus dem Gebäude geleitet werden.
Auf dem Weg ins Internet der Dinge
An Building IoT-Lösungen arbeitet auch der Messdienstleister ista, der bereits moderne Endgeräte und Systeme einsetzt, die die Verbrauchsablesung einfacher und komfortabler gestalten. Zukünftig sollen batteriebetriebene Erfassungsgeräte wie Heizkostenverteiler, Wasser- und Wärmezähler sowie andere Techniken (auch Rauchwarnmelder) über das Internet der Dinge miteinander kommunizieren, wozu sie direkt mit dem IT-System des Messdienstleisters verbunden sind, ohne dass ein Gateway erforderlich ist.
Ein gemeinsam mit der Deutschen Telekom im Herbst 2019 durchgeführter Praxistext in rund 60 Wohnungen im Raum Köln/Bonn hat gezeigt, dass sich die dazu notwendige stabile Verbindung trotz dicker Wände und sonstiger Hindernisse aufbauen lässt und die Datenübertragung möglich ist. Genutzt wird dafür der Funkstandard Narrowband (NB), der die Adressierung von bis zu 50.000 Teilnehmern pro Funkzelle erlaubt und speziell für Anwendungen im Internet der Dinge (z. B. Smart Metering) entwickelt wurde. Er ist nicht nur leistungsstark und energiesparend, sondern reduziert überdies Kosten und Zeit. Da er beinahe flächendeckend in Deutschland verfügbar ist, dürfte der Roll-out nur eine Frage der Zeit sein.
Derzeit ist der Einsatz von Smart Home-Technik als ergänzende Brandschutzmaßnahme weder Standard noch Pflicht. Ob und inwieweit sich das in Zukunft ändert, hängt nicht zuletzt davon ab, wie die Versicherungswirtschaft vernetztes Wohnen im Hinblick auf ein vermindertes Brandrisiko und damit geringere Schadenszahlungen bewertet. Für vernetztes Fahren („Connected Cars“) hat sie bereits Geschäftsmodelle. Die Wohnungswirtschaft ist demnach gut beraten, sich zeitnah mit dem Thema zu beschäftigen.