Bauindustrie NRW: Rohstoffe, Tariflöhne, Nachunternehmer und Investitionen – vier Gründe für Baukostensteigerungen
25.02.2019
„Die Diskussion um steigende Baupreise nimmt ja mittlerweile in Teilen groteske Züge an. Der Vorwurf, die Bauunternehmen würden sich jetzt die Taschen voll machen, ist geradezu lachhaft und entbehrt jedweder Realität“, mit diesen Worten reagiert Prof. Beate Wiemann, Hauptgeschäftsführerin des Bauindustrieverbandes Nordrhein-Westfalen, auf die anhaltende Diskussion um steigende Baukosten im Hoch- wie im Tief- und Straßenbau.
Der Bauindustrieverband Nordrhein-Westfalen hat die steigenden Baukosten sachlich analysiert und kommt dabei zu folgendem Ergebnis: Im Wesentlichen tragen aktuell vier Faktoren zu steigenden Baukosten bei. Dies sind erstens immens anziehende Preise für Rohstoffe und Materialien, zweitens ein weit überdurchschnittlicher Tarifabschluss für 2018, drittens die Auslastung von Nachunternehmern und Handwerkern und viertens moderat ansteigende Unternehmenseinnahmen.
Der Verbandsanalyse nach sind die Kosten für Wohngebäude im vierten Quartal 2018 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 4,4 %, die von Bürogebäuden um 3,9 % und die von gewerblichen Betriebsgebäuden um 4,5 % gestiegen.
Diesen Kostensteigerungen stehen massive Lieferengpässe bei Kiesen und Sand und in der Folge bei Beton gegenüber. Durch die in den letzten Jahren in allen Bereichen massiv angezogene Nachfrage nach Bauleistungen müssen Rohstofflieferanten ihre Produktion erst einmal ausbauen und auf die gestiegene Nachfrage ausrichten. Betonstahl kostete im Jahresdurchschnitt 2018 allein rund zwölf Prozent mehr als im Jahresdurchschnitt 2017. Die nordrhein-westfälischen Bauunternehmen reagieren darauf durch eine Verbreiterung ihrer Anbieter und Lieferketten.
„Unsere Unternehmen tun alles, um die Baunachfrage zu bedienen und Aufträge zu realisieren. Wer aber heute Bitumen aus Österreich und Splitte aus Norwegen holen muss anstatt vom benachbarten Niederrhein, zahlt alleine schon höhere Transportkosten. Ein Preisanstieg für den Auftraggeber ist dann nur logische Konsequenz“, so Prof. Beate Wiemann weiter. Die Preise im Straßenbau sind im vierten Quartal 2018 nicht zuletzt wegen Rohstoffengpässen um 8,2 % gestiegen.
Nach Jahren der Lohnzurückhaltung und Tarifsteigerungen zwischen zwei und drei Prozent sah der Tarifabschluss im Bauhauptgewerbe zum Mai 2018 eine deutlich höhere Steigerung von 5,7 % vor. Lohn- und Gehaltskosten stehen für rund 30 % der Gesamtkosten am Bau. Dementsprechend schlägt eine derartige Tarifentwicklung auch auf die Baupreise durch.
Prof. Beate Wiemann: „Unsere Beschäftigten arbeiten seit Jahren auf Hochtouren und reparieren dieses Land zum Wohle aller. Wir bekommen neue Straßen und Brücken. Neue, preisgünstige Wohnungen entstehen und der schnelle Glasfaseranschluss soll auch nicht fehlen. Steigende Baukosten kommen damit auch unseren fleißigen und derzeit hochbelasteten Beschäftigten zugute. Diese Leistungen sollten uns allen etwas wert sein.“
Die in den letzten Jahren deutlich gestiegene Baunachfrage führt zu einer hohen Auslastung, insbesondere bei kleineren Bauunternehmen und Handwerksbetrieben. Anders als die Bauindustrie können diese ihre Kapazitäten schwieriger umverteilen und geraten schnell an Grenzen. Treten diese Betriebe als Nachunternehmer auf, diktieren sie aktuell die Preise. Die Bindungsfristen für Angebote wurden zuletzt deutlich gekürzt. Die Nachfrage bestimmt den Preis. Rund ein Drittel der Baukosten gehen auf das Konto von Nachunternehmerleistungen. Fassaden- und Estricharbeiten sind im vierten Quartal 2018 über vier Prozent teurer geworden, Maler-, Lackier- und Fliesenarbeiten ebenfalls um 3,5 %.
„Die Bauindustrie befindet sich derzeit im Schraubstock zwischen Kritik an steigenden Preisen unserer Auftraggeber und zunehmend selbstbewussten Nachunternehmern“, so die Hauptgeschäftsführerin der nordrhein-westfälischen Bauindustrie.
Darüber hinaus steht in der Öffentlichkeit vermehrt der Vorwurf im Raum, die Bauindustrie würde sich zuungunsten ihrer Kunden bereichern. Eine Umsatzrendite vor Steuern von 3,5 % im Geschäftsjahr 2016 in der Bauindustrie spricht jedoch eine andere Sprache. Seit mehr als 20 Jahren liegt die Preisentwicklung im Bauhauptgewerbe zudem unterhalb der Entwicklung der Verbraucherpreise.
Prof. Beate Wiemann dazu: „Die Bauindustrie bleibt der ‚Rendite-Zwerg‘ der deutschen Industrie. Für die Renditen, die wir bei Hochkonjunktur erzielen, würden andere wie der Maschinenbau und die Automobilindustrie morgens nicht einmal aufstehen. Und selbst wenn unsere Unternehmen aktuell besser verdienen als in den Jahren zuvor, sie müssen es auch, denn aus einer schwarzen Null lassen sich Investitionen in Ausbildung, Technik und Digitalisierung für die Zukunft nicht finanzieren.“