BFW NRW: „Bezahlbarer Wohnraum ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit“
Die Mitgliederversammlung und der anschließende Immobilientag des BFW-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen (www.bfw-nrw.de) standen ganz im Zeichen der Zuwanderung. Vor rund 200 Gästen aus Politik und Wirtschaft wurde in vielen Fachvorträgen deutlich, dass die Integration von Flüchtlingen nur gelingen kann, wenn ausreichend bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird. Die mittelständische Immobilienwirtschaft bekennt sich zu ihrer Verantwortung und ist bereit wie nie für diese Herausforderung, allerdings muss die Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. „Die Zeit drängt. Wir müssen jetzt zu konkreten Ergebnissen kommen“, betont Martin Dornieden, der als BFW-Landesvorsitzender einstimmig wiedergewählt wurde.
Die Zahlen sind eindeutig: „Alleine in Nordrhein-Westfalen müssen in den nächsten fünf Jahren rund 200.000 Wohneinheiten entstehen. Derzeit liegen wir bei rund 40.000 Fertigstellungen“, so Dornieden weiter. Knappes und deshalb teures Bauland, lange Genehmigungsverfahren in den Kommunen und steigende Baukosten durch immer neue Auflagen und Normen seien wesentliche Hürden für den Wohnungsbau. Oliver Arentz vom Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln sprach in seinem Vortrag von einer Gefährdung der sozialen Stabilität, wenn die Bürger das Gefühl hätten, ihnen würde etwas weggenommen. „Fakt ist, dass die Flüchtlinge den ohnehin schon großen Neubaubedarf noch erheblich steigern werden. Es darf nicht zu Verteilungskämpfen kommen.“ Besonders betroffen sind die Ballungszentren, wo die Wohnungsverknappung schon jetzt zum Teil dramatische Auswirkungen hat. „Flüchtlinge gehen dorthin, wo sie ihre Landsleute finden. Und das sind nun einmal die Metropolen“, so Arentz. Er schlägt eine Residenzpflicht für Flüchtlinge vor, um eine „Ghettoisierung“ zu verhindern und Lasten gleich zu verteilen. „Ein Wohnortzuweisungsgesetz wäre eine Möglichkeit, wie es beispielsweise Anfang der 90er Jahre für Aussiedler geschaffen wurde.“
Die Baulandentwicklung war Schwerpunktthema in einer Podiumsdiskussion mit Michael von der Mühlen, Staatssekretär im NRW-Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr, Hilmar von Lojewski als Beigeordneter des Deutschen Städtetages und Projektentwickler Martin Dornieden. Für von der Mühlen ist „bezahlbaren Wohnraum zu schaffen eine Frage von sozialer Gerechtigkeit.“ Von Lojewski rät den Kommunen, bewusster mit dem Wohnungsbau umzugehen. Für die Diskussionsteilnehmer muss der Wohnungsbau in den Kommunen zur Chefsache gemacht werden: „Und zwar interkommunal in Zusammenarbeit mit anderen Städten und Gemeinden. Diese Aufgabe können wir nur gemeinsam stemmen.“
Ein Großteil der Baukosten ist politisch steuerbar
Einigkeit herrscht beim Thema Baukosten: Nicht nur für den BFW NRW ist ein Großteil der Baukosten politisch steuerbar. Kostentreiber sind beispielsweise die Grunderwerbsteuer (Nordrhein-Westfalen gehört bundesweit zur Spitzengruppe) und die Energieeinsparverordnung (EnEV). „Ich stelle mir schon die Frage, warum die EnEV-Verschärfung angesichts der jüngsten Entwicklungen nicht ausgesetzt wurde“, erklärt der stellvertretende Vorsitzende Rolf Schettler. Mit einer Vielzahl an Vorschriften und Auflagen und zum Teil widersprüchlichen Verordnungen sei das ursprüngliche Ziel völlig aus den Augen verloren worden. „Die ENEV ist ein Etikettenschwindel“, fügt Vorstandsmitglied und EnEV-Experte Dirk Salewski hinzu.
Kontinuität in der Vorstandsarbeit
Beim formalen Teil der BFW NRW-Mitgliederversammlung wurde Martin Dornieden zum zweiten Mal wiedergewählt. Dornieden führt den Verband jetzt seit sechs Jahren. Unverändert bleibt auch die Besetzung des Vorstandes. Bis auf Dr. Andreas Potthoff, der nicht mehr als Beisitzer kandidierte, wurden Rolf Schettler als stellvertretender Vorsitzender, Achim Feldmann als Schatzmeister sowie Anett Barsch, Gunnar Kissel, Dr. Werner Küpper, Dirk Lindner, Friederich Sahle, Dirk Salewski und Georg Wilms als Beisitzer im Amt bestätigt. Die erfolgreiche Arbeit kann demnach fortgeführt werden. „Wir haben im letzten Jahr den Dialog mit der Politik intensiviert. Wir haben gemeinsam mit Minister Groschek und anderen Verbänden eine Wohnungsbauoffensive gestartet und sind auf kommunaler Ebene wie in Köln, Düsseldorf und Bonn in Wohnungsbauinitiativen vertreten“, resümiert Dornieden.
„Wir bieten der Politik Lösungen an“
Mit 14 neuen Mitgliedern in 2015 und bereits fünf neuen Mitgliedern in 2016 stellt sich der Verband als Sprachrohr der mittelständisch geprägten Immobilienwirtschaft zudem immer breiter auf: „Durch die Flüchtlingskrise wird zunehmend deutlicher, dass die Probleme auf dem Wohnungsmarkt nicht ohne die private Immobilienwirtschaft zu lösen sind. Mehr noch: Wir als Verband bieten der Politik praktische Lösungen an. Die Mitgliedsunternehmen wollen sich aktiv beteiligen“, fasst BFW NRW-Geschäftsführerin Elisabeth Gendziorra zusammen.
Wie kann der Wohnungsbau kostenmäßig entlastet werden?
Hoch motiviert und optimistisch geht der BFW NRW-Vorstand nun die nächsten Aufgaben an. Zur Bauministerkonferenz im Sommer wird der BFW Bundesverband Lösungen vorschlagen, wie ohne Gesetzesänderung der Wohnungsbau kostenmäßig entlastet werden kann. Des Weiteren muss sich die Kommunalpolitik Gedanken machen, ob eine gemeinsame Richtung in der kommunalen Wohnungspolitik möglich ist und inwieweit Geld aus dem Wohnraumförderprogramm dazu genutzt werden kann, um die personell unterbesetzten Bau- und Planungsämter aufzustocken, damit die langwierigen Genehmigungsverfahren beschleunigt werden können.
„Gewinner werden die sein, die sich frühzeitig darauf einstellen“
Dass es keine Alternativen gibt, stellte Prof. Dr. Meinhard Miegel in einem bewegenden Exkurs vor. Die Zuwanderung werde Gesellschaft und Strukturen verändern, so Miegel. „Das 21. Jahrhundert wird ein Jahrhundert der Massenmigration werden. Gewinner werden die sein, die sich frühzeitig darauf einstellen.“